Ausgrabung in Rodenbach Trotz Verwüstungen von Schatzsuchern: Archäologen entdecken 6.000 Jahre alte Siedlung
In Rodenbach haben illegale Schatzsucher eine Ausgrabungsstätte ausgeraubt. Dabei gingen entscheidende Erkenntnisse unwiederbringlich verloren. Doch die Wissenschaftler gaben nicht auf - und machten eine große Entdeckung.
Dieser Raub sorgte vor gut zehn Monaten für Schlagzeilen: Dreiste Schatzsucher plünderten in Rodenbacher Ortsteil Niederrodenbach (Main-Kinzig) eine archäologische Grabungsstätte.
Das Neubaugebiet war eigentlich für wissenschaftliche Untersuchungen präpariert worden. Doch noch bevor die Experten tätig werden konnten, kamen ihnen Raubgräber zuvor: Sie durchpflügten das ganze Gelände und nahmen offenbar alles mit, was ihnen ihre Metalldetektoren anzeigten.
Unschätzbarer Schaden
Die offiziell bestellten Archäologen um Elisabeth Faulstich-Schilling hatten das Nachsehen: "Wir haben nichts mehr gefunden - was uns sehr traurig stimmt", sagt sie. "Wir können gar nicht beziffern oder uns irgendwie vorstellen, was uns da geraubt wurde."
Die selbständige Archäologin untersucht mit ihrem Team die 27 Hektar Baugebiet in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege, denn das ist bei der Erschließung von Baugebieten vorgeschrieben.
Funde werden aus dem Kontext gerissen
Artefakte, also menschengemachte Gegenstände aus Metall, hätten viel aussagen können über die jahrtausendealte Lebensweise, Weltsicht und Kultur der Menschen, die hier siedelten - und über die genaue Zeit, in der sie lebten. Die Tonscherben, die die Archäologen stattdessen gefunden haben, reichen dazu nicht aus.
Das macht auch der jungen Archäologin Jessica Schmauderer zu schaffen. Die 28-Jährige arbeitet für das Grabungsunternehmen von Faulstich: "Das ist natürlich das Schlimmste, wenn Funde aus dem Kontext herausgerissen und am Ende womöglich auf dem Schwarzmarkt verkauft werden."
Der große Fund – Räubern zum Trotz
Trotz der großen Enttäuschung arbeitet das Team weiter – und wird schließlich für seine Beharrlichkeit belohnt: Ein großer Teil der über 20 Hektar großen Neubaufläche erweist sich als prähistorisches Siedlungsgebiet.
Aus der Vogelperspektive sind auf dem Gelände dunkle Flecken erkennbar. Das geübte Auge des Archäologen erkennt darin die Reste von Gruben. Angelegt von Menschen, die hier vor tausenden von Jahren gelebt haben. Rund 500 dieser Vorrats- oder Hausgruben hat das Team jetzt schon gefunden.
Die dürften zu mindestens drei Siedlungen aus verschiedenen Zeiten gehören, resümiert Archäologin Schmauderer. Aber aus welchen Zeiten? Wie datiert man Erdgruben ohne aussagekräftige Funde?
6.000 Jahre alte Siedlung
Ein winzig kleiner, fast schwarzer Klumpen verbirgt die Antwort. "Das sind Rest-Partikel ehemaliger Holzkohle", erklärt Elisabeth Faulstich-Schilling. Die Kohle selbst sei längst vergangen. Trotzdem reichten die Partikel für eine sogenannte C14-Datierung. Diese Kohlenstoffanalalyse kann Auskunft über das Alter der Siedlungsreste geben.
Tatsächlich gelangen die Forscher auf diesem Weg zu der Erkenntnis: Die älteste der Siedlungen ist etwa 6.000 Jahre alt. Sie zählt zur jüngeren Steinzeit. Eine weitere C14-Datierung ergibt ein Alter von 3.800 Jahren - die mittlere Bronzezeit. Aus dieser Epoche gibt es nicht viele Siedlungsfunde in Hessen, wie das Archäologenteam stolz feststellt.
Ihre Arbeit hat sich also trotz des Rückschlags gelohnt. Von den Raubgräbern, die die Grabung so empfindlich gestört haben, und ihrer Beute fehlt jedoch bis heute jede Spur.
Sendung: hr1, 24.10.2022, 14.45 Uhr
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