Riedstädter Spiele-Entwickler nominiert Diese halb tote Katze soll für Physik begeistern

Spiele-Entwickler Philipp Stollenmayer hat ein Handy-Spiel entwickelt, das Kindern die Naturwissenschaften näher bringt. Dabei habe er selbst nicht viel Ahnung von Physik, sagt er. Trotzdem war der Riedstädter für den diesjährigen Deutschen Computerspielpreis nominiert.
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Handyspiel "Katze Q" will Mädchen für Physik begeistern

Diese Katze ist alles andere als gewöhnlich: Ihre linke Hälfte sieht ziemlich normal aus, süß und flauschig. Die andere Hälfte dagegen besteht nur aus Knochen und einem etwas gruselig anmutendem gelben Auge. Die Hauptfigur des Handyspiels "Katze Q" ist nämlich halb tot.
Ausgedacht hat sich die Figur Spiele-Entwickler Philipp Stollenmayer aus Riedstadt (Groß-Gerau). Sie ist angelehnt an "Schrödingers Katze" und hat eine große Aufgabe. Sie soll Kinder, insbesondere Mädchen, zwischen zehn und 14 Jahren für Quantenphysik begeistern. Die Jury des Deutschen Computerspielpreises hat der App-Designer schon überzeugt - "Katze Q" ist als bestes Familienspiel 2022 nominiert.
Schrödingers Katze
Im Gedankenexperiment von Nobelpreisträger Erwin Schrödinger geht es um eine in einer blickdichten Kiste eingesperrte Katze. Darin sind außerdem ein radioaktiver Stoff und ein Fläschchen mit Gift. Zerfällt das radioaktive Material, wird das Gift freigesetzt. Die Katze würde sterben. Schrödinger fragt: In welchem Zustand ist die Katze, solange niemand die Kiste öffnet? Die Antwort: Sie ist gleichzeitig lebendig und tot. Denn erst, wenn die Kiste geöffnet wird, kann man sichergehen, dass der eine oder andere Fall eingetreten ist. In der Quantenphysik spricht man vom Überlagerungszustand.
Ende der weiteren InformationenPhysik-Unterricht in Form eines Escape Games
Wer beim Wort "Physik" gedanklich bereits ausgestiegen ist, kann beruhigt sein: Das Spiel ist kein trockener oder komplizierter Unterricht, sondern ein buntes Escape Game. Ziel des Spiels ist es, 20 Rätsel zu lösen.

Die haben auf den ersten Blick nichts mit Quantenphysik zu tun. Ihre Lösung basiert aber auf wissenschaftlichen Fakten. "Die Rätsel sollen ein bisschen Appetit machen", erklärt Philipp Stollenmayer. Wer erfahren möchte, was dahinter steckt, kann innerhalb des Spiels Erklärungen und Hintergrundwissen abrufen.
Gezwungen wird dazu aber niemand. Denn während es in anderen Serious Games - also Spielen, die nicht nur der Unterhaltung dienen - darum ginge, "mit aller Gewalt Wissen reinzudrücken", will Stollenmayer in erster Linie möglichst viele Spielerinnen und Spieler erreichen. "Wenn die am Ende nur verschiedene Begriffe mitnehmen, dann ist das total wertvoll", meint er. "Wenn sie zum Beispiel 'Schrödingers Katze' hören und denken: Das war doch die, die halb tot und halb lebendig ist."
Spielidee gemeinsam mit Forscherteam entwickelt
Die Idee zum Spiel entstand gemeinsam mit einem Zusammenschluss von Forscherinnen und Forschern aus dem Bereich der Quantenphysik, dem Exzellenzcluster ct.qmat der Universitäten Würzburg und Dresden. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Als er gefragt wurde, ob er ein Physik-Spiel für junge Mädchen entwickeln könne, wollte er die Spielentwicklung zuerst gar nicht zusagen, erzählt Stollenmayer.
Das lag aber weniger am Thema als an den Umständen: Normalerweise arbeite er als selbstständiger Entwickler alleine und an seinen eigenen Ideen - "weil sich über Spiele schlecht reden lässt", wie er sagt. Dabei gehe es vielmehr um ästhetisches Empfinden und subjektiven Spaß. Letztlich habe ihn das Thema aber überzeugt und er habe seiner ersten Auftrags- und Teamarbeit zugestimmt.
Die Nominierung für den Deutschen Computerspielpreis freue ihn deshalb ganz besonders. Zwar hat Stollenmayer bereits einige Preise für seine Apps erhalten, auch beim Computerspielpreis konnte er 2019 schon einmal gewinnen. Damals sei die Situation aber eine andere gewesen. Nicht als alleiniger Entwickler, sondern in einer Gemeinschaft ausgezeichnet zu werden, sei für ihn eine andere Würdigung, "als wenn man selbst in seinem Kämmerchen hockt und am Ende irgendwas herauskommt."
Fehlende Physik-Kenntnisse von Vorteil
Dass der 30-Jährige selbst kein Physik-Experte ist, war für ihn kein Hindernis, sondern vielmehr ein Vorteil. "Es war eine ganz gute Voraussetzung, um mich ein bisschen reinzufühlen in Leute, die genauso wie ich nichts von Quantenphysik verstehen", meint er.
Vor der Entwicklung hatten die Forscherinnen und Forscher ihm in einem Workshop verschiedene Themenbereiche der Quantenphysik erklärt. "Das haben sie mit so viel Leidenschaft, Wissen und Interesse gemacht, dass es mich total geflasht hat", erinnert er sich. "Genau diese Art von Präsentation wollte ich auch im Spiel machen."
"Katze Q" bei Kindern und Eltern beliebt
Das Konzept scheint anzukommen: Seit dem Release im Oktober vergangenen Jahres wurde das Spiel schon 91.000 Mal in den App-Stores von Google und Apple heruntergeladen. Er erhalte überdurchschnittlich viel positives Feedback, etwa über Mails, sagt Stollenmayer.

Es seien viele Zuschriften von Eltern dabei, erklärt der Entwickler. "Es ist tatsächlich so, dass Katze Q viel als Familie gespielt wird, dass zum Beispiel Mutter und Tochter zusammensitzen." Die Mutter sei dann häufig dafür zuständig, dass die Einträge über die echte Quantenphysik gelesen werden, die Tochter löse die Rätsel. Dabei seien Kinder einfach schneller als ihre Eltern.
Unter den Spielenden seien aber nicht nur junge Mädchen, sondern auch Jungs - und Zielgruppen, die der Entwickler überhaupt nicht erwartet hat, ältere japanische Männer etwa.
Viel positives Feedback - Ziel erreicht?
Ein Indiz dafür, dass das Spiel "Katze Q" tatsächlich Kinder für Physik begeistert? Das sei schwer nachzuvollziehen, sagt Stollenmayer und werde sich wohl erst in einigen Jahren zeigen - "wenn die Studierenden sich in Physik-Studiengängen einschreiben".
Der App-Designer formuliert noch eine ganz eigene - nicht ganz ernst gemeinte - Zielsetzung: "Wenn es in einer Physik-Nobelpreis-Rede heißt: 'Und angefangen hat es mit so einem Spiel, in dem es um eine halb tote Katze ging, damals noch auf dem iPad' - dann habe ich mein Ziel erreicht."
Der Deutsche Computerspielpreis...
... ist der wichtigste Preis für die deutsche Games-Branche. Er wird seit 2009 verliehen. In diesem Jahr findet die Vergabe am 31. März in 16 Kategorien statt. Der vom Branchenverband game - Verband der deutschen Games-Branche - gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) getragene Preis ist mit insgesamt 800.000 Euro dotiert.
Prämiert werden innovative, "kulturell und pädagogisch wertvolle" Spiele, die mindestens zu 80 Prozent in Deutschland entwickelt oder hergestellt wurden. Hessische Nominierte sind neben Stollenmayer auch das Spiel "Endzone - A World Apart" von Gentlymad Studios/Assemble Entertainment aus Wiesbaden sowie das Spiel "Hunt: Showdown" des Frankfurter Studios Crytek.