Ausstellungsansicht "White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer."

Die Stoßzähne von Elefanten sind seit Jahrhunderten ein begehrter Stoff für das Kunsthandwerk. Bekanntermaßen werden dafür aber Tiere gezielt getötet. Nun zeigt das Liebieghaus in Frankfurt eine große Elfenbein-Ausstellung. Überwiegt hier die Kunst die Moral?

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Darf man Elfenbein ausstellen?

Ausstellungsansicht "White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer."
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Dunkler Teppich, schwarze Säulen: Die Ausstellungsräume im Untergeschoss des Frankfurter Liebieghauses sind komplett in Schwarz getaucht. Da springen sie einem direkt ins Auge, die 200 perfekt ausgeleuchteten Elfenbein-Skulpturen. Der Titel der Ausstellung ist Programm: "Splendid white", glänzend weiß.

"Sowas muss man zeigen", findet Maraike Bückling, die Kuratorin der Ausstellung. Unter den Exponaten seien Meisterwerke, die von großen Bildhauern hergestellt worden seien. Tatsächlich sind ganz besondere Raritäten unter den Barock- und Rokoko-Skulpturen: Die "Furie auf sprengendem Pferd" von 1610 zum Beispiel. Sie gilt als das Hauptwerk eines anonymen, "Furienmeister" genannten Künstlers. Oder das Porträtmedaillon eines Papstes, ein Geschenk an einen Fürsten, der den Glauben gewechselt hatte.

Auch die Elfenbein-Sammlung selbst ist etwas Besonderes: Sie wurde dem Liebieghaus vom 2020 verstorbenen Sammler Reiner Winkler hinterlassen und gilt als weltweit größte Privatsammlung mit diesem Schwerpunkt.

Liebieghaus will Elfenbeinhandel kritisch einordnen

Ausstellungsansicht "White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer."

Trotzdem ist Kuratorin Bückling durchaus bewusst, dass der Stoff, aus dem diese kunstvollen Schnitzereien sind, besonders Tier-und Artenschützern ein Dorn im Auge ist. Elefanten wurden und werden dafür systematisch getötet. "Elfenbein ist natürlich heute ein problematischer Stoff", gibt sie zu.

Die ausgestellten Werke seien aber 300 oder 400 Jahre alt. Damals habe man Elefanten "noch Mann gegen Tier gejagt" und nicht wie heute vom Helikopter aus; die Populationen seien noch nicht bedroht gewesen. So etwas dürfe man ausstellen, sagt Bückling, man müsse es vielleicht sogar tun, um die Besucherinnen und Besucher darauf aufmerksam zu machen.

Tatsächlich thematisiert die Ausstellung die Herkunft des Elfenbeins auf großen Texttafeln an der Wand. Sie zeigen den Weg der Stoßzähne von Indien und Afrika bis nach Europa auf. Auch im Katalog zur Ausstellung gehe ein Text explizit darauf ein, wie kritisch der Elfenbeinhandel sei, so Bückling.

Neues Gesetz stellt hohe Hürden an Verkauf

Aber reicht das? Darf Elfenbein so ausgestellt werden? Ja, findet Arnulf Köhncke, Artenschutzexperte der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). Der WWF sei nicht dagegen, solche Ausstellungen zu machen. Voraussetzung sei aber, dass dabei informiert werde, was Elfenbeinkonsum heute anrichte - und dass auch für jedes noch so schöne antike Stück ein Elefant getötet worden sei, egal ob das Elfenbein legal oder illegal gehandelt wurde.

Genau diese Unterscheidung wird seit Anfang des Jahres auch gesetzlich gemacht. "Gutes", also legal gehandeltes Elfenbein braucht einen Herkunftsnachweis. Seit dem 19. Januar gilt: Verarbeitetes Elfenbein darf nur noch gehandelt werden, wenn die Objekte älter als von 1947 sind und ein entsprechendes Zertifikat besitzen. Für Musikinstrumente gilt das Jahr 1975 als Grenze.

Ausstellungsansicht "White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer."

Konkret heißt das: Wer Elfenbein-Schmuck erbt, darf ihn zwar besitzen, aber ohne Bescheinigung über das Herstellungsdatum nicht verkaufen. Das Erbstück müsse erst von einem Sachverständigen begutachtet und das Gutachten bei der Artenschutzbehörde eingereicht werden, erklärt Jürgen Schott, der in Erbach (Odenwald) eine Elfenbeinschnitzerei betreibt. Für Schmuckstücke und andere Kunstgegenstände könnten sich die Kosten dafür auf 200 Euro belaufen, für ein Klavier mit Elfenbeintasten auch mal über 400 Euro, so Schott. Erst danach erhalte man eine Verkaufsgenehmigung.

Nachfrage nach Elfenbein aus Ostasien

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zieht zudem jedes Jahr Tonnen von illegal gehandeltem Elfenbein ein und vernichtet es. Allein im Juni des vergangenen Jahres waren es 1,4 Tonnen. Ein deutliches Signal, findet Arnulf Köhncke vom WWF, um die Nachfrage nach Elfenbein zu reduzieren.

Die komme vor allem aus Ostasien, dorthin werde immer noch Elfenbein und Elfenbeinkunst in großen Mengen geliefert. Vor allem Elefanten seien dadurch nach wie vor vom Aussterben bedroht, jedes Jahr würden 20.000 Tiere getötet, erklärt Köhncke. In den letzten zehn Jahren seien etwa 100.000 verschwunden, heute gebe es noch rund 400.000 Tiere.

WWF-Experte: Gesetze allein nicht ausreichend

Um die Elefanten Afrikas zu schützen, gehe es vor allen Dingen um den Stopp des illegalen Elfenbeinhandels. Gerade deshalb sei Aufklärung fast noch wichtiger als Gesetze. Es gelte, Gewohnheiten und Denkweisen zu verändern, sagt Köhncke. "Warum kaufen Menschen Elfenbein? Was haben sie für Bedürfnisse?", fragt er. "Und wie kann man diese Bedürfnisse vielleicht erfüllen, ohne dass man was aus Elfenbein kaufen muss?"

Schließlich seien kunstvoll geschnitzte Skulpturen oder Schmuck auch aus anderen Materialien möglich, Palmennuss oder Steinnuss zum Beispiel. Nur wenn das bei jeder Ausstellung oder Kunstauktion immer wieder thematisiert werde, könne ein Umdenken einsetzen und langfristig die Nachfrage nach Elfenbein zurückgehen. Dabei könnte nun auch die Ausstellung im Liebieghaus helfen.

Weitere Informationen

Splendid White im Liebieghaus

Die Ausstellung zeigt 200 Elfenbein-Skulpturen und -Miniaturen aus Barock und Rokoko und ist bis zum 1. Januar 2023 zu sehen. Die Ernst von Siemens Kunststiftung, der Städelsche Museums-Verein und das Städel Museum erwarben 2018 mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder und der Hessischen Kulturstiftung bereits den Großteil der Sammlung Winklers. Nach seinem Tod 2020 vermachte der Mäzen dem Skulpturenmuseum 21 weitere Kunstwerke, die nun erstmals öffentlich zugänglich sind.

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