Grenzwertig glamourös Was taugt der Traumberuf Model?
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Rachel Marx über Social Media im Model-Business

Models sind schön, reich und beliebt - so stellen es sich viele zumindest vor. Die Frankfurterin Rachel Marx läuft bei den wichtigsten Fashion Shows der Welt. Sie hat einen abgeklärten Blick auf den vermeintlichen Traumberuf.
Hinter Rachel Marx liegen anstrengende Wochen. Gerade endet der sogenannte "Fashion Month". Zweimal im Jahr zeigen Designer über mehrere Wochen ihre neuesten Kollektionen in den wichtigsten Modestädten der Welt. Marx ist in New York unter anderem für Proenza Schouler und Carolina Herrera gelaufen, in Mailand für Fendi und Jil Sander, in Paris für Acne und Dior. London hat sie ausgelassen. Reicht auch irgendwann.
Marx ist kein Megastar wie Kendall Jenner, kein Promi auf Zeit aufgrund irgendeiner Castingshow. Sie hat "nicht einmal 5.000 Follower auf Instagram", wie sie sagt, und trotzdem ist sie überdurchschnittlich erfolgreich. Im vergangenen Jahr ist ihrer Aussage nach kein deutsches Model im Rahmen der Modewochen so oft gebucht worden wie sie.
Auch in diesem Jahr ist die 26-jährige Frankfurterin höchst zufrieden. Etwa sechs Schauen pro Stadt - ein guter Wert, sagt sie. Die Konkurrenz sei schließlich groß.
Bewusst für den Job entschieden

Dabei hat Marx verhältnismäßig spät mit dem Modeln angefangen. Sie wurde nicht zufällig als Teenie beim Shoppen entdeckt, sondern hat sich mit 21 Jahren ganz bewusst für den Job entschieden. "Ich habe mich in ganz Deutschland beworben, bestimmt bei acht Agenturen", erzählt Marx. "Mir war klar, dass das nicht leicht wird, dass mich viele ablehnen würden - und so war es dann auch." Nur eine Agentur sagte zu.
Seitdem hat Marx sich durchgebissen. Sie hat für Magazine posiert, für kommerzielle Kunden gearbeitet, sie ist über Laufstege gelaufen. Sie hat sich eine Anwältin genommen und ihre Agentur gewechselt, heute hat sie verschiedene in fünf Städten. Sie hat herausgefunden, mit wem sie nicht mehr arbeiten will und wie sie es schafft, dass Kunden sie wieder buchen. Was sie bis heute nicht so gut kann, ist warten.
"Kann mich mittlerweile abgrenzen"
"Ich setze mich dauerhaft unter Druck", sagt Marx. "Das Problem an dem Beruf ist, dass man wenig Möglichkeiten hat, Einfluss auf die Karriere zu nehmen." Die Fashion Weeks sind entscheidend. Wer hier präsent ist, erhöht nicht nur die Chance, in den folgenden Monaten überhaupt für andere Jobs engagiert zu werden. Über die Sichtbarkeit steigt auch die Tagesgage. An einer Modenschau verdient ein Model etwa 500 bis 1.000 Euro, ein Shooting-Tag für eine Werbekampagne kann direkt 15.000 Euro einbringen.
Wenn das Model nicht arbeitet, ist das Model schuld, so werde es von den Agenturen vermittelt, erzählt Marx. Schlechte Haut, falsche Figur, uncoole Klamotten, verkehrter Charakter. "Es gibt Mädchen oder Frauen, die das sehr ernst nehmen und sich davon total verunsichern lassen", sagt Marx.
Auch sie wurde zu Beginn ihrer Karriere für Birkenstock-Latschen ausgelacht und auf zwei Zentimeter weniger Hüftumfang gedrillt. "Mittlerweile kann ich mich davon abgrenzen. Wenn mir jemand sagt, dein Style ist kacke oder dein Instagram nicht gut genug, nehme ich das nicht ernst."

Wichtig: gute Kontakte und Persönlichkeit
Marx glaubt, wer langfristig als Model erfolgreich sein will, braucht vor allem gute Kontakte und eine einnehmende Persönlichkeit. "Wir sehen wahrscheinlich alle ganz gut aus", erklärt sie. Aber wer nicht von Anfang an persönliche Beziehungen aufbaue, hier einem Casting-Direktor einen Gefallen täte, da ein gutes Gespräch mit einer Stylistin führe, sei nach zwei, drei Saisons passé. "Die Leute müssen dich als Person kennenlernen", sagt Marx. "Wenn du cool bist und man gut mit dir arbeiten kann, vergessen sie dich nicht und greifen wieder auf dich zurück."
Wenn Marx über persönliche Beziehungen innerhalb der Branche spricht, setzt sie das Persönliche allerdings in Anführungszeichen. Zwischen Privatperson und Persona verläuft ein schmaler Grat und daran entlang zu navigieren, fällt ihr nicht immer leicht.
Instagram-Account immer wichtiger

Zu ihrem Instagram-Auftritt etwa hat sie ein ambivalentes Verhältnis. "Die Agenturen wollen immer, dass ich mehr von mir privat poste. Die sagen dann: ‚Du bist doch cool, dann poste das auch!‘", erzählt sie. "Ich finde es aber total schwierig, authentisch zu sein und vor allem authentisch zu bleiben. Sobald ich mehr als fünf Minuten darüber nachdenke, was ich poste, ist das für mich nicht mehr authentisch."
Wenn Marx nicht postet, ist das kalkuliertes Risiko. Stylisten, Casting-Direktoren und Designer würden heute zunächst den Instagram-Account eines Models anschauen, erst dann - wenn überhaupt - das Portfolio, sagt sie.
"Niemand interessiert sich für die Arbeit, die du machst. Die wollen alle ‚Persönlichkeit‘ sehen", glaubt Marx. "Wenn ich eine Persona kreieren würde, könnte ich Leute damit vielleicht beeindrucken und ihnen das Gefühl geben, einen besseren Zugang zu mir zu haben. Aber es kostet mich zu viel Energie. Und ich finde es unangenehm."
"Viele haben etwas zu sagen"
Marx weiß, dass in der Modewelt vieles nicht echt ist - und tut sich schwer damit, das hinzunehmen. "Auch nach so langer Zeit ist es für mich schwer, zu akzeptieren, dass wir Models Ware sind", meint sie. "Wir werden verkauft und gekauft." Dabei behandle man sie im direkten Kontakt selten schlecht. "Aber es wird uns klargemacht: Hier geht es um Geld."
Dem Klischee des Models als charakterloser Kleiderständer widerspricht Marx nuanciert. "Viele von uns haben was zu sagen", erklärt sie. "Aber viele stumpfen auch ab. Da muss man aktiv gegensteuern." Gerade hat Marx Backstage bei einer Modenschau Filmaufnahmen für ein großes Modemagazin gemacht. Sie und eine Kollegin haben dabei auch den Krieg Russlands in der Ukraine thematisiert.
"Ich will nicht, dass man denkt, wir hocken hier nur rum und genießen unsere Shows, während es anderen so schlecht geht", sagt sie. Jetzt hofft sie, dass die entsprechenden Sequenzen am Ende nicht rausgeschnitten werden.
Abgeklärter Blick auf die Branche

Auch werden für Modenschauen immer diversere Typen gebucht. "Aber ob Labels nicht einfach nach Quote besetzen und sagen: 'Das müssen wir jetzt so machen'?", darauf hat auch Marx keine Antwort. "Vielleicht wird es auch nur gemacht, um nach außen etwas darzustellen."
Modeln ist nichts für immer, das hat Marx für sich entschieden. Aber für den Moment findet sie den Beruf komfortabel "Ich weiß es zu schätzen, dass ich Geld verdienen kann - wahrscheinlich auch mehr als die meisten in meinem Alter. Ich bin 26 und ich bin beschäftigt", sagt sie.
Und klar, da sei auch die Hoffnung, dass der ganz große Durchbruch noch bevorsteht, gibt Marx zu. "Es ist die Hoffnung, dass noch etwas richtig Cooles kommt, und auch die Sucht nach Erfolg. Ich glaube, die kennen wir alle in unserer Bubble." Kürzlich hat ihr eine große Casting-Agentur angeboten, für sie zu arbeiten - als Casterin. Darüber kann Marx lachen: "Die sollen mich lieber für einen coolen Model-Job buchen!"