Zwei Portraits nebeneinander von einer Frau und einem Mann. Beide sind in grünen Outdoorklamotten gekleidet. Sie werden von grün-gelben Naturstrukturen umgeben.

Sieben Menschen müssen sieben Tage auf einer einsamen Insel überleben - das ist das Konzept der YouTube-Serie "7 vs. Wild". Die Streamerin Starlet Nova aus Wiesbaden war dabei - bis sie es nicht mehr aushielt.

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"Wie ein Entertainment-Äffchen" - Starlet Nova über "7 vs. Wild"

Eine junge Frau mit blonden Haaren steht in einer Straße im Gegenlicht. Es ist die Streamerin Starlet Nova. Sie trägt ein grünes, kurzes Kleid und hält eine rote Tasche in den Händen.
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Es ist diese eine Szene, in der es für Starlet Nova kippt. Die gebürtige Wiesbadenerin sitzt an einem steinigen Strand, überall ist Müll angeschwemmt. Seit drei Tagen versucht sie, auf der unbewohnten Insel eine brauchbare, trockene Unterkunft zu bauen. Sie ist verzweifelt und kämpft mit den Tränen. Die 23-Jährige hat bei der zweiten Staffel der YouTube-Serie "7 vs. Wild" teilgenommen, der erfolgreichsten deutschen Serie auf der Streaming-Plattform.

Das Konzept: Sieben Menschen springen vor einer einsamen Insel im Süden Panamas aus einem Helikopter ins Meer und müssen sieben Tage überleben und sich dabei filmen - wie sie nach Nahrung suchen, wie sie versuchen, Feuer zu machen, wie sie verzweifeln. Allein und auf sich gestellt.

Unerwartete Reaktionen

Sieben Tage Einsamkeit - zu viel für Nova, die nur ihren bürgerliche Vornamen Antonia verraten möchte. Nach drei Tagen hält sie die Isolation nicht mehr aus, alarmiert an Tag vier den Rettungstrupp und steigt aus. Im Netz geht die Hetzjagd los, man liest Kommentare wie "Heulsuse" oder "Waschlappen" mit einer "großen Klappe".

Nach ihrem Ausstieg im September sei sie stolz auf sich gewesen, obwohl sie die Insel vorzeitig verlassen hatte. Die Reaktionen auf das Video hätten sie dann doch mitgenommen, erinnert sie sich: "Dann die Ausstrahlung zu sehen und ein ganz anderes Feedback zu bekommen, was man eigentlich erwartet hätte - das ist ein bisschen traurig".

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Das ist "7 vs. Wild"

Sieben Kandidatinnen und Kandidaten werden mit maximal sieben Gegenständen für sieben Tage in der Wildnis ausgesetzt und müssen sich alleine durchschlagen. Wer es schafft, gewinnt am Ende 10.000 Euro für eine gemeinnützige Organisation.

Die Kandidatinnen und Kandidaten bekommen tägliche Aufgaben, filmen sich selbst - und sind den Launen der Natur ausgesetzt. Ihr Videomaterial wird zu einzelnen Folgen zusammengeschnitten und bei YouTube hochgeladen.

Produziert wird die Serie von dem Magdeburger Unternehmer Fritz Meinecke. Nach dem Hype um die erste Staffel 2021 in Schweden ist auch der zweite Durchgang auf einer tropischen Insel im Süden Panamas ein voller Erfolg. Die meistgeklickte Folge hat mehr als zwölf Millionen Views auf YouTube und ist damit das erfolgreichste deutsche Video 2022.

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Wie ein "Entertainment-Äffchen" gefühlt

Wie fühlt man sich, wenn man Content für Leute liefert, die gemütlich im Warmen auf dem Sofa sitzen, solche Kommentare schreiben und nicht nachempfinden können, was die Mitwirkenden auf der Insel leisten? "Man war ein bisschen ein Entertainment-Äffchen", sagt Nova.

Die erste Staffel hat sie nur als Zuschauerin und Fan erlebt. Sie habe vor allem Respekt vor dem Wetter, der Luftfeuchtigkeit und wilden Tieren gehabt. Dennoch wollte sie nach vielen Jahren bei den Pfadfindern ihre Grenzen austesten. Womit sie nicht gerechnet hat: dass vor allem die Isolation sie aus der Bahn wirft.

Sich quälen, damit andere unterhalten werden

Dass andere ihr beim Performen zuschauen, ist nicht neu für Nova, sie streamt seit einigen Jahren Videospiele bei Twitch. Doch im Nachhinein habe sie sich wie bei den Hunger-Games aus der Filmreihe "Die Tribute von Panem" gefühlt, erzählt sie, wo man sich für die Unterhaltung der Menschen quäle.

Kommentare wie "Warum verletzt sich denn keiner, das ist total langweilig" hätten ihr gezeigt, dass die Erwartungshaltung bei '7 vs. Wild' unglaublich hoch sei - auch an die beiden Frauen im Teilnehmerfeld.

Schon im Vorfeld hätten die andere weibliche Teilnehmerin Sabrina und sie einen schwierigen Start gehabt und deutlich mehr Hate als die anderen abbekommen, erinnert sich Nova: "Es wurde sich beschwert, dass Frauen dabei sind. Die Survival-Community ist teilweise sehr hart und kritisch. Die stellen Ansprüche, denen niemand gerecht werden kann."

Einsamkeit als Grenzerfahrung

Allein sein sei "eine absolute Grenzerfahrung", sagt Justin Kay. Er ist Erlebnispädagoge, Oudoor-Enthusiast und Chef von Bushcraft Wesertal (Kassel). Nach zwölf Jahren bei der Bundeswehr bietet er mit seinem Team im nordhessischen Reinhardswald interaktive Umweltbildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

Die Serie schaue er mit zusammengebissenen Zähnen, sei Fan und Kritiker zugleich, sagt Kay. Bei seiner Arbeit gehe es ihm vor allem darum, Menschen durch Naturerfahrungen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken. "Natur kann das", sagt er. Doch das komme bei "7 vs. Wild" zu kurz, weil der Fokus nicht auf der Natur, sondern auf den Protagonisten liege.

Bei manchen Situationen frage er sich außerdem, ob diese so real passiert seien, oder ob es doch Drehbuch-Absprachen gebe.

Keine Ablenkung - heilsam oder belastend?

Unabhängig davon: Für die Teilnehmer ist die Woche eine Herausforderung. Sie müssen sich mit sich selbst beschäftigen, ohne Medien und Fremdeinwirkungen, ohne Facebook, Instagram und YouTube. Sie sind auf sich allein gestellt ist und haben keine Ablenkung - ob das heilsam oder zur Belastung werde, hänge vom Mindset ab, erklärt Kay.

Starlet Nova kann das nur bestätigen. Trotz jahrelanger Outdoor-Erfahrung bei den Pfadfindern komme es doch eher drauf an, ob und wann die Psyche breche und wie stark man mental sei.

Couch-Potatoes fühlen sich provoziert

Survival-Experte Kay wundert das nicht, die vielen Hate-Kommentare hätten ihn nicht überrascht. Gerade Männer, die sich so etwas nicht zutrauten, zwei linke Hände hätten und gerne in ihrer Komfortzonen-Bubble blieben, könnten sich von einer "aufgetakelten Tussi beim Survival" provoziert fühlen - vor allem, wenn die das durchhalte, so Kay: "Denn dann habe ich keine Ausrede mehr, warum ich selbst auf dem Sofa sitzen bleibe."

Justin Kay und sein Team von Bushcraft Wesertal

Doch warum wird es Frauen nicht zugetraut, dass sie allein in der Wildnis bestehen können? Es mangele im Survival-Bereich an Vorbildern für junge Mädchen, sagt Nova. Das sei auch eine gesellschaftliche Zuschreibung.

Wenn starke Männer Schwäche zeigen

Kay hat andere Beobachtungen gemacht - bei seinen Kursen melden sich zu 80 Prozent Frauen an. Mütter und Omas, die mit ihren Kindern und Enkeln gemeinsam etwas erleben möchten.

Er hat eine Vermutung, warum das vermeintlich starke Geschlecht kneift: Väter fühlten sich in ihrer Männlichkeit bedroht, weil ein anderer Typ auftrete, der das Überleben sichere. Und plötzlich sei man dann nicht mehr der starke Papa, weil man selbst mit der Situation nicht klarkomme, in der Rolle unsicher sei.

Einladung zum Training im Reinhardswald

"Frauen sind furchtloser und draußen die Macherinnen", so Justin Kay. Er ist sich sicher, wäre Nova vorher bei ihm und den Bushcraftern im Reinhardswald gewesen, hätte sie in der Reality-Spielshow länger durchgehalten.

Und er schließt eine Einladung an Nova an: "Wir würden uns über ihren Besuch bei einem unserer Kurse mit sozialem Background sehr freuen. Besonders für unsere Menschen mit Behinderung oder Suchtproblemen wäre das ein Riesending!"