Kombo mit dem Leiter Sebastian Baden und einer Skulptur in der Schirn

Die Schirn hat mit Sebastian Baden einen neuen Chef. An seiner alten Wirkungsstätte hat er mit einer Schau über Kunst und Terror für Aufsehen gesorgt. Auch in Frankfurt will er sich für politisch engagierte Kunst stark machen. Ein Interview.

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Das ist der neue Schirn-Leiter Sebastian Baden

Der neue Schirn-Direktor Sebastian Baden
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Am Freitag war sein offizieller erster Arbeitstag, der Kunstwissenschaftler Sebastian Baden hat die Leitung der Schirn Kunsthalle in Frankfurt zum 1. Juli übernommen. Baden hat die Nachfolge von Philipp Demandt angetreten, der sich künftig auf die Leitung von Städel und Liebieghaus beschränkt. Baden, Jahrgang 1980, war seit 2016 Kurator an der Kunsthalle Mannheim. Die aktuellen Schauen hat sein Vorgänger noch konzipiert, ab Sommer 2023 starten dann seine Projekte, um die er aktuell jedoch noch ein Geheimnis macht - machen muss.

hessenschau.de: Gerade zeigt die Schirn eine sehr heitere Ausstellung des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone. Wie geht es Ihnen, wenn Sie da durchspazieren?

Baden: Für mich ist die Ausstellung ein großer Genuss. Besonders gefallen hat mir der Raum mit dem Clown auf dem Boden liegend, der sich quasi im Universum sonnt. Ganz hervorragend auch der partizipative Ansatz von Ugo Rondinone, Schülerinnen und Kinder für seine Ausstellung zu begeistern und mitwirken zu lassen, die Bilder vom Mond gemalt haben. Das ist eine Geste, die zu seinem Werk ganz fantastisch passt und die es schafft, auch noch mal eigene, andere Erzählungen zu integrieren.

hessenschau.de: Die erste Schau, die sie kommende Woche als neuer Direktor eröffnen werden, beschäftigt sich mit Bedrohungsgefühl und der Sicherheit im öffentlichen Raum.

Baden: Der holländische Künstler Aernout Mik hat für die Schirn eine neue Videoinstallation geschaffen. Darin bewegen sich Menschen in Uniformen eines Sicherheitsapparates. Die Arbeit zeigt, dass eben auch etwas Menschliches hinter diesem sogenannten Sicherheitsapparat steckt und dass Ohnmacht und Macht auf beiden Seiten zu finden ist. Es geht um die Neuordnung von bestimmten Machtverhältnissen im öffentlichen Raum.

hessenschau.de: An Ihrer bisherigen Wirkungsstätte, der Kunsthalle Mannheim, hatten sie zuletzt auch eine Ausstellung mit deutlich politischen Bezügen. In "Mindbombs - Visuelle Kulturen politischer Gewalt" ging es um Terrorismus, von der RAF über NSU bis hin zum IS.

Baden: Die Ausstellung hat einen Abriss geliefert über die Begriffsgeschichte des Terrorismus. Und zwar Terrorismus als ein Begriff, der politisch instrumentalisiert wird, aus künstlerischer Sicht aber Verwandlungen erfahren hat. Diese historische Perspektive, von der Französischen Revolution, über 9/11 bis in die Gegenwart, haben wir nachvollzogen. Insbesondere auch mit künstlerischen Perspektiven auf die Taten des NSU und auch auf das Gedenken an die Opfer von rechtsextremen Taten. Wir wollten ein Programm entwickeln, das zeigt, dass Kunst immer politisch wachsam ist.

hessenschau.de: Im Frankfurter Kunstverein, gegenüber der Schirn, ist aktuell eine Ausstellung der Gruppe Forensic Architecture zu sehen, die sich mit den rassistischen Morden von Hanau beschäftigt. Haben Sie den Eindruck, dass Kunst in diesen Zeiten politischer wird?

Baden: Ich denke, dass Kunst schon immer politisch war, sowohl als Instrument der Politik als auch als ein künstlerischer Kommentar auf politische Verhältnisse und besonders auch soziale Verhältnisse. In der Gegenwart sehen wir, dass Künstlerinnen und Künstler und Kollektive sehr dokumentarisch arbeiten und damit helfen, Prozesse aufzuklären. Also dort, wo wir als Bürger sowieso schon das Gefühl haben, irgendwas stimmt nicht. Diesen Prozess der Wahrheitsfindung zu betreuen, ist ein ganz spannender Aspekt dieser aktuellen zeitgenössischen Kunst.

hessenschau.de: Sie sind jetzt neuer Direktor der Schirn. Haben Sie denn schon Projekte im Kopf, die Sie in den nächsten Jahren umsetzen möchten?

Baden: Ja, mein Kopf schwirrt vor Ideen für die Zukunft. Am liebsten würde ich das auch schon erzählen. Aber das wäre nicht fair den Kollegen gegenüber. Wir arbeiten aktuell mit dem geplanten Programm bis in den Sommer 2023, wo auch die Ausstellung mit Niki de Saint Phalle gezeigt wird. Vorher kommt die große Marc-Chagall-Präsentation. Klar sind wir an den Planungen für die nächsten Jahre, aber das ist noch ein Geheimnis.

hessenschau.de: Blockbuster-Ausstellungen, das ist die eine Seite dessen, was die Schirn bisher gemacht hat. Auf der anderen Seite gab es in der Schirn immer wieder auch Entdeckungen zu machen.

Baden: Ich glaube, das ist schon ein gutes Erfolgsrezept, mit dem ich weiterarbeiten werde. Diese Balance zwischen Gegenwart und Moderne, vom 20. ins 21. Jahrhundert. Die großen Sonderausstellungen mit den bekannten Namen von Künstlern und Künstlerinnen aus dem 20. Jahrhundert wirken auch auf ein breites Publikum und sind Teil einer Kunst-Geschichtsschreibung.

Was wir machen, ist aber auch eine Neuschreibung der Kunstgeschichte, weshalb es natürlich zu sogenannten Entdeckungen kommt. Das ist die Aufgabe einer Kunsthalle, und das geschieht sowohl rückblickend auf die moderne Kunst als auch in die Gegenwart. Ein ganz spannender Zeitraum ist in Deutschland und international auch immer noch die Nachkriegszeit.

Gerade Künstlerinnen, die im Moment in den Ausstellungen auch prominent gezeigt werden, hatten im 20. Jahrhundert viel weniger Möglichkeiten auszustellen. Da übt die Kunstgeschichte im Moment eine ausgleichende Gerechtigkeit, die ich sehr unterstütze. Als Direktor einer Kunsthalle ist es mir wichtig, nicht nur ein professionelles Zielpublikum zu erreichen, sondern ich möchte, dass viele Menschen sich damit identifizieren, eine Kunsthalle zu besuchen und sagen: "Wow, da habe ich was entdeckt!"

hessenschau.de: Die Schirn ist ein reines Ausstellungsgebäude und hat keine eigene Sammlung. Ist das ein Nachteil oder ein Vorteil für Ihre Arbeit?

Baden: Die Vorteile liegen auf der Hand, dass man sich frei bewegen kann. Es ist eine enorme Flexibilität möglich, indem man zwar auf die Sammlungen von anderen zurückgreift, aber nicht zwingend die Pflege einer eigenen Sammlung berücksichtigen muss mit vorgegebenen Themen. Der Ankauf für Sammlungen hat mir in Mannheim Spaß gemacht. Aber in der Schirn geht es jetzt darum, ein Programm zu entwickeln und das mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen zu gestalten.

Das Gespräch führte Christoph Scheffer.

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