Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) zusammen mit Claudia Roth (Grüne, links), Staatsministerin für Kultur und Medien, und Sabine Schormann (r), Generaldirektorin der documenta, nach der Eröffnung der documenta fifteen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Eröffnung der Weltkunstausstellung documenta einen "leichtfertigen Umgang mit dem Staat Israel" kritisiert.

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Eröffnung der documenta in Kassel

hs
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Nach Ansicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist die Kunstfreiheit ein wichtiger Pfeiler demokratischer Gesellschaften, hat aber auch ihre Grenzen. "Kunst darf anstößig sein, sie soll Debatten auslösen", sagte Steinmeier am Samstag bei der Eröffnung der Kunstausstellung documenta in Kassel laut vorab veröffentlichtem Redetext. Kritik an israelischer Politik sei erlaubt. "Doch wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, ist die Grenze überschritten."

Mit Blick auf die Antisemitismus-Debatte im Vorfeld der Schau zeitgenössischer Kunst habe er "manchen gedankenlosen, leichtfertigen Umgang mit dem Staat Israel" beobachtet, sagte er weiter. Die Anerkennung Israels sei in Deutschland aber Grundlage und Voraussetzung jeder Debatte.

Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war vorgeworfen worden, auch Organisationen in die documenta fifteen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien. Ruangrupa und die documenta wiesen die Anschuldigungen entschieden zurück.

Hunderte Schaulustige vor Fridericianum

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und der Botschafter der Republik Indonesien, Arif Havas Oegroseno, nahmen an der Eröffnung teil.

Ministerpräsident Rhein betonte die Rolle der documenta fifteen als eine der weltweit bedeutendsten Kunstausstellungen. Sie sie dabei auch "eine Plattform kulturellen Austausches über verschiedene Kulturräume hinweg", sagte er. In schwierigen politischen Zeiten biete sie oft eine erste Brücke, um Verbindungen aufzubauen, zu stärken und zu erweitern.

Bei schönstem Sommerwetter hatten sich Hunderte von Besuchern und Schaulustigen vor dem Fridericianum in der Kasseler Innenstadt versammelt, wo Steinmeier auf dem roten Teppich in Begleitung von Ade Darmawan vom Kuratorenkollektiv Ruangrupa und documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann im Fridericianum zum anschließenden Rundgang und seiner Eröffnungsrede eingetroffen war.

Kollektive und Organisationen aus aller Welt

Anlässlich der documenta ist nicht nur die (Kunst)-Welt wieder zu Gast in Kassel - sondern dieses Mal sogar die ganze Welt, wie der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), bei einer Pressekonferenz in dieser Woche betonte. Endlich sei auch der globale Süden eingeladen.

Denn statt auf große Namen aus der Szene setzt die indonesische Kollektiv Ruangrupa auf Kollektive und Organisationen aus aller Welt - und auf das Publikum. Unter dem Motto "lumbung" soll es um Werte wie Solidarität und Teilhabe gehen; die Besucherinnen und Besucher sollen nicht nur Kunst konsumieren, sondern mitmachen.

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Was ist lumbung?

Das indonesische Wort "lumbung" steht für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Diese Tradition des Teilens will Ruangrupa auf die Weltkunstausstellung in Kassel übertragen.

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Kommen können alle

Das Programm sieht am Samstag, dem ersten Publikumstag, so aus: Nach der offiziellen Eröffnung sind Konzerte, Filmvorführungen, offene Treffen, Workshops und Partys in den Ausstellungsorten geplant. Kommen können alle, die ein gültiges Ticket haben. Auf dem Friedrichsplatz soll es außerdem eine Feier geben, zu der auch alle ohne Tickets eingeladen sind.

Künstlerkollektive im Mittelpunkt

Insgesamt 100 Tage lang präsentieren 14 Kollektive, Organisationen und Institutionen sowie 54 Künstlerinnen und Künstler ihre Werke. Unter den Teilnehmern sind etwa eine dänische Organisation, die Geflüchtete mit Rechtsberatung und Sprachkursen unterstützt, eine Gruppe aus Bangladesch, die sich um Müllvermeidung bemüht, sowie Bienenzüchter aus Kassel. Zudem verwandelt der rumänische Künstler Dan Perjovschi den Boden vor dem Kulturbahnhof in eine Zeitung.

Besucherinnen und Besucher müssen sich auf ein Kunst-Abenteuer einlassen. Generaldirektorin Sabine Schormann kündigte an, das Publikum erwarte eine vielfältige, experimentelle, auf kollektiven Prozessen aufbauende Schau. "Man wird die documenta 15 als einen sinnlichen Ausstellungsbesuch mit - unter anderem - Malerei, Installationen, Filmen oder auch Musik und Performance erleben können." Auch gemeinsames Kochen und Abhängen gehören zum offiziellen Programm.

Ausstellung geht weit über Innenstadt hinaus

Die Schau erstreckt sich über insgesamt 25 Standorte in Kassel, darunter Museen, Plätze, Parks und Hallen. Neben den klassischen Spielorten im Zentrum wie dem Museum Fridericianum und der documenta-Halle zählen auch ein Bootsverleih an der Fulda und ein ehemaliges Firmengelände sowie ein altes Hallenbad im Kasseler Osten dazu.

Diesmal lässt sich die documenta sogar hören: Das offene Internetradio "lumbung Radio" besteht aus einem interkommunalen Netzwerk unterschiedlicher Radiostationen und überträgt zeitzonenunabhängig und in mehreren Sprachen Musik und Kunst.

Kassel bekennt sich zu Ruangrupa

Bei der Eröffnungs-Pressekonferenz am Mittwoch bekannten sich sowohl Kassels Oberbürgermeister Geselle als auch die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) noch einmal zu Ruangrupa und zur Kunstfreiheit. Aus der historischen Verantwortung Deutschlands gebe es "eine ganz klare Haltung zu Antisemitismus und dem Existenzrecht Israels", sagte Geselle. Er mahnte, genau hinzusehen und nicht vorschnell zu verurteilen.

Die documenta findet seit 1955 alle fünf Jahre in Kassel statt und dauert jeweils 100 Tage. Sie gilt neben der Biennale in Venedig als bedeutendste Präsentation von Gegenwartskunst. Zunächst war sie drei Tage lang Fachbesuchern und Journalisten vorbehalten. Die diesjährige Ausgabe endet am 25. September.

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