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Ideen für mehr Nachhaltigkeit in der Kunst

Felix Große-Lohmann, Gründer von "Material für alle", steht in einem Lagerraum. Hinter ihm sind Holzbalken, Felle, Bilderrahmen und andere Materialien in Regalen zu sehen.

Wie steht es um den CO2-Fußabdruck der Kunstbranche? Und wie kann sie ressourcenschonender arbeiten? Drei hessische Beispiele zeigen, wie die Kunst nachhaltiger werden kann.

Das Ende einer Kunstausstellung ist weniger glamourös als ihre Eröffnung: Gemälde und Skulpturen werden in der Regel abgebaut und verpackt, Leihgaben um die halbe Welt geflogen, Stellwände und Flyer mit Besucherinformationen entsorgt. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft spielten dabei lange Zeit keine große Rolle.

Mittlerweile sind sich Künstlerinnen und Künstler sowie Museen ihrer Verantwortung aber immer öfter bewusst und versuchen, den Kunstbetrieb - vom künstlerisch-kreativen Prozess bis zum Ende einer Ausstellung - ressourcenschonender zu gestalten. hessenschau.de stellt drei Ansätze vor.

Künstler Felix Breidenbach stellt seine Materialien selbst her

Konzeptkünstler X Breidenbach in seinem Atelier

"Ich habe aufgehört, das zu tun, was ich vorher getan habe", sagt Felix Breidenbach, genannt X Breidenbach, und meint damit seine Kunst. Zunächst habe er nur seinen privaten Konsum einschränken wollen, schließlich aber gemerkt, dass er seine Kunst nicht davon trennen könne.

Daraufhin habe er seinen Stil radikal geändert, so der Konzeptkünstler. Verboten habe er sich zum Beispiel die klassische Malerei auf Leinwand, zu hoch seien der Wasser- und Energieverbrauch zur Herstellung von Leinwänden.

Auch die Gewinnung der Pigmente zur Farbherstellung wolle er nicht mehr unterstützen. "Viele Pigmente werden unter mehr als fragwürdigen Umständen gewonnen", begründet Breidenbach. Im Sudan etwa würden Arbeiterinnen unter größtenteils menschenunwürdigen Bedingungen für sehr wenig Geld in Minen arbeiten.

Papierkunst fast ohne Müll

Kunst von X Breidenbach

Stattdessen stellt nun Papier die Grundlage seines Schaffens dar. Aus altem gespendeten Papier schöpft Breidenbach in seinem Offenbacher Atelier neues. Die strukturellen Papierstücke verklebt der Konzeptkünstler zu großflächigen Formaten zusammen. "Ich arbeite mit einem Material, das sich wunderbar recyceln lässt", sagt er. "Das ist eine unglaublich große Spielwiese."

Zum Papierschöpfen nutze er aufgefangenes Dusch- und Kochwasser aus seinem Alltag. Laut eigener Angabe produziert Breidenbach mit seiner Papierkunst fast keinen Müll mehr. Dazu trage auch ein weiterer Vorteil von Papier bei: Es sei leicht zu transportieren und brauche keinerlei Verpackungsmaterial.

Landesmuseum Wiesbaden lässt Klimabilanz berechnen

Das Bild zeigt eine Seitenansicht des Hessischen Landesmuseums für Kunst und Natur in Wiesbaden

Dass der Transport und die Verpackung von Kunstwerken und Exponaten sehr viel CO2 produzieren, musste auch das Hessische Landesmuseum für Kunst und Natur in Wiesbaden feststellen. Im Zuge eines Pilotprojekts des Landes Hessen ließ es vor im vergangenen Jahr seinen ökologischen Fußabdruck von einer externen Firma ermitteln.

Man sei für ein Museum ungewöhnlich detailliert in die Tiefe gegangen, sagt Direktor Andreas Henning. Beispielsweise seien die Transportkilometer der Leihgaben ausgewertet, das Papier von gedruckten Flyern geprüft und die Arbeitswege der Beschäftigten erfasst worden. Das habe einen monatelangen Mehraufwand für alle Mitarbeitenden dargestellt. "Aber wir fühlen uns der Natur verbunden", so Henning. Schließlich trage man die Natur schon im Titel.

Klimatisierung und Transport als größte CO2-Sünden

Die Klimabilanz des Museums ist online einzusehen. Das Ergebnis: 2019 wurden 588 Tonnen CO2 produziert, 2020 sogar 735 Tonnen CO2. Ein Posten fällt in der Auswertung besonders auf: die Klimatisierung. Sie macht fast die Hälfte des CO2-Fußabdrucks aus. "Das Museum braucht ein stabiles Klima für unsere Werke, um sie die für die nachfolgenden Generationen überliefern zu können", erklärt Direktor Henning. Die Klimaanlage einfach abzudrehen, sei daher nicht möglich. Neue Fenster im Ausstellungsbereich und der Bau einer Photovoltaikanlage sollen aber gegensteuern.  

Überraschend sei für ihn und die Beschäftigten gewesen, welchen Anteil die Transporte der Exponate bei der Bilanzierung ausmachen. Die Leihgaben reisten per Flugzeug oder Lkw nach Wiesbaden und wieder zurück zu den verleihenden Museen aus der ganzen Welt. Um den errechneten CO2-Verbrauch des Museums zu reduzieren, unterstütze das Land Hessen im Zuge des Emissionshandels ein Windenergie-Projekt in Costa Rica. Dem TÜV Nord war das das Prädikat "klimaneutral" wert.

"Material für Alle" vermittelt Werkstoffe weiter

Felix Große-Lohmann, Gründer von "Material für alle", steht in einem Lagerraum. Hinter ihm sind Holzbalken, Felle, Bilderrahmen und andere Materialien in Regalen zu sehen.

Rahmen, Sockel, Styroporplatten - und vier riesige Haufen Kunstfell, die im vergangenen Sommer als Teil des Kunstwerks "Moondog" noch auf der documenta fifteen ausgestellt wurden: Im Lager von Felix Große-Lohmann in Frankfurt-Seckbach lagern allerhand Materialien.

Der Kurator und Künstler möchte Werkstoffen aus dem Kunst- und Kulturbetrieb ein zweites Leben schenken und hat das Projekt "Material für Alle" (MfA) gegründet. "Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, dass Materialien, die im Kulturbetrieb aus der Nutzung fallen, nicht auf dem Müll wandern", sagt er. Dort landeten nämlich die meisten Stoffe nach dem Ende von Ausstellungen.

Vorteil für Museen - und die Umwelt

Dabei seien in diesen fast neuwertigen Materialien Energie und Arbeitskraft gebunden. "Je länger wir sie erhalten und nutzen, desto grüner arbeiten wir." Die Idee zu MfA habe er während seines Studiums gehabt, als er in Museen und Galerien gearbeitet und mit eigenen Augen gesehen habe, wie beim Abbau von Ausstellungen hochwertige Rohstoffe in den Container geworfen wurden. "Und gleichzeitig haben meine Kommilitoninnen und Kommilitonen genau diese Materialien gesucht", so Große-Lohmann.

Sein Projekt komme im Frankfurter Kulturbetrieb gut an. Die Schirn und das Historische Museum in Frankfurt hätten ihm bereits Materialien geliefert, auch das Städel habe schon angefragt. Neben dem Umweltaspekt bietet sich für sie laut Große-Lohmann ein weiterer Vorteil: Sie sparen Kosten für die Entsorgung ein. Anschließend würden die Werkstoffe zum halben Preis weiterverkauft - und so von Neuem in den Kreislauf gegeben.

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