Gerüst ohne Banner

Die heftig umstrittene großflächige Banner-Installation auf der documenta in Kassel ist seit Dienstagabend nicht mehr zu sehen. Zuvor hatten mehrere Kulturpolitiker des Bundes und des Landes die Verhüllung des Kunstwerks als nicht ausreichend kritisiert.

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Hier wird das umstrittene documenta-Banner abgebaut

Das umstrittene Banner hängt nur noch halb, Menschen stehen auf einem Gerüst und lösen es.
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Das Werk namens "People's Justice" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf der documenta 15 in Kassel hatte für eine Welle der Empörung gesorgt. Am Dienstagabend wurde es abgebaut. Viele sahen in dem Werk antisemitische Motive. Die Installation zeigt unter anderem einen Soldaten mit Schweinsgesicht. Er trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift "Mossad" - die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes.

"Ich bin wütend, enttäuscht und verletzt", sagte Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). "Als Oberbürgermeister und als Stadt fühlen wir uns durch die antisemitischen Motive beschämt." Für Kassel und die documenta sei ein immenser Schaden entstanden.

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Umstrittenes documenta-Banner wird abgebaut

hs
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Die künstlerische Leitung sei ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, dafür zu sorgen, dass Antisemitismus, Rassismus sowie jede Art von Diskriminierung auf der Weltkunstausstellung keinen Raum habe, kritisierte Geselle. Deswegen habe der Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender er ist, einstimmig beschlossen, der Haltung der Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, zu folgen und das Kunstwerk entfernen zu lassen.

Generaldirektorin entschuldigt sich

Schormann sagte am Dienstag, im Vorfeld der documenta habe sie gemeinsam mit dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa sowie den Künstlerinnen und Künstlern versprochen, dass es in Kassel keine antisemitischen Inhalte zu sehen geben werde. "Dieses Versprechen haben wir leider nicht gehalten", so die Generaldirektorin.

Als die Symbole auf dem Banner entdeckt worden seien, habe sie das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht, denen es "unendlich leid" tue, dass sie "Gefühle verletzt und Grenzen überschritten" hätten, wie Schormann sagte. Der Aufsichtsrat der documenta habe sie nun darin bestärkt, das Bild ganz abzuhängen. "Antisemitische Kunstwerke dürfen auf einer Weltkunstschau kein Podium haben, bei allem Verständnis für Belange des globalen Südens", so Schormann wörtlich.

Kunstwerk zunächst nur abgedeckt

Die Verantwortlichen der documenta hatten zunächst entschieden, das Werk mit schwarzen Stoffbahnen zu verhängen - erst drei Tage, nachdem es installiert worden war. Kulturpolitiker des Bundes und des Landes Hessen hatten das als nicht ausreichend kritisiert.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) etwa hatte am Dienstag in Berlin erklärt: "Es ist überfällig, dass dieses Wandbild, das eindeutig antisemitische Bildelemente aufweist, jetzt von der documenta entfernt wird. Die bloße Verhüllung und die Erklärung des Künstlerkollektivs Taring Padi dazu waren absolut inakzeptabel."

"Weitere Werke in den Blick nehmen"

Ähnlich hatte sich Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) geäußert: "Antisemitische Inhalte dürfen nicht gezeigt und nicht reproduziert werden." Der bereits entstandene Schaden sei nicht zu relativieren. "Wir müssen aufarbeiten, wie es bei der documenta geschehen konnte, dass eine solche Bildsprache öffentlich gezeigt wurde", erklärte Dorn. Auch die weiteren Werke des Künstlerkollektivs Taring Padi müssten "genauer in den Blick genommen werden".

Dorn kritisierte ausdrücklich eine Passage der auf der documenta-Homepage veröffentlichten Erklärung der Künstlergruppe Taring Padi. Diese hatte ihr nun verdecktes Werk als "Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment" bezeichnet. "Von dieser Erklärung distanziere ich mich", so Dorn. "Das Kunstwerk enthält antisemitische Chiffren, von denen Jüdinnen und Juden sich zurecht verletzt fühlen. Auf der Basis von Beleidigungen und Verletzungen ist selbstverständlich kein Dialog möglich", betonte die hessische Ministerin.

Keine Frage verletzter Gefühle Einzelner

Claudia Roth sagte weiter, Antisemitismus sei keine Frage verletzter Gefühle Einzelner. Eine eindeutig antisemitische Bildsprache lasse sich nicht durch einen anderen Kontext erklären oder relativieren. Die Entfernung des Werkes sei nur ein erster Schritt. "Es muss aufgeklärt werden, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass dieses Wandbild mit antisemitischen Bildelementen dort installiert wurde", betonte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. "Außerdem fordere ich die documenta-Verantwortlichen wie die Kuratoren dazu auf, jetzt unverzüglich zu überprüfen und sicherzustellen, dass bei der documenta nicht weitere eindeutig antisemitische Bildelemente gezeigt werden", so Roth.

Der Schutz der Menschenwürde, der Schutz vor Antisemitismus, vor Rassismus und jeder Form der Menschenfeindlichkeit seien "die Grundlagen unseres Zusammenlebens". Diese Grundlagen bildeten "auch für das hohe Gut der Kunstfreiheit eine klare und unverrückbare Grenze". Vertreter des Judentums hatten das fragliche Werk als eindeutig antisemitisch bezeichnet. Auf der documenta-Homepage selbst war lediglich von einer Figurendarstellung die Rede, "die antisemitische Lesarten bietet".

Geselle: documenta nicht unter Generalverdacht stellen

Kassels Oberbürgermeister Geselle kündigte eine Aufarbeitung an. Er betonte aber, die documenta 15 dürfe nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Sie habe "seit mehr als 60 Jahren eine große Bedeutung für die Stadt, das Land Hessen, Deutschland und den gesellschaftlichen Dialog".

Die aktuelle Debatte laste zwar schwer auf der documenta und der Stadt, könne aber ein "unbedingt erforderlicher Beginn eines offenen Dialogs mit den unterschiedlichen Positionen einer globalen Gesellschaft" sein.

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