Portrait Michael Münzing und Luca Anzilotti in gemusterten Hemden im 1990er-Jahre-Look

Ein bisschen Autoscooter, ein bisschen Großraumdisco: Eurodance-Hits wie "Rhythm is a Dancer" und "Mr. Vain" sind echte Klassiker unter den Partyfegern. Vom Rhein-Main-Gebiet aus eroberten ihre Produzenten vor 30 Jahren die internationalen Charts.

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Eurodance - vom Rhein-Main-Gebiet in die ganze Welt

Luca Anzilotti in seinem Studio in den 1990er-Jahren
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Es ist der 30. März 1992: Die Cool-Kids sind mit Nirvana im Grunge-Himmel oder zappeln sich in den Clubs zu Techno, House,Trance und Co. die Seele aus dem Leib. Im Radio läuft zum ersten Mal "Rhythm is a Dancer" von Snap!. Der Track klingt ganz anders als alles, was gerade angesagt ist, ein bisschen wie eine radiokompatible Light-Version von Techno. Sofort schnellt der Song auf Platz eins der deutschen Single-Charts und hält sich dort für zehn Wochen. Auch im Ausland erreicht er mehrfach die Pole Position, in den USA klettert der Track immerhin auf Platz fünf.

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Vor 30 Jahren stürmten Snap die weltweiten Charts.
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Epizentrum der Eurodance-Welle im Rhein-Main-Gebiet

Es heißt, "Rhythm is a Dancer" habe den Eurodance-Trend ausgelöst. Einfache Techno-Beats mit poppigen Soul-Vocals, abgewechselt von Rap-Parts, prägen die Stilrichtung. Die Zauberformel heißt "Marafrasi" - Mann rapt, Frau singt. Das Label Eurodance haben sich Snap! jedoch nicht selbst verpasst. "Ich habe selbst ganz erstaunt auf Wikipedia gelesen, dass wir die Erfinder des Eurodance sind", sagt Luca Anzilotti. Gemeinsam mit Michael Münzing hat er Snap! 1990 gegründet, das gemeinsame Studio befand sich am Kaiserlei in Offenbach. "Für uns war das damals einfach Clubmusik."

Snap! auf der Bühne

Das Rhein-Main-Gebiet ist in den 1990er Jahren das Dancemusic-Epizentrum. Das bestätigt Jürgen "Nosie" Katzmann aus Darmstadt. Der Musiker war unter anderem bei Culture Beat und Captain Hollywood Project involviert. Zusammen mit dem Haus-und-Hof-DJ der Frankfurter Flughafendisco Dorian Gray, Thorsten Fenslau, bastelte er an ihrer Version des Eurodance und landete mit "Mr. Vain" den ultimativen Dancefloor-Hit des Jahres 1993.

"Der Club Dorian Gray war damals die angesagteste Diskothek in Deutschland und auch weltweit eine der führenden Diskotheken", erzählt er. "Wer da DJ war, der wurde quasi von allen DJs auf der ganzen Welt wahrgenommen. Das war damals unser Pluspunkt."

"Kirmes-Techno": Kritiker rümpfen die Nasen

Katzmann erzählt, ihn habe die Aufbruchstimmung in ein neues musikalisches Genre mitgerissen. "Ich war gelangweilt von Neil Young und Johnny Cash. Das war vorhersehbar, die haben immer das Gleiche gemacht. Dance hingegen war richtig neu!" Dass Leute das Genre ob des raren Einsatzes klassischer Musikinstrumente kritisieren, kann Katzmann nicht verstehen. "Da haben Leute auf eine Art Musik gemacht, wie ich es vorher noch nie gehört hatte. Die haben eine Tür zuknallen lassen und den Sound als Bass-Drum verwendet. Das hat es mir angetan!"

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Mr. Vain stammt aus der Feder von Nosie Katzmann.
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Heute genießen Songs wie "Mr.Vain" von Culture Beat und "Rhythm is a Dancer" von Snap! Kultstatus. Anfang der 1990er liefen sie in den Clubs hoch und runter. So richtig bekennen wollten sich Musik-Nerds zu dem Sound allerdings nicht. Musikkritiker, etwa von der Süddeutschen Zeitung, ätzten damals: "Musikern wie Snap! sollte man das Handwerk legen." Bis heute haftet Eurodance das Image Ballermann- oder Kirmes-Techno an.

Nosie Katzmann im Tonstudio

Zu kommerziell? "Egal, uns gefällt es!"

"Modern Talking hat auch Millionen von Schallplatten verkauft, und ich kenne niemanden, der zugibt, eine zu besitzen", sagt Anzilotti von Snap! gelassen. Die Band sei ohnehin gewissermaßen aus einer Anti-Haltung entstanden. Bevor sie Snap! gründeten, hatten Anzilotti und Münzing mit Größen aus der Techno-Szene wie Sven Väth zusammengearbeitet. Irgendwann hätten sie sich aber von niemandem mehr reinquatschen lassen wollen, berichtet Anzilotti.

Mit Snap! hätten er und Münzing auf ihr Bauchgefühl vertraut. "Wir haben recht egoistisch produziert", sagt er. "Wir haben einfach nur das gemacht, was uns Spaß macht und uns gefällt. Wir haben wenig auf das Umfeld gehört oder auf die, die gesagt haben: Das ist zu kommerziell. Das hat uns überhaupt nicht interessiert. Hauptsache, wir finden es gut - das war immer die Devise."

Mit einem kleinen Trick international erfolgreich

Also produzierten sie mit ihrer Plattenfirma Logic Records, die sie 1989 gegründet hatten, mit Snap! genau die Musik, auf die sie damals selbst am meisten Lust hatten. Auf das Plattencover ihrer ersten Single "The Power" schrieben sie "Hype Studios - London, Brixton" als Produktionsstätte.

"Das war so unser kleiner Seitenhieb an alle", erinnert sich Anzilotti. "Und ruckzuck wurde die Nummer dann natürlich richtig erfolgreich." Nicht nur in Deutschland, sondern auch international in Großbritannien und sogar in den USA. "Das war eine neuartige Situation für die Deutschen", freut sich Anzilotti noch heute. "Normalerweise ist es ja immer andersherum."

Auch heute noch in den Clubs und im Radio präsent

"The Power", "Ooops Up", "Mary Had a Little Boy", "Cult of Snap!", "Rhythm is a Dancer" - der internationale Erfolg ihrer Songs gab ihnen millionenfach recht. Und mehr noch: Eurodance, das Phänomen der 1990er Jahre made in Hessen, ist bis heute nicht tot zu kriegen. "Meine 26 Jahre alte Tochter ist am Wochenende ausgegangen. Da lief 'Rhythm is a Dancer' wohl erst im Autoradio und später noch mal im Club", berichtet Anzilotti. Unheimlich habe sie das gefunden. Aber Papa ist stolz.

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Eurodance-Meilensteine

  • 3. Januar 1990: "The Power" von Snap! erscheint. Der Song gilt heute als einer der wichtigsten Vorboten des Eurodance. Geschrieben haben ihn die Frankfurter Produzenten Michael Münzing und Luca Anzilotti.
  • 30. März 1992: "Rhythm Is a Dancer" von Snap! wird veröffentlicht. Der Song steht lange ganz oben in den europäischen und amerikanischen Charts. Auch dieser Song stammt von Münzing und Anzilotti.
  • 16. April 1993: "Mr. Vain" von Culture Beat wird zur meistverkauften Single des Jahres und erhält Goldstatus in mehreren europäischen Ländern und den USA. Geschrieben und produziert wurde er vom Darmstädter Hitproduzenten Nosie Katzmann und dem Dorian-Gray-DJ Torsten Fenslau. 
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