Anschlag von Hanau Vili Viorel Păuns Familie pocht auf Ermittlungen

Der Notruf war bei dem Anschlag von Hanau mit neun Toten zeitweise unterbesetzt, ein Ermittlungsverfahren wurde aber nicht eingeleitet. Die Familie des in der Tatnacht getöteten Vili Viorel Păun will das so nicht hinnehmen und pocht auf Ermittlungen.
Die Familie des Hanauer Anschlagsopfers Vili Viorel Păun will die Ablehnung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit der Überlastung des Hanauer Polizeinotrufs am Abend des rassistischen Attentats mit neun Toten nicht hinnehmen.
"Hinweise auf Organisationsverschulden"
Vergangene Woche habe der Rechtsanwalt der Familie fristgerecht eine ausführliche Beschwerdebegründung bei der Staatsanwaltschaft Hanau eingereicht, teilte die "Initiative 19. Februar Hanau" am Dienstag mit, in der sich Angehörige der Hanauer Anschlagsopfer zusammengeschlossen hatten. Beantragt werde, Hinweisen auf ein Organisationsverschulden nachzugehen und ein offizielles Ermittlungsverfahren einzuleiten, hieß es.
Anfang Juli hatte die Hanauer Staatsanwaltschaft bekanntgegeben, dass der Engpass bei dem Polizeinotruf kein Ermittlungsverfahren gegen Polizisten nach sich ziehen werde. Es bestehe kein strafprozessualer Anfangsverdacht, hatte die Behörde ihre Entscheidung in einer 24-seitigen Pressemitteilung begründet.
Păun wählte Notruf vergeblich
Ein 43 Jahre alter Mann hatte am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Wegen des Notruf-Engpasses hatte die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen im Rahmen eines Prüfvorgangs geführt - Anlass dafür war eine Anzeige des Vaters von Vili Viorel Păun. Der damals 22-Jährige hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf gewählt. Kurz darauf wurde er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen.
Vater spricht von fahrlässiger Tötung
Sein Vater hatte den verantwortlichen Betreibern der Notrufzentrale in Hanau sowie den am Tatabend verantwortlichen Beamten fahrlässige Tötung zum Nachteil seines Sohnes vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft Hanau kam jedoch zu dem Schluss, dass zwischen dem Engpass bei dem Notruf und dem Tod von Vili Viorel Paun kein ursächlicher Zusammenhang nachweisbar sei. So sei nicht eindeutig zu klären gewesen, ob bei drei Anwählversuchen des später Getöteten bei dem Notruf überhaupt ein technischer Verbindungsaufbau erfolgte. Bei zwei weiteren Anwählversuchen habe sich der junge Mann verwählt. Auch eine Auswertung von Funkzellendaten habe keine eindeutigen Rückschlüsse zugelassen. "Bereits aus diesem Grund ist ein Kausalitätsnachweis vorliegend nicht möglich", hatte die Staatsanwaltschaft erklärt. Es sei nicht zu klären, wie Păun sich verhalten hätte, hätte er die Polizei erreicht und ob er bei Anraten seine Verfolgung des Täters aufgegeben hätte.
Anwalt: Notruf unterbesetzt und veraltet
Der Vater wies dies am Dienstag zurück. "Mein Sohn hat die Nummer gewählt, die auf jedem Polizeiwagen steht. Es ist unerträglich, dass ihm unterstellt wird, er hätte die Aufforderungen der Polizei nicht ernst genommen. Vili glaubte vielmehr bis zur letzten Sekunde, dass die Polizei ihm zu Hilfe kommen würde. Ich bin überzeugt, dass er noch leben würde, wenn die Polizei erreichbar gewesen wäre." Der Rechtsanwalt der Familie, Björn Elberling, ergänzte: "Es ist eindeutig, dass der polizeiliche Notruf unterbesetzt war und - trotz aller Kritik und Warnungen innerhalb der Polizei - die personelle sowie völlig veraltete technische Ausstattung nicht den Notwendigkeiten angepasst wurde."