Objekte aus der Ausstellung "Mythos Handwerk"

Welchen Wert hat das Handwerk für unsere Gesellschaft? Dieser Frage geht das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt mit seiner neuen Ausstellung "Mythos Handwerk" nach - und liefert Denkanstöße und Anregungen.

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"Ich möchte mich nicht rechtfertigen, Handwerker zu sein"

Drei Akkuschrauber unterschiedlicher Größe
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Drei Akku-Schrauber derselben Marke thronen auf einem Podest: ein großer, einer in mittlerer Größe und ein handlicher kleiner. Sie sind Teil der Ausstellung "Mythos Handwerk" im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt. An ihrem Beispiel will das Museum die Besucher zum Nachdenken anregen: Ist es nicht egal, mit welchem Schrauber man ein Regal zusammenbaut? Wozu drei Ausführungen desselben Geräts?

"Das sind Marktaufschlüsselungen", löst Grit Weber auf. "Es geht schlicht um Konsumgruppen: Der große Schrauber ist für den Handwerksprofi, es gibt einen im mittleren Preissegment, der kleine ist für den Hobbybastler." Weber ist die Kuratorin der Schau, die ab Freitag (bis zum 11. September 2022) zu sehen ist. Die Ausstellung geht der Frage nach, welche Rolle das Handwerk in unserer Gesellschaft spielte und spielt.

Zu sehen: Möbel, Vasen oder Werkzeuge

Blick in die Ausstellung "Mythos Handwerk": Hämmer an einer Wand, dahinter eine Skulptur

Zu sehen sind rund 350 Objekte: Neben den drei Akku-Schraubern weitere Werkzeuge, Handwerksprodukte wie Schuhe oder Taschen, Porzellanvasen oder Möbel. Es gibt einen Mitmachraum, außerdem Audios und Videos mit Interviews von Handwerkerinnen, Handwerken aus unterschiedlichen Branchen: ein Metzger ist dabei, ein Tischler, eine Schreinerin und eine Schuhmacherin.

Auch ein Hobbybastler, der zu einem so genannten Do-It-Yourself-Influencer wurde, ist vertreten: Es laufen Videos des Musikers und Designers Fynn Kliemann, der private (Bau-) Projekte mit viel Humor dokumentiert.

Hobby-Basteln boomt, Handwerk sucht Nachwuchs

Video in der Ausstellung "Mythos Handwerk"

"Mythos Handwerk" fragt, was gutes Handwerk ausmacht, wann Handwerk zum Luxus wird, oder auch, welche Rolle es im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Eines der spannendsten Themen ist eine auffällige Diskrepanz: Einerseits ist da der so genannte Do-It-Yourself-Boom. Youtube-Videos, in denen Fynn Kliemann selbst eine Mauer baut, oder Reparatur-Kanäle wie der von Stephan Heinrich werden millionenfach geklickt.

Andererseits sucht das Handwerk verzweifelt Nachwuchs: Immer weniger Jugendliche möchten Bäcker, Metzger oder Bauarbeiter werden. Die Ausstellung liefert Anhaltspunkte für diese Diskrepanz.

Do-It-Yourself wirkt cool

Die Schau thematisiert etwa die in einigen Branchen prekäre Arbeitssituation, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, die unsicheren Rentenerwartungen. Auch das (oft widerlegte) Image vieler Handwerksberufe als schmutzig und intellektuell nicht fordernd ist Thema.

Die Do-It-Yourself-Bewegung transportiert dagegen eine gewisse Coolness. Gleichzeitig hat sie oft eine politische Ausrichtung, erklärt Grit Weber: "Es geht um Selbstermächtigung und Konsumkritik, aber natürlich auch um Nachhaltigkeit. All das sind Themen, die unsere Gesellschaft prägen."

Vasen in der Ausstellung "Mythos Handwerk"

Nachhaltigkeit kostet, sagt Weber, große Teile der Gesellschaft können - oder wollen - für gut gemachte Handwerksprodukte aber nicht den Preis zahlen, der angemessen wäre.

Hobbybereich ist eigener Wirtschaftsfaktor

Außerdem ist der Hobbybereich ein eigener Wirtschaftsfaktor geworden - Stichwort Konsumgruppen für Akkuschrauber: "Hersteller und Baumärkte leben nicht nur von professionellen Handwerkern und Handwerkerinnen", sagt Weber. "Sie leben inzwischen vor allem von diesem Hobbybereich." Hier gehe es um billigere, einfacher zu bedienende Geräte.

Und so ist auch die omnipräsente Werbung für Baumärkte Thema der Ausstellung: Es sind auch Videos zu sehen, in denen Blixa Bargeld, Sänger der Einstürzenden Neubauten, Werbung für einen Baumarkt rezitiert.

Blick in die Ausstellung "Mythos Handwerk": Schaufensterpuppe mit einem grünen Kleid

Die Ausstellung liefert keine endgültigen Antworten, hebt aber den Wert des Handwerks hervor, seinen Erfindungsgeist und zeigt einen Bruchteil der vielen Erzeugnisse, die es hervorgebracht hat. "Überall, wo der Mensch ist, ist Handwerk, und wo Handwerk ist, ist der Mensch", fasst Kuratorin Grit Weber zusammen.

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