Lehrauftrag in Berlin Die Guerillakünstler der "Frankfurter Hauptschule" gehen an die Uni
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Ein Lehrauftrag für das Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule

Ärger ist ihr Metier - wobei sie selbst eher vom wohlinszenierten Spektakel sprechen würden. Mit ihren Kunstaktionen fordert die "Frankfurter Hauptschule" regelmäßig die Gesellschaft und ihre Autoritäten heraus. Jetzt übernimmt das Kollektiv eine Gastdozentur.

2016 drohte sie, Liebesschlösser vom Eisernen Steg in Frankfurt zu knacken und einzuschmelzen. 2018 platzierte sie ein ausgebranntes Polizeiauto im Bahnhofsviertel, was dem Polizeipräsidenten deutlich missfiel. Im selben Jahr inszenierte sie einen rechtsextremen Übergriff auf die Wiesbaden Biennale.
Das Künstlerkollektiv "Frankfurter Hauptschule", gegründet von Städel-Studierenden, sorgte über die Jahre immer wieder für Gesprächsstoff in Hessen. Nun tritt die Kunst-Guerilla eine Gastdozentur an der Berliner Universität der Künste (UdK) an. Wie passt das zusammen?
Erstmals treten zwei Personen hervor
"Uns wird schon immer vorgeworfen, wir würden den ganzen Quatsch nur machen, um dann schließlich in Institutionen zu landen, vom Feuilleton beklatscht zu werden und anständig Geld zu verdienen. Jetzt ist es vielleicht an der Zeit, sich diesen Prophezeiungen einfach zu ergeben", sagt Nicholas Warburg mit dem der Künstlergruppe eigenen Humor.
Der Künstler wird die Frankfurter Hauptschule im Rahmen des Lehrauftrags gemeinsam mit der Künstlerin Marie Meyer vertreten. Auch das ist neu: Erstmals treten zwei Personen ganz deutlich aus dem Kollektiv heraus.

Warburg und Meyer zufolge eine rein praktische Entscheidung. "Wir konnten die Stelle leider nicht mit zwanzig Leuten antreten", so Meyer. "Ein paar von uns hatten keine Zeit oder keinen Bock. Der Rest wurde durch Münzwürfe entschieden."
Vom "Medientheater" zum Lehrauftrag
Die "Frankfurter Hauptschule" wird an der UdK die Bühnenbildklasse von Studiengangsleiterin Janina Audick unterrichten. "Wir haben in den letzten Jahren vor allem eine Art Medientheater aufgeführt, in dem Wutbürger, Museumsdirektoren oder Polizeipräsidenten zu Protagonisten geworden sind", erklärt Meyer.
Insofern könne man argumentieren, dass die "Frankfurter Hauptschule" mit ihren Interventionen im Wesentlichen Bühnenbilder gebaut habe, vor denen sich "alle mal austoben" durften.
Künstler wollen nicht nur Kritiker sein
Der Gang an die Uni mag in der Außenwahrnehmung überraschen, die "Frankfurter Hauptschule" allerdings hat keinen Moment gezögert, den Lehrauftrag anzunehmen. "Wir werden zwar oft als institutionskritisches Projekt wahrgenommen," weiß Meyer. Das stimme aber nur sehr begrenzt.
Grundsätzlich seien von Steuergeldern subventionierte Kulturstätten aber "erst mal gut", stellt Meyer fest. "Dass da dann oft eine ermüdende Bürokratie dranhängt, ein exklusiver Zugang besteht und die Institutionen nicht ganz selten einfach von Idioten geführt werden, ist auch klar." Das treffe allerdings auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu.
Semesterthema: Cancel Culture
Das Semesterthema für den Kurs der Künstlergruppe lautet "kANzELKuLTuR 666". Man wolle inhaltlich einen Bogen schlagen von Mediendebatten zu Cancel Culture über "Esonazis auf Corona-Demos" zu einem aktuellen Trend unter jungen Künstlerinnen und Künstlern, die auf schwarze Romantik und nordische Mystik setzen, erzählt Warburg.

Für ihren Lehrauftrag seien viele Ausflüge mit den Studierenden geplant und auch, etwas Kunst zu produzieren. Und wenn die Gruppe was anderes wünsche, würde man sich danach richten, so Warburg und Meyer. Die "Frankfurter Hauptschule" gibt sich ungewohnt vermittelnd.
"Wir werden jetzt institutionell"
"Wenn wir bisher von Institutionen angefragt wurden, haben die oft gedacht, das wird jetzt sicher lustig. Und wenn dann die Medienmaschine anfing zu rattern, wurden sie doch nervös", erzählt Warburg.
Die UdK müsse allerdings nicht damit rechnen, Teil eines Hauptschul-typischen Medien-Stunts zu werden, versichert der Künstler: "Wie gesagt, wir werden jetzt institutionell, gesetzt und wohlhabend."