Zwei junge Frauen sitzen in einem Hochsitz und schauen in die Kamera.

Immer mehr junge Frauen wollen den Jagdschein machen. Aber was fasziniert sie an der Jagd? Es geht um weit mehr als nur ums Tiereschießen, berichten zwei junge Jägerinnen aus Osthessen.

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Immer mehr junge Frauen wollen den Jagdschein machen

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Wenn sie unkonzentriert ist oder ihr Gewehr nicht richtig eingestellt ist, wird das Reh leiden, das sie heute Abend schießen will. Das darf nicht passieren. Der Schuss müsse sitzen, damit das Reh schnell sterbe, sagt Vera, die ihren Nachnamen aus persönlichen Gründen nicht nennen will. Am Schießstand in einem Wald bei Hünfeld-Rückers (Fulda) schaut die 29-Jährige aus Fulda ernst durch das Zielfernrohr.

100 Meter entfernt klebt ein Bild eines Wildschweins auf einer Sperrholzplatte. Vera legt an. Der Schuss ist trotz des Schalldämpfers an der Waffe ohrenbetäubend laut. Der Sperrholzkeiler fährt heran, die Kugeln haben kleine Löcher in seine Mitte geschlagen. Vera ist zufrieden: "Alle Schüsse sind im tödlichen Bereich." "Wenn es hier schon gut passt, klappt es draußen auch", ergänzt Vianne.

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Immer mehr Jagdschülerinnen

Der Hessische Landesjagdverband stellt fest: Der Anteil der Jagdschülerinnen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Waren es 2011 noch 20 Prozent, so sind es 8 Prozentpunkte mehr im Jahr 2021 gewesen. Auch das Durchschnittsalter sei in diesem Zeitraum von 36 auf 33 Jahre gesunken.

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Die 18-Jährige aus Nüsttal (Fulda) hat wie Vera seit drei Jahren den Jagdschein. Das Schießen und Tiere töten gehört für die beiden Jägerinnen dazu, sei aber nicht das Wichtigste. Die Hauptmotivation ist die Arbeit mit ihren beiden Hunden, sagt Vera.

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Immer mehr junge Frauen wollen den Jagdschein machen

Jägerin Vianne am Schießstand
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Veras Hund ist ein vier Jahre alter Deutsch-Drahthaar namens Theo. Zum Üben darf er eine tiefgefrorene Ente aus einem Weiher holen. Rauhaardackel Räuber, neun Monate alt, wetzt schnuppernd über ein Feld, auf der Suche nach einem versteckten Wildtier-Lauf.

Falls sie ein von einer Kugel getroffenes Wildtier nicht direkt finden könne, würden die Hunde mit ihren Nasen dabei helfen, es aufzuspüren, so Vera. Durch die gemeinsame Jagd werde die Bindung zwischen Hund und Frauchen intensiver. "Man erlebt ganz viele schöne und tolle Momente zusammen."

Der Jagdhund hat eine tiefgefrorene Ente aus dem Weiher gezogen.

Die Jagd ist viel mehr als Tiere töten

Markus Stifter vom Landesjagdverband Hessen bestätigt: Die Ausbildung und Arbeit mit Hunden ist laut einer Befragung für einen Großteil der Frauen ein elementarer Grund, den Jagdschein zu machen. Davon profitiere nicht nur die Jagd. Gut ausgebildete Hunde könnten durch Verkehrsunfälle verletzte Wildtiere im Wald aufspüren, so Stifter.

"Die Tiere würden sich sonst vielleicht stunden- oder auch tagelang quälen und an ihren Verletzungen wirklich qualvoll zugrunde gehen." Der Schuss spiele für Jägerinnen und Jäger nur eine ganz kleine Rolle, sagt die 29 Jahre alte Vera: "Der Jäger ist genauso verpflichtet, das Wild zu hegen und zu pflegen."

Als Jägerinnen kümmerten sie sich auch um Umweltschutz und Nachhaltigkeit, ergänzt Vianne. Jagen sei ein Gegensatz zur Massentierhaltung. Im selbst geschossenen Fleisch seien keine Chemikalien. "Das Tier hat bis zur letzten Lebenssekunde frei gelebt."

Zu viele Rehe und Hirsche stören Wiederbewaldung

Die Jagd trage zum Schutz des Waldes bei, sagt Luisa Vakalopoulos von der Oberen Jagdbehörde im hessischen Umweltministerium. Durch Trockenheit, Borkenkäfer und insbesondere den Klimawandel gebe es große Kahlflächen, die wiederbewaldet werden müssten. Rehe und Hirsche liebten es aber, die Knospen junger Bäume abzuknabbern.

Der Baum bleibe dadurch auf der Strecke, das erschwere die Wiederbewaldung, so Vakalopoulos. Durch Urbanisierung und geschädigte Wälder sei der Lebensraum der Wildtiere generell kleiner geworden. Ein Kompromiss müsse her. "Wir brauchen den Wald, wir brauchen auch das Wild", sagt Vakalopoulos. "Wir wünschen uns beides in Einklang und das kriegen wir nur hin, wenn die Wildbestände reguliert werden."

Dabei müssen sich die rund 23.000 Jägerinnen und Jäger in Hessen jedoch an Jagdzeiten halten. Nicht jedes Tier dürfe geschossen werden, betont die 18-jährige Vianne. Inzwischen hält sie mit Vera auf einem Ansitz bei Hünfeld-Rückers Ausschau. Aus dem Wald ist ein Reh auf eine Wiese gekommen. "Die Ricke dürfen wir natürlich nicht schießen, weil sie jetzt schon ein Kitz in sich trägt."

"Wir müssen nicht jedes Mal zum Schuss kommen"

Und so zieht sich das trächtige Reh wenig später in den Wald zurück. Die beiden jungen Jägerinnen beenden ihre Jagd, ohne ein Tier erlegt zu haben. Ein Misserfolg? "Wir müssen nicht jedes Mal zum Schuss kommen", sagt Vera. Sie liebe es generell, in der Natur zu sein und einen guten Einblick in die Lebensweise der Wildtiere zu bekommen.

Gerade der Frühling sei die schönste Jahreszeit dafür, weil man die Wildtierkinder aufwachsen sehe. "Wenn die Geiß dann mit ihrem Kitz auf die Wiese tritt, und man kann beobachten, wie es spielt und umherspringt. Es ist einfach ein ganz tolles Erlebnis."

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Jagd in Hessen

In Hessen wird auf rund 1.800.000 Hektar Wald und Feld die Jagd ausgeübt. Landesbetrieb HessenForst kümmert sich mit seinen Försterinnen und Förstern und Jagdgästen um zirka 240.000 Hektar (13 Prozent). 87 Prozent der hessischen Jagdfläche werden durch die private Jägerschaft betreut.

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