Kaugummi-Automaten

Schandfleck, Kindheitserinnerung, Kunstwerk: Kaugummi-Automaten üben trotz ihres zunehmenden Schattendaseins noch immer eine ganz besondere Faszination aus, wie nun auch eine Kasseler Fotografin festhielt. In der Automaten-Branche verfolgt man derweil ganz andere Projekte.

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Kaugummi-Automaten als Kunstobjekt: Kasseler Foto-Künstlerin erstellt Bildband

Kaugummi-Automaten
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Früher brachten sie schnell Kinderaugen zum Leuchten. Denn mit einer Münze hatte man sich im Handumdrehen etwas Süßes gezogen. Doch mittlerweile vermitteln Kaugummi-Automaten für die Kinder von damals oft nur eine Erinnerung an vergangene und manchmal bessere Zeiten, in denen noch kleine Dinge Freude bereiteten.

Wenn man die Automaten für Süßwaren, Spielzeug und Accessoires heute im Straßenbild entdeckt, machen sie nicht selten einen traurigen Eindruck: beschmiert, beklebt und demoliert - und teilweise von zweifelhafter Hygiene.

Automaten für Kunsthistorikerin faszinierend

Ellen Markgraf findet sie trotzdem faszinierend. "Wenn ich bei dem einen oder anderen Automaten in der Nähe bin, schaue ich mal, wie es ihm geht", erzählt die promovierte Kunsthistorikerin aus Kassel liebevoll. Für sie sind die Kaugummi-Automaten wie Kunstwerke. Sie hat Dutzende fotografiert und nun die Aufnahmen in einem Bildband gebündelt, der Ende Mai veröffentlicht wird.

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Bildband zu Kaugummi-Automaten

Das Buch "Dasein der Kaugummiautomaten in Kassel" erscheint Ende Mai in kleiner Auflage im Lieblings-Verlag (ISBN 978-3-00-072191-5.) Auf über 80 Seiten werden Fotografien der Automaten und des gezogenen Inhalts präsentiert und mit Texten begleitet.

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Für Markgraf ist es nicht ungewöhnlich, solche Objekte im öffentlichen Raum zu fotografieren. Sie hat schon Serien von Briefkästen in Frankreich und Telefonzellen in Ungarn erstellt. "Mich reizen Dinge, die stark dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen sind." Ein Faible hat sie auch für die Kiosk-Kultur mit ihrer bunten Warenwelt - da ist es nicht weit zu Kaugummi-Automaten.

"Jeder kennt eine Geschichte dazu"

Die Automaten böten nicht nur Süßwaren, sondern auch Gesprächsstoff: "Sie sind kommunikationsstiftend. Jeder dürfte einen Zugang zum Thema haben. Jedem dürfte dazu eine Geschichte einfallen", erklärt Markgraf, die neben dem künstlerischen Schaffen ihr Geld als Deutsch-Dozentin an einer Berufsfachschule in Kassel verdient.

In der nordhessischen Großstadt sind die Kaugummi-Automaten noch sehr stark präsent. Wie viele Automaten es genau gibt, weiß die Stadt Kassel nicht. Es handele sich um "erlaubnisfreie Warenautomaten", erklärt ein Sprecher im Rathaus. Nach Angaben des Verbands der Automaten-Fachaufsteller (VAFA) müsse nicht jeder aufgestellte Automat zwangsläufig angemeldet werden. Aufsteller müssten aber ein Gewerbe anmelden, Hygiene-Richtlinien beachten und an ihren Automaten eine korrekte Anschrift anbringen.

Schwarze Schafe lassen Geräte verwahrlosen

Leider, bedauert VAFA-Geschäftsführer Peter Brühl, gebe es unter den Automaten-Aufstellern schwarze Schafe, die ihre Geräte verwahrlosen ließen. "Für so etwas muss man sich in der Branche schämen. Aber einfache Automaten sind nicht teuer und werden schnell mal vergessen."

Kaugummi-Automaten

Laut dem Automaten-Fachverband gibt es rund eine halbe Millionen Automaten für Kaugummis, Spielzeug und Co. in Deutschland. Sie werden von mehr als 1.500 Aufstellern betreut - vom kleinen mittelständischen (Garagen-)Unternehmen bis hin zu großen Firmen, die tausende Automaten bestücken. Pro Jahr generiere ein Automat Einnahmen von 20 bis 100 Euro. Entscheidend sei der Standort, das Erscheinungsbild des Automaten und die Attraktivität des Inhalts.

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Erster Süßwaren-Automat

Automaten für Süßwaren haben eine lange Geschichte in Deutschland. Der Kölner Schokoladenfabrikant Ludwig Stollwerck war der erste, der einen Münzautomaten entwickeln ließ, um von 1887 an Warenproben zu verkaufen. Die den Schokoladentafeln beigefügten Sammelbilder wurden von bekannten Künstlern wie Max Liebermann, Heinrich Vogeler oder Adolf Menzel entworfen.

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"Vielfalt der Automaten wächst"

Doch Automat ist nicht gleich Automat. Längst wurden die Tag und Nacht betriebsbereiten Verkaufsstellen teils zu aufwendigen Maschinen weiterentwickelt. "Die Vielfalt wächst", heißt es hierzu vom anderen großen Branchenverband, der Deutschen Vending-Automatenwirtschaft (BDV), der sich vorrangig um hochwertigere und komplexere Automaten kümmert.

Besonders gefragt seien sie bei Direktvermarktern wie etwa Metzgereien, die ihre Wust- und Fleischwaren so unabhängig von den Ladenöffnungszeiten anbieten können. "Mit dabei ist auch einiges aus dem Kuriositäten-Kabinett. Es gibt in Automaten auch Schuhe, Kaviar und Bohrmaschinen", sagt BDV-Geschäftsführer Aris Kaschefi, der einen großen Wachstumsmarkt in Automaten sieht.

Kaugummi-Automaten

Moderne Automaten haben im Vergleich zu den althergebrachten Vorgängern meist ein durch eine Glasscheibe übersichtlich präsentiertes und einzeln anwählbares Warensortiment. In den klassischen Automaten für Kaugummis und Kleinkram spielt hingegen immer die Überraschung eine Rolle: Was wird's wohl geben? Die Vielfalt der Inhalte ist riesig. Es gibt auch allerhand Accessoires und Scherzartikel. Falsche Zähne, Aufkleber, Sticker oder auch praktische Haargummis.

Ein Troll als Favorit

Ihr Lieblingsstück, das Fotokünstlerin Markgraf gezogen hat, ist ein kleiner Troll mit langen, wuscheligen Haaren. "Aber für viele Menschen ist so etwas Kleines in der großen Konsumwelt von heute unattraktiv", bemerkt die Kunsthistorikerin kritisch.

Kaugummi-Automaten

Bei Kaugummis und anderen Süßwaren hat Markgraf im Übrigen keine Berührungsängste. "Mittlerweile ist alles verpackt. Da habe ich wegen der Hygiene keine Bedenken." Damit sie was ziehen kann, hat sie immer Kleingeld in der Tasche. 10, 20 und 50 Cent sowie Ein-Euro-Münzen schlucken die meisten Automaten.

Die Neugier auf den Inhalt und womöglich auch das leicht morbide, fürs Fotografieren interessante Erscheinungsbild der Automaten motiviert Markgraf auch zu spontanen Stopps. "Bei einem Ausflug in die Rhön habe ich neulich eine Vollbremsung hingelegt, als ich einen Automaten gesehen habe." Die nächsten Objekte für eine Foto-Serie hat sie auch schon ins Visier genommen. Es werden Beichtstühle sein.

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19 Kommentare

  • Ich (Jahrgang 1961) musste immer mit meiner Mutter vom Einkaufen gut vier Kilometer nach Hause laufen. Ich wusste genau wann ich anfangen musste zu jammern, dass ich nicht mehr laufen kann. Dann sagte meine Mutter immer, da vorne kommt ein Kaugummi Automat da bekommst du einen , damit du Kraft für den Rest des Weges hast

  • Reminder of the old days. After school put 10 pence in the maschine and get out a bubblegum. Those were the good old days. Miss those days. Although there are still some maschines around. What is nice to see. Brings back the past.

  • Bei dem Artikel wünsche ich mir meine Kindheit zurück.
    Heute, wenn ich mit meinem Sohn an einem Automaten vorbeigehe, sage ich allerdings nein, weil es super eklig aussieht und mir ein Schauer voller Ekel über den Körper läuft.
    In meiner Kindheit gab es neben den Automaten auch noch die schönen Tante Emma Lädchen, es war einfach ein Erlebnis mit Freunden an den Automaten zu drehen und sich überraschen zu lassen oder bei Tante Helga mit 1 DM ne Tüte voll bunt gemischten Süßigkeiten zu holen. Wo sind bloß diese schönen sorgenfreien Jahre hin? Mit Freunden durchs Dorf laufen, Baumhäuser bauen, verstecken spielen, Rasenmäher kaputt reparieren. Tolle Zeit in den 90er Jahren.

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