Das Wort Pushback

"Pushback" ist zum neuen Unwort des Jahres gekürt worden. Das Wort beschönige einen menschenverachtenden Prozess und verschweige die damit verbundende Gewalt an Flüchtenden, urteilte die Jury in Marburg.

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Jury wählt "Pushback" als Unwort des Jahres

hs
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Das Unwort des Jahres 2021 steht fest: "Pushback". Die Entscheidung teilte die Jury des Instituts für Germanistische Sprachwissenschaft der Marburger Universität am Mittwoch mit. Der Begriff stammt aus dem Englischen und bedeutet "zurückdrängen" oder "zurückschieben". Im Migrationsdiskurs bezeichnet er die Praxis von Europas Grenztruppen, Flüchtende an der Grenze zurückzuweisen und den Grenzübertritt zu verhindern.

Mit dem Wort werde ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, der Flüchtenden die Möglichkeit nimmt, das Menschen- und Grundrecht auf Asyl wahrzunehmen, so die Meinung der Jury. Menschen auf der Flucht werde somit ein faires Asylverfahren vorenthalten. "Mit dem Gebrauch des Ausdrucks werden zudem die Gewalt und Folgen wie Tod, die mit dem Akt des Zurückdrängens von Migrant:innen verbunden sein können, verschwiegen", hieß es.

"Sprachpolizei" und Vergleiche mit dem Nationalsozialismus

Der Begriff sei von zahlreichen Politikerinnen und Politikern, Organisationen und Journalistinnen und Journalisten gebraucht worden. Die Jury kritisierte in diesem Rahmen die unreflektierte Nutzung des Wortes in den Medien.

Auf dem zweiten Platz der Unwörter des Jahres landete der Begriff "Sprachpolizei". Damit würden Personen diffamiert, die sich für einen angemessenen und gerechteren Sprachgebrauch einsetzen, so die Jury. Der dritte Platz der Unwörter ging an eine Vielzahl von Ausdrücken, die Vergleiche mit dem Nationalsozialismus schaffen. Beispiele dafür sind "Impfnazi" oder "Ermächtigungsgesetz" anstelle von Infektionsschutzgesetz.

Unter den eingereichten Wörtern hätte es zahlreiche Begriffe gegeben, die von Impfgegnern verwendet werden und "völlig unzulässig eine Ähnlichkeit zwischen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie und der nationalsozialistischen Diktatur nahe legen", teilte die Jury mit.

1.300 Einsendungen, 45 geeignete Begriffe

Die sprachkritische Aktion möchte mit ihrem alljährlichen "Unwort" auf unangemessenen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so sensibilisieren. Das Unwort wird seit 1991 gekürt.

Diesmal seien rund 1.300 Einsendungen mit Wortvorschlägen eingegangen, 45 von ihnen hätten den Kriterien entsprochen, berichtete Jury-Sprecherin Constanze Spieß. Die "Unwörter" der Vorjahre waren in Darmstadt präsentiert worden. Mit einem Wechsel bei der Jury zog die Bekanntgabe nun an die Uni Marburg um.

Die Unwörter der vergangenen zehn Jahre

  • 2020 - "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften": Damit wurden zum ersten Mal zwei Unwörter des Jahres gekürt. Der Begriff der "Corona-Diktatur" sei seit Beginn des öffentlichen Diskurses in der Pandemie von rechten Propagandisten gebraucht worden, um regierungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung zu diskreditieren. "Rückführungspatenschaften" sei ein Begriff der EU-Kommission, mit dem neue Mechanismen der Migrationspolitik bezeichnet wurden. Das Wort sei zynisch und beschönigend.
  • 2019 – "Klimahysterie": Mit dem Wort werden nach Auffassung der Jury Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert.
  • 2018 – "Anti-Abschiebe-Industrie": Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, hatte den Begriff geprägt. Der Begriff verhöhnt aus Sicht der Jury geltendes Recht. Er zeige auch, wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben habe.
  • 2017 – "Alternative Fakten": Mit dem Begriff sollen aus Sicht der Jury Falschbehauptungen politisch salonfähig gemacht werden.
  • 2016 – "Volksverräter": Das Wort sei ein "Erbe von Diktaturen" unter anderem der Nationalsozialisten.
  • 2015 – "Gutmensch": Der Vorwurf diffamiere Hilfsbereitschaft und Toleranz pauschal als naiv und dumm, begründet die "Unwort"-Jury.
  • 2014 – "Lügenpresse": Diese pauschale Verurteilung "verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit", so die Jury.
  • 2013 – "Sozialtourismus": Der Ausdruck diskriminiert laut Jury Menschen, "die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu".
  • 2012 – "Opfer-Abo": Die "Unwort"-Jury kritisiert, der Begriff stelle Frauen pauschal unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterin zu sein. Wetter-Unternehmer Jörg Kachelmann hatte die Wortschöpfung, die seine Frau Miriam erfunden habe, unter anderem in einem Spiegel-Interview verwendet. Darin ergänzte er: "Frauen sind immer Opfer, selbst wenn sie Täterinnen wurden."
  • 2011 – "Döner-Morde": Dieser Begriff ist für die Mordserie der rechtsextremistischen NSU-Terroristen verwendet worden. Mit der "sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung" würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt, erklärt die Jury.
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