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Paläontologische Sammlung geerbt - und jetzt?

Fundstücke aus einer paläontologischen Sammlung

Erben kann schön sein. Es gibt aber auch Nachlässe, die sind hochproblematisch. hr-Reporter Jan Tussing zum Beispiel hat von seinem Stiefvater ein Haus samt paläontologischer Sammlung geerbt, die ihn vor ungeahnte Probleme stellt.

Was tun, wenn man ein ganzes Haus voll paläontologischer Fundstücke erbt? Das klingt kurios, kommt aber immer häufiger vor. So auch bei hr-Reporter Jan Tussing. Er hat das Senckenberg Museum zu Rate gezogen und versucht jetzt, eine wahre Mammut-Aufgabe zu bewältigen. Wir haben ihm und seiner eigentümlichen Erbschaft einen Besuch abgestattet.

Von Mammut-Knochen, Geweihen und Bison-Schädeln

Das Fachwerk-Haus in der Kronberger Altstadt (Hochtaunus) ist sehr klein und etwas windschief. Im Flur hinter der Eingangstür ist es schon mit zwei Personen eng. Trotzdem versucht Jan Tussing hier eine ziemlich große, schwere Holzplatte hochzuwuchten. "Die Falltür führt zum Keller", keucht er, knipst das Licht an und steigt vorsichtig die steile Treppe hinunter. Mit seinem Kopf bleibt er fast an einem Schild hängen: "Zum Pleistozän-Museum".

Die Treppe endet in einem kleinen Gewölbekeller. Unzählige Mammut-Knochen, Bison-Schädel, Geweihe und versteinerte Zähne sind hier gelagert. In Regalen, am Boden, kreuz und quer. Und auch die restlichen Räume im Haus sind mit Steinen, Ammoniten, versteinertem Holz und Fachliteratur vollgestellt.

Fundstücke aus einer paläontologischen Sammlung

Es sei nicht immer leicht gewesen, mit so einem Extrem-Sammler zusammenzuleben. Jan Tussing denkt zum Beispiel an einen riesigen Oberschenkelknochen: "Der stand dann in so einem blauen Fass in der Dusche, über Wochen in dieser Konservierungsmittel-Masse. Und ich konnte dann eben nicht duschen."

Er erinnert sich, dass sein Stiefvater manche Fundstücke nicht so ganz legal bekommen hat: "Er ist dann wirklich in die Kiesgrube gefahren, nach Geinsheim, und hat da den Baggerfahrer bestochen." Und der habe dann, wenn er zwischen Sand und Kies Knochen oder Geweihe fand, diese Fundstücke für seinen Stiefvater auf die Seite gelegt.

Kuriose Privatsammlungen: Verborgene Schätze für Museen

Eigentlich wollen Jan Tussing und sein Bruder das Haus verkaufen, aber erst mal muss diese Sammlung irgendwie weg. Sein Bruder hatte deshalb die Funde fotografiert und an Händler geschickt. Deren Antwort, "für 3.000 Euro nehmen wir Ihnen das alles ab", kam schnell und Jan Tussing hatte deshalb ein mulmiges Gefühl. Macht er sich womöglich strafbar, wenn er diese Sammlung verkauft? Er beschließt, eine zweite Meinung einzuholen. Beim Senckenberg Museum, genauer: beim Paläontologen Philipe Havlik.

Allein bei ihm melde sich einmal die Woche jemand mit einer geerbten Sammlung. In den letzten Jahren habe das deutlich zugenommen, berichtet Havlik: "Es sind hunderte, zehntausende Sammlungen in Deutschland. Und diese Privatsammlungen sind für uns Schätze." Natürlich nicht immer. Manche liebevoll zusammengetragene Sammlung sei zwar schön, habe wissenschaftlich aber keinen Wert.

Paläontologische Fundstücke liegen in alten Metallregalen in einem Keller.

Um die 5.000 Objekte, fachmännisch dokumentiert

Bei Jan Tussings geerbter Sammlung ist das anders, das hat der Experte auf den ersten Blick gesehen. Geschätzt handle es sich um etwa 5.000 Objekte. "Es ist eine sehr gute Sammlung", sagt Philipe Havlik. Ort, Fund-Datum und oft sogar das Alter jedes Knochens und jeder Versteinerung seien auf Kärtchen notiert. Ein Glücksfall für die Wissenschaftler. "Locker zwei Drittel des Materials sind nach meiner Einschätzung sammlungswürdig" und seien demnach für Forscher und Museen interessant.

Illegale Funde: Machen Erben sich strafbar?

Aber zunächst muss geklärt werden, in welchem Bundesland und wann was gefunden wurde. Davon hängt auch ab, was legal oder illegal ist, denn die Fund-Gesetze sind in jedem Bundesland verschieden. Für die Erben ist diese unabhängige Beurteilung ein Vorteil, danach herrscht Klarheit. Denn Philipe Havlik betont: "Nur weil ich irgendwas erbe, was illegal ist, heißt es noch lange nicht, dass ich mich selber strafbar gemacht habe."

Jan Tussing entspannt diese Aussage merklich. Auch wenn es jetzt etwas länger dauern wird, bis die Sammlung aufgelöst werden kann. Auf jeden Fall wird er sich nach der Begutachtung mit seinem Bruder absprechen, was mit diesem paläontologischen Erbe weiter passiert: "Ich glaube, das, was für die Wissenschaft wichtig ist, das geht ins Museum." Und vielleicht bekomme er für den Rest von den Experten einen Tipp, wo man den verkaufen könne. Er habe nämlich keine Lust, jedes einzelne Teil auf Ebay einzustellen.

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Kuriose Privat-Sammlung geerbt

hessenschau vom 23.08.2022
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Sammlung geerbt: Was sagt das Gesetz?

Die Regeln für paläontologische Fundstücke sind in jedem Bundesland verschieden. Generell gilt: Wenn es sich nicht um einen Fund von außergewöhnlicher wissenschaftlicher Bedeutung handelt, darf man diesen Fund in den meisten Bundesländern behalten. Wichtig ist aber, dass man ihn gemeldet hat und damit der Forschung zugänglich gemacht hat. Nur so können die Funde bei Bedarf auch fachmännisch konserviert werden. Funde zu behalten ist immer illegal, wenn sie in der Nähe von Burgen, Schlössern oder anderen Denkmälern gefunden wurden. In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist das Sammeln von Fossilien generell untersagt.

In Hessen müssen nur Funde abgegeben werden, die einen besonderen wissenschaftlichen Wert haben oder bei unerlaubten Grabungen gefunden wurden. Ansonsten dürfen Fundstücke behalten bzw. müssen mit dem Grundstückseigentümer geteilt werden.

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