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Ausstellung "Potz! Blitz" im Museum für Kommunikation Frankfurt

An einer rosa gestrichenen Wand hängt eine Frau weiße und orangefarbene Post-it-Zettel auf. Auf dem vordersten steht: "Riwwelkuche = Pickelgesicht, eigentlich Streuselkuchen".

Alle tun es - auch wenn es sich angeblich nicht gehört: Seit Anbeginn der Menschheit wird geflucht und geschimpft. Eine Ausstellung im Frankfurter Museum für Kommunikation geht nun der Lust am Tabu-Bruch und den Grenzen des Sagbaren nach.

Ein "Scheiße" und der Schmerz lässt nach. Wer sich schon mal ungünstig den Ellbogen angehauen hat, weiß: Ein leidenschaftlich artikulierter Kraftausdruck wirkt zuweilen Wunder. Das ist sogar wissenschaftlich belegt.

"Fluchen und Schimpfen kann Schmerzen lindern", sagt Anna Lorenzen, Neurobiologin und Wissenschaftsjournalistin. In Studien habe man Probanden die Hände in eiskaltes Wasser halten lassen - auf Dauer eine schmerzhafte Prozedur. "Diejenigen, die dabei Schimpfwörter ausgestoßen haben, konnten das länger durchhalten." Eine Stänkerei ist also nicht zwangsläufig verwerflich.

Fluchen hat eine lange Geschichte

Das Museum für Kommunikation in Frankfurt widmet dem Fluchen jetzt sogar eine ganze Ausstellung: "Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech". Sie umfasst 6.000 Jahre Geschichte des Schimpfens: vom Mythos um die unheilbringende Grabstätte Tutanchamuns über einen von Katzenurin denkbar angepissten Schreiber des frühen 15. Jahrhunderts bis hin zum legendären Kopfstoß von Zinédine Zidane gegen Marco Materazzi bei der Fußball-WM 2006, ausgelöst durch eine Beleidigung.

Wer angestauter Garstigkeit freien Lauf lassen möchte, darf im Museum hinter einer Trennwand auf einem Bobby-Car Platz nehmen und vor Dashcam-Mitschnitten als eine Art Synchronsprecher Auffahrunfälle laut fluchend kommentieren. Wer lieber einsteckt als austeilt, kann sich via Screen von Kurator Rolf-Bernhard Essig höchstpersönlich beschimpfen lassen.

Der Kurator beschimpft sein Publikum, Ausstellungsansicht im Museum für Kommunikation

Kraftausdrücke als "schillerndes Phänomen"

Was wirklich als schlimm empfunden werde, sei extrem unterschiedlich, sagt Essig. "Im zwischenmenschlichen Bereich entscheidet die Herzensklugheit darüber, mit Menschen so umzugehen, dass sie sich wohlfühlen." In einem öffentlichen Bereich jedoch gebe es kein Recht darauf, von den Hässlichkeiten der Welt unbelästigt zu bleiben. Fluchen könne man nicht verbieten.

Zwar sei es immer wieder versucht worden, etwa von Religionen oder von Erziehungsberechtigten. Zu unterbinden sei das Geschimpfe aber nicht; es gehöre zur menschlichen Kommunikation dazu. Essig schlägt vor, es als "schillerndes Phänomen" zu betrachten.

Von der Decke hängt ein Mobile mit Tierbildern. Darunter stehen Museumsbesucher.

Besonders gut geht das im Museum für Kommunikation unter einem Tier-Mobile. Den faulen Esel, die blöde Kuh - die kennt man hierzulande. Aber ein überfahrenes Opossum? "Sagt man in China", so der Kurator. Sein Lieblingsanhänger ist ein Hund ohne Hintern: der Halbdackel. "Halbdackel ist im Schwäbischen komischerweise die Steigerung von Dackel", erklärt Essig. "Wenn jemand ein Dackel ist, dann ist der nicht besonders geschickt und eher ein bisschen dümmlich. Aber ein Halbdackel ist ein echter Blödmann!"

Ausstellung will bewussteres Schimpfen vermitteln

Das Besondere an Schimpfwörtern sei, dass sie starke, direkte Effekte aufs Gehirn haben, erklärt Wissenschaftlerin Lorenzen. Geflucht werde aus ganz unterschiedlichen Gründen. Eins aber sei immer gleich: "Wer ein Schimpfwort hört, wird aufmerksam und die Alarmbereitschaft steigt - das passiert ganz automatisch." Deswegen könne man sich zum Beispiel an Schimpfwörter besser erinnern als an andere Wörter.

Kurator Essig glaubt ans kreative Potenzial des Fluchens. Seine Ausstellung spiegelt das wider. Beim Wortkarten-Spiel "Fluch-Generator" werden Versatzstücke moderner Flüche und Kraftausdrücke der Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Hans Sachs zu kuriosen Schimpf-Neuschöpfungen kombiniert: "gewissenspissender, darmgichtiger Vollzapf" oder "gallenschwarzer, mistfauler Netz-Rambo".

Auf wirklich üble Beleidigungen hat Kurator Essig bei seiner Ausstellung verzichtet. Ihm gehe es nicht um Provokation, sagt er. Die Ausstellung "Potz! Blitz!" soll stattdessen zum Staunen und Nachdenken anregen. Vielleicht könnten wir bewusster schimpfen und fluchen, überlegt Essig. "Oder es doch auch mal ganz sein lassen."

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Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech

Die Ausstellung ist bis zum 29. Januar im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen.

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