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Stadtforst-Leiterin: "Wann der Wald wieder gesund wird, können wir nicht sagen"

Frankfurter Stadtwald: im Vordergrund Bäume, dahinter Hochhäuser in der Innenstadt

Bereits im 14. Jahrhundert kam Frankfurt zu einem eigenen Forst - den Geldsorgen Kaiser Karls IV. sei Dank. Jahrhundertelang mehrte er Wohlstand und Erholung der Bürger. Heute kämpft die Stadt darum, dass ihr Wald den Klimawandel übersteht.

650 Jahre Stadtwald - für Frankfurt auf jeden Fall ein Grund zu feiern, wie Tina Baumann findet. "Das ist sehr selten, dass eine Stadt schon derart lange im Besitz eines Waldes ist", sagt die Leiterin der Abteilung Stadtforst im Frankfurter Gründflächenamt. Am 2. Juni 1372 erwarb die Stadt den Baumbestand in ihrem Süden. An diesem Sonntag lädt sie zu einem Jubiläumsfest ins StadtWaldHaus.

Seit bald zehn Jahren ist Tina Baumann oberste Aufseherin über den Frankfurter Stadtforst - und das bedeutet zunehmend: oberste Kümmerin. "Dem Stadtwald geht es schlecht", sagt sie ohne Umschweife. "96 Prozent der Bäume sind krank - unterschiedlich stark zwar, aber auch schwer beschädigt sind noch 70 Prozent." Die Trockenheit in den vergangenen Jahren infolge des immer stärker spürbaren Klimwandels gefährde viele Bäume fundamental. "Wenn es so weitergeht, werden wir noch viel mehr große Kahlflächen sehen", befürchtet Baumann.

Dass der Klimawandel dem Stadtwald derart zusetzt, hat mit den natürlichen Frankfurter Begebenheiten zu tun, wie Baumann erläutert, aber auch mit der Geschichte. Die erwies sich aus Sicht der Stadt zunächst als Glücksfall.

Historischer Waldkauf: hohe Kosten, großer Nutzen

Karl IV., Kaiser im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation von 1355 bis 1378, hatte häufig finanzielle Probleme. Da ging es ihm wie anderen Regenten. "Könige und Kaiser brauchten immer viel Geld, um Kriege zu führen, Bestechungen zu bezahlen und ihr eigenes Leben zu finanzieren", sagt der Direktor des Historischen Museums Frankfurt, Jan Gerchow.

Um an Geld zu kommen, hatte Karl IV. den Wald südlich von Frankfurt an den Grafen von Hanau verpfändet. Durch den Mittelsmann Siegfried von Marburg zum Paradies, einem reichen Bürger der Stadt, konnte Frankfurt den Wald am 2. Juni 1372 kaufen - für 8.800 Gulden. Das war viel Geld, aber mit dem Kauf wurde das wohlhabende Frankfurt auch unabhängig. Denn an diesem Königswald vor den Toren der Stadt hing das Schultheißenamt. Und damit das Recht, sich selbst zu verwalten und Steuern einzutreiben, wie Gerchow erläutert. Weil Karl IV. das Geld nie zurückzahlte, blieb der Wald fortan im Frankfurter Besitz.

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Für 8.800 Gulden von Kaiser Karl IV. gekauft: der Frankfurter Stadtwald

Urkunde aus dem Jahr 1372 über den Kauf des Frankfurter Stadtwalds von Kaiser Karl IV.
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Gerade im Westen wurzelt der rund 5.000 Hektar große Stadtwald in sandigem Boden, das sichtbarste Zeichen dafür ist die Schwanheimer Düne. Die Bäume auf diesen ohnehin trockenen Flächen haben im Klimawandel erst recht zu kämpfen. Dazu kommt, dass der Wald im Mittelalter vor allem wirtschaftlich genutzt wird.

Seit den 1970er Jahren vermehrt Mischwald aufgeforstet

Hier gibt es Holz zum Heizen und Bauen, Flächen für das Vieh zum Weiden. "Viele Stadtbürger hatten ihre eigenen Tiere, ihre Schweine, die im Wald gemästet wurden. Die Oberschweinstiege und die Unterschweinstiege gehen zurück auf Tiergehege, die schon im 14. Jahrhundert bezeugt sind. Die Eichelmast ist da ganz wichtig", berichtet Gerchow. Immerhin: Um den Wald nicht zu übernutzen, richtete Frankfurt damals gleich eine Försterei ein und begann eine planmäßige Forstwirtschaft. Allerdings wurde der Eichen- und Buchenwald im Lauf der Jahrhunderte auch durch viele schnell wachsende Fichten aufgeforstet, um immer Nachschub zu haben.

Das räche sich jetzt in Zeiten der Trockenheit, wendet Stadtforst-Leiterin Baumann ein. Sie lobt ihre Vorgänger allerdings auch: "Schon seit den 1970er Jahren wird vermehrt Mischwald angelegt. Dieser Wald kann am besten reagieren auf äußere Faktoren."

In Zukunft ein ganz anderer Wald

Was im Mittelalter von Vorteil war, ist heute ein Problem. Vor allem die damals gesetzten Flachwurzler leiden unter trockenen Jahren - allerdings auch die Eichen und Buchen. Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) sagt voraus: "Wir Menschen müssen uns daran gewöhnen, dass wir in Zukunft einen ganz anderen Wald haben werden als jetzt."

Denn die Menschen lieben ihren Stadtwald mit seinen idyllischen Weihern zum Osten in Oberrad hin, seinen rund 450 Kilometern an Wander- und Radwegen und seinen 80 Kilometern an Reitwegen. Der Forst ist heute ein großes Naherholungsgebiet. Das zeigt sich vor allem am Wochenende, wenn sich das Volk unter den zunehmend nicht mehr ganz so grünen Riesen tummelt.

Der Kesselbruchweiher im Frankfurter Stadtwald mit Seerosen, Ente und Bäumen am Ufer

Dass der Stadtwald so stark genutzt wird, ist auch ein Problem. Er ist zerschnitten von Autobahnen, Schnellstraßen, S-Bahntrassen. Der Luftverkehr zum Flughafen ist gerade im schönsten Teil des Waldes am lautesten. Dazu die vielen Radwege und Ausflügler.

Wir brauchen den Wald, der Wald braucht uns

Stadtforst-Leiterin Baumann sagt, es komme darauf an, dass alle möglichst gut mit dem kranken Wald umgingen. Und dass die Stadt weiter versuchsweise Baumarten anpflanze, die mit dem sich veränderndem Klima womöglich besser zurechtkämen. "Ob der Wald wieder gesund wird, können wir nicht sagen", räumt sie ein. Aber was soll man machen? Dem Wald kommt im Klimawandel ja auch als kühlende Frischluftquelle immense Bedeutung zu.

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Jubiläumsfest

Am Sonntag, 29. Mai, feiert die Stadt ihren Wald mit einem Jubiläumsfest zum 650-jährigen Bestehen. Zwischen 12 und 17 Uhr gibt es ein buntes Programm für Erwachsene und Kinder. Darüber hinaus gibt es bis Ende des Jahres zahlreiche weitere Führungen und Vorträge zum Zustand des Waldes und seiner hoffentlich langen Zukunft. Mehr dazu unter stadtwaldhaus-frankfurt.de

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