Betrugsskandal um Pflegeheime AWO Hessen-Süd verliert Gemeinnützigkeit - neue Vorwürfe gegen Frankfurter Ex-Chef
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Neue Vorwürfe gegen ehemaligen Frankfurter AWO-Chef

Wegen dubioser Geschäfte eines ehemaligen AWO-Chefs hat das Finanzamt dem Bezirksverband Hessen-Süd die Gemeinnützigkeit aberkannt. Das hat finanzielle Folgen. Gegen den ehemaligen Frankfurter AWO-Chef Richter laufen neue Ermittlungen.
Infolge der Betrugsfälle bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) verliert der Bezirksverband Hessen-Süd rückwirkend seinen Status als gemeinnütziger Verein. Das betrifft die Jahre 2015 bis 2017, wie der Verband am Freitag bekannt gab. Für diesen Zeitraum müsse die AWO nun Steuern nachzahlen.
"Die Feststellung des Finanzamts halten wir für zutreffend", sagte der Geschäftsführer der AWO Hessen-Süd, Ulrich Bauch. Sie seien die logische Folge von mehreren Fällen, mit denen der AWO Vermögen entzogen worden sei und sich damalige Funktionsträger persönlich bereichert hätten.
Lukratives Geschäft mit Pflegeheimen
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit habe keine Auswirkungen auf die Betreuungsleistungen in den Einrichtungen der AWO, betonte Bauch. Auch der wirtschaftliche Sanierungskurs werde fortgesetzt.
Was passiert, wenn die Gemeinnützigkeit aberkannt wird?
Verstößt ein Verein gegen das Gemeinnützigkeitsrecht, so kann ihm die Gemeinnützigkeit rückwirkend für einen begrenzten Zeitraum - oder bei schweren Verstößen auch generell - aberkannt werden. Den Verein belastet das finanziell: Er muss nachträglich Steuern zahlen, da Befreiungen etwa bei der Körperschaftssteuer für ihn nicht mehr gelten.
Auch Spendenbescheinigungen darf der Verein für den betreffenden Zeitraum nicht mehr ausstellen. Auf bereits ausgestellte und beim Finanzamt eingereichte Bescheinigungen hat eine Aberkennung keine Auswirkungen.
In einem Rundschreiben an die Beschäftigten konkretisierte Bauch, der Grund für die Aberkennung sei vor allem der Verkauf von zwei Pflegeheimen in Bruchköbel (Main-Kinzig) und Langgöns (Gießen). Beide waren an Firmen verkauft worden, an denen der frühere AWO-Bezirkschef Torsten Hammann selbst beteiligt war.
Insgesamt war Hammann nach früheren hr-Recherchen über sieben Unternehmen mit der AWO im Geschäft, unter anderem lieferte eine seiner Firmen den Strom für AWO-Einrichtungen. Gegen Hammann und ehemalige Vorstandsmitglieder reichte der neue Bezirksvorstand nach eigenen Angaben Klagen beim Landgericht Darmstadt ein.
Kreisverband Frankfurt verlor Gemeinnützigkeit bereits
Zum AWO-Bezirksverband Hessen-Süd gehört auch der Frankfurter Kreisverband. Diesem war bereits im vorigen Jahr die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Allein für den Zeitraum von 2014 bis 2017 musste der Kreisverband deshalb hunderttausende Euro an Steuern zurückzahlen.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt nach wie vor gegen den ehemaligen Geschäftsführer Jürgen Richter und seine Frau Hannelore, die die Kreisverbände Frankfurt und Wiesbaden leiteten. Dem Ehepaar wird unter anderem vorgeworfen, mit gefälschten Abrechnungen für zwei Flüchtlingsheime rund 1,9 Millionen Euro zu viel kassiert zu haben.
Mit überhöhten Gehältern (unter anderem für nicht-existente Mitarbeiter), teuren Dienstwagen und ungerechtfertigten Spenden hat die frühere AWO-Spitze nach Angaben der neuen Geschäftsführung einen Schaden von sechs Millionen Euro verursacht. Richter wurde Anfang 2020 fristlos entlassen - zu Recht, wie ein Gericht bestätigte.
Ex-AWO-Chef Richter soll Doktortitel gefälscht haben
Am Freitag wurde bekannt, dass Richter auch in einer anderen Sache betrogen haben soll: Nach hr-Informationen stand in seinem Personalausweis und Reisepass seit Juli 2017 ein Doktortitel, den er nie erlangt hatte. Wie er sich den Eintrag in den Ausweisdokumenten verschaffte, ist nicht bekannt.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt teilte mit, es liege ein Strafbefehl gegen einen ehemaligen AWO-Mitarbeiter wegen Titelmissbrauchs vor. Gegen die Strafe von 120 Tagessätzen à 80 Euro habe der Beschuldigte Einspruch eingelegt. Deswegen finde am 10. Mai eine Verhandlung vor dem Frankfurter Amtsgericht statt.