Der Angeklagte trägt eine Kapuzenjacke, die sein Gesicht verdeckt. Daneben beugt sich sein Anwalt zu ihm herunter, um mit ihm zu sprechen.

Alaa M. soll in Syrien Gegner der Regierung gefoltert und ihnen schwere seelische und körperliche Schäden zugefügt haben. Vor dem Frankfurter Oberlandesgericht gab er zu, in mehreren Militärkrankenhäusern gearbeitet zu haben. Misshandelt habe er die Patienten aber nicht.

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Foltervorwürfe – Prozess um syrischen Arzt

hessenschau vom 25.01.2022
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Der syrische Arzt Alaa M. hat am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt bestritten, in Syrien Regierungsgegner gefoltert zu haben. Zwar räumte der Angeklagte gleich zu Beginn des Verhandlungstags ein, als Assistenzarzt in mehreren syrischen Militärkrankenhäusern gearbeitet zu haben. Er habe dort aber niemanden misshandelt. "Ich habe gar nichts getan", sagte er.

Dem 36-Jährigen werden Mord, Folter in 18 Fällen, schwere und gefährliche Körperverletzung sowie Freiheitsberaubung zur Last gelegt. Unter anderem soll er die Genitalien eines Jugendlichen mit Desinfektionsmittel übergossen und dann angezündet haben. Einen anderen Patienten soll er ohne Narkose operiert haben.

Beides wies Alaa M. von sich: Für die Narkose sei der Anästhesist zuständig gewesen und nicht er als Orthopäde und Unfallchirurg. Verbrannte Genitalien habe er nicht gesehen.

Spuren von Schlägen und Narben

Allerdings sagte Alaa M., er habe im Militärgefängnis der syrischen Stadt Homs beobachtet, wie Häftlinge gefesselt und mit verbundenen Augen misshandelt wurden. Statt mit Namen hätten Mitarbeiter des Geheimdienstes die Patienten im Krankenhaus mit Nummern angeredet. Er finde das "unmenschlich", sagte der Angeklagte, das sei "unangenehm" für die Patienten.

Neben Verletzungen, die sich die Patienten bei den Demonstrationen zugezogen hatten, habe er auch Spuren von Schlägen gesehen, Narben. Manchmal hätten Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes gedrängt: "Dieser Mann ist sehr wichtig. Wir müssen eine Aussage von ihm nehmen."

Auch Ärzte und Pfleger sollen Patienten misshandelt haben

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Alaa M. sagt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt aus

Der Angeklagte trägt eine Kapuzenjacke, die sein Gesicht verdeckt. Daneben beugt sich sein Anwalt zu ihm herunter, um mit ihm zu sprechen.
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Patienten, die als "Terroristen" bezeichnet wurden, seien von Geheimdienstmitarbeitern, aber auch von Ärzten und Pflegekräften geschlagen und getreten worden. Das habe er selbst beobachtet, sagte Alaa M. Er habe aber nicht gesehen, dass die Klinikmitarbeiter dazu gezwungen oder aufgefordert worden seien.

Die Opfer hätten ihm leidgetan, "trotzdem konnte ich überhaupt nichts machen". Aus Angst vor dem Geheimdienst habe er nichts gesagt. Was mit den Patienten geschah, nachdem sie aus der medizinischen Behandlung entlassen wurden, habe er nicht gesehen. Manchmal habe er von Todesfällen durch Herzstillstand oder Lungenembolie gehört. Er räumte auf Nachfrage des Gerichts ein, dass ihn diese Berichte nicht überzeugten.

"Ich war in keiner Partei"

Der Militärgeheimdienst habe in Syrien mehr Macht als Militär oder Polizei, erklärte Alaa M. weiter. Der Chefarzt des Krankenhauses, der wie alle leitenden Ärzte dem Militär angehörte, habe "viel Ärger" mit dem Geheimdienst gehabt.

Über sein eigenes Verhältnis zur Politik sagte Alaa M. aus, er habe sich mit dem Regime arrangiert, "genau wie Millionen in Syrien". Politisch sei er nicht aktiv gewesen, allerdings auch kein Befürworter der Regierung. "Ich war kleiner Assistenzarzt und habe Patienten behandelt. Ich bin kein religiöser Mensch und war in keiner Partei."

Am Donnerstag wird die Aussage des Angeklagten vor dem Oberlandesgericht fortgesetzt. Bis Ende März sind zwölf weitere Verhandlungstage terminiert.

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