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documenta-Generaldirektorin Schormann: Weltkunstausstellung ist im Zeitplan

An der Fassade des Fridericianums in Kassel sind drei Motive mit dem Titel "Anti War Drawings, 2022" des documenta-Künstlers Dan Perjovschi angebracht.

In gut zwei Monaten beginnt die documenta in Kassel. Generaldirektorin Schormann verspricht einen "sinnlichen Ausstellungsbesuch". Auch der Ukraine-Krieg wird vermutlich ein wichtiges Thema der Weltkunstausstellung sein.

Weniger einzelne Künstler oder Kunstwerke, sondern Schaffensprozesse, Austausch und Kollektivität stehen im Zentrum der documenta 15, die vom 18. Juni bis 25. September in Kassel läuft. Einer, der diese Weltkunstausstellung deswegen mit ganz besonderer Spannung erwartet, ist Jörg Sperling vom documenta-Forum. "Diese documenta wird anders werden als die anderen", sagt er mit Blick auf die asiatischen Einflüsse.

In Asien habe man eine andere Herangehensweise an Kunst. "Während im Westen noch mehr auf das einzelne Kunstwerk abgestellt wird, steht dort das Prozesshafte stärker im Fokus", sagte der Vorsitzende des Vereins, der die Ausstellungen kritisch begleitet. "Malerei, Plastiken, Aktionen, Performances - es wird sicher von allem etwas geben, aber den jeweiligen Anteil kann ich nicht vermuten."

Besucher als Beteiligte

Das Künstlerkollektiv Ruangrupa, das die künstlerische Leitung innehat, will eine bestimmte Tradition in den Fokus stellen: die indonesische Lumbung-Architektur. Lumbung ist in dem Inselstaat das Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Diese Tradition des Teilens will das aus Indonesien stammende Künstlerkollektiv auf die Weltkunstausstellung in Kassel übertragen.

Die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, kündigt an: Sehr viel Lumbung werde zu sehen sein. Die Besucherinnen und Besucher erwarte eine vielfältige, experimentelle, auf kollektiven Prozessen aufbauende Schau. "Man wird die documenta 15 als einen sinnlichen Ausstellungsbesuch mit - unter anderem - Malerei, Installationen, Filmen oder auch Musik und Performance erleben können."

Ruangrupa und das künstlerische Team wollten die Besucher aber insbesondere ermutigen, sich nicht allein als Betrachtende, sondern auch als Beteiligte zu verstehen, "sich auf Gespräche und Begegnungen einzulassen, gemeinsam zu essen, zu diskutieren und Nongkrong zu betreiben, also Zeit miteinander zu verbringen - sich wie auf einem Fluss treiben zu lassen und an dem einen oder anderen Hafen einen Halt einzulegen", führt Schormann aus.

Besondere Spielorte geplant

Noch sind nicht alle Künstler und Spielorte der Schau bekannt. Schormann kündigt die Veröffentlichung weiterer Namen und Orte für die kommenden Wochen an. Bereits bekannte Stätten sind neben Klassikern wie dem Fridericianum und der documenta-Halle unter anderem die Grimmwelt und das Ruruhaus, das als eine Art Wohnzimmer fungieren soll. Es setzt in der Kasseler Innenstadt bereits farbige und auch erste künstlerische Akzente.

Doch die 15. Ausgabe der documenta, die als weltweit bedeutendste Schau für zeitgenössischen Kunst gilt, soll sich auch über die Kasseler City hinaus erstrecken. Ruangrupa wolle Zentrum und Peripherie miteinander verbinden und mehr als ein Zentrum schaffen, erläutert Schormann. So sind etwa ein ehemaliges Firmengelände und ein Hallenbad im Osten der Stadt erstmals Spielorte. "Eine besondere Rolle spielt dieses Mal auch die Fulda, die das Zentrum mit dem Kassler Osten verbindet", erklärt Schormann.

Mehr als 23.000 Tickets verkauft

Das Konzept scheint die Neugier der Kunstfans zu wecken. Mehr als 23.000 Tickets seien bereits verkauft worden, "und die Zahlen steigen stetig", berichtet Schormann. Ein schönes Zeichen der Solidarität im Sinne von Lumbung sei, dass aktuell über 2.400 Solitickets verkauft worden seien. Mit ihnen bieten die Käufer einer anderen Person die Möglichkeit zum Besuch der documenta.

Im Stadtbild wirft die Schau bereits erste kleine Schatten voraus. Das bereits erwähnte Ruruhaus - in den documenta-Farben Orange, Grün, Violett und Gelb gehalten - verleiht dem Zentrum Farbe. Das eigens für die Ausstellung kreierte Bier von der örtlichen Hütt-Brauerei steht in den Supermarktregalen. Und in jeder Ausgabe des Straßenmagazins Asphalt zeigen beteiligte Künstlerinnen und Künstler Einblicke in ihre Praxis auf dem Weg zur documenta.

Krieg wird Thema sein

Das wohl eindrucksvollste bereits sichtbare Zeichen sind drei Banner der "Anti War Drawings" des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi. Sie wurden kürzlich als Protest gegen den Krieg in der Ukraine am Fridericianum installiert. Neben gezeichneten Panzern ist darauf "Stop War", "Stop Putin" und "Peace" zu lesen. documenta-Experte Sperling hofft, dass auch andere Künstlerinnen und Künstler der Schau auf den Krieg Bezug nehmen.

Schormann zufolge gibt es einige unter ihnen, die aktuelles Geschehen in ihre Arbeiten einfließen lassen. "Einige der Beteiligten teilen Erfahrungen mit Krieg und bewaffneten Konflikten auch aus anderen Regionen weltweit." Im Zuge der Prozesshaftigkeit der documenta werde der Ukraine-Krieg wahrscheinlich direkt oder indirekt auch Eingang in Beiträge anderer Künstlerinnen und Künstler finden.

Experte diskutieren über Antisemitismus

Zu den Anfang des Jahres erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen kündigte Schormann ein Experten-Forum an, bei dem über "das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie" debattiert werden solle. Zu der digitalen Veranstaltungsreihe mit dem Titel "We need to talk! Art - Freedom - Solidarity" soll es zeitnah Informationen geben.

"Die documenta als wichtige Plattform des internationalen kulturellen Austauschs in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft will damit - ihrem Bildungsauftrag gemäß - die Rahmenbedingungen für eine multiperspektivische Debatte jenseits einseitiger Antagonismen schaffen", erklärte sie. Es gehe um nationale und internationale Sichtweisen und die historische Verantwortung Deutschlands.

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