"Radfahren soll für alle attraktiv werden" ADFC: Hessen müsste in Radwege-Ausbau doppelt so viel Geld stecken
Nicht mehr als eine Vier minus: So schlecht benotet der neue Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) das Radwegenetz in Hessen. Um die Situation zu verbessern, müsse doppelt so viel investiert werden wie bisher.
Die Radwege in Hessen verdienen nach Ansicht des neuen Geschäftsführers des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Sofrony Riedmann, nicht mehr als die Note "Vier minus". Es gebe in Hessen zwar den Willen zur Verbesserung, und das Land sei auch weiter als andere Bundesländer. Trotzdem müsse noch viel passieren, betonte Riedmann.
"Fahrradfahren soll für ganz viele Menschen aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen attraktiv werden", sagte der 36-Jährige am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Davon würde die gesamte Gesellschaft profitieren, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt.
Riedmann: Investitionen in Radverkehr muss verdoppelt werden
Nötig sei ein flächendeckendes, gutes Radwegenetz. Dazu müssten die Investitionen in den Radverkehr deutlich erhöht werden, forderte Riedmann. Statt wie derzeit rechnerisch 10 bis 15 Euro pro Einwohnerin und Einwohner wären 30 Euro nötig.
In vielen Kommunen und auf Landesebene fehle es an Verkehrsplanern für die Bauvorhaben für den Radverkehr. Da auch immer mehr Landkreise nun Radverkehrskonzepte erstellten, beispielsweise der Odenwaldkreis und der Kreis Waldeck-Frankenberg, brauche es ein Plus an Fördermitteln und Planern, sagte der ADFC-Chef: "Die Nachfrage wird absehbar deutlich ansteigen."
Der Fahrrad-Boom der vergangenen Jahre werde sich fortsetzen, auch dank weiterer Entwicklungen der Fahrradindustrie. Dabei handele es sich keinesfalls nur um eine Großstadt-Erscheinung: "Pedelecs zum Beispiel werden ganz stark im ländlichen Raum gekauft und gefahren", sagte Riedmann. "Auch dort gibt es großes Interesse daran, mehr mit dem Fahrrad unterwegs zu sein."
Zusammenarbeit mit Sozialverband VdK angekündigt
Der ADFC-Chef will beim Kampf für eine Verkehrswende stärker auch ungewöhnliche Bündnisse schmieden, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Ein Partner für gemeinsame Kampagnen sei beispielsweise der Sozialverband VdK.
Die Verkehrswende sei nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein soziales Thema. Das autozentrierte Verkehrssystem in Deutschland schließe viele Menschen aus - etwa wenn sie aufgrund von Einschränkungen nicht oder nicht mehr Auto fahren oder sich keines leisten könnten.
Der VdK sei auch beim geplanten Volksbegehren Verkehrswende dabei, zu dem die gesammelten Unterschriften Ende August Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) übergeben werden sollen. Ziel der beteiligten Initiativen und Verbände ist ein Gesetz, mit dem die Mobilität in Hessen bis 2030 klimaneutral und sozial gerecht gestaltet werden soll. Dazu sollen Radwege, Fußwege und vor allem Bus- und Bahnverbindungen stark ausgebaut werden. Die Bevölkerung stehe dem sehr positiv gegenüber, so Riedmann.
Zuletzt starker Mitgliederanstieg beim ADFC
Nach einem starken Anstieg in den vergangenen Jahren hat der ADFC Hessen derzeit fast 20.000 Mitglieder. Verstärkt geworben werden soll laut Riedmann um junge Mitglieder und Frauen, die bisher im aktiven Engagement unterrepräsentiert seien. Um dies zu ändern, sei beispielsweise ein Frauennetzwerk innerhalb des Verbands ins Leben gerufen worden.
Riedmann führt den ADFC Hessen seit 1. Juli als Geschäftsführer. Sein Vorgänger Norbert Sanden geht Mitte August in den Ruhestand.