Audio

Gefechte in der sudanesischen Hauptstadt Khartum: In einem Hotel versuchen Mareike Röwekamp und Horst Schauer Kontakt zur Außenwelt zu halten

links im Bild aus dem Kriegsgebiet Sudan, rechts das Läuferpaar

Was als Laufabenteuer durch Afrika begann, wurde für ein Frankfurter Paar zum Überlebenskampf. Nachdem die politische Lage im Sudan eskalierte, saßen die beiden Extremsportler tagelang fest. Dann kam die Rettung.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen
Videobeitrag

Video

Frankfurter Paar aus dem Sudan zurückgekehrt

hessenschau
Ende des Videobeitrags

Vor etwa einem Monat gaben sich Mareike Röwekamp und Horst Schauer das Ja-Wort. Rund 12.000 Kilometer wollten die beiden Extremsportler aus Frankfurt-Höchst quer durch Afrika laufen - von Alexandria in Ägypten bis nach Kapstadt in Südafrika. Flitterwochen der ganz besonderen Art. In Khartum wurde aus dem Abenteuer schließlich ein Kampf ums Überleben.

Als sich die sudanische Armee und paramilitärische Kräfte der "Rapid Support Forces" in der Hauptstadt Gefechte lieferten, saßen die beiden in ihrem Hotel fest. Die Situation eskalierte. Die Gefechte kamen näher, Soldaten raubten sie aus, sie mussten ihr Hotel verlassen. Sie sahen Leichen.

Zusammen mit 99 weiteren Deutschen wurden die beiden schließlich von einer Bundeswehrmaschine ausgeflogen. Am Montag landeten sie in Berlin. Im Interview mit hr-Reporter Gunnar Töpfer erzählt die 40-jährige Mareike Röwekamp, wie sie die Zeit bis zur Rettung erlebte.

Zwei Menschen laufen an Pyramiden vorbei.

hessenschau.de: Wann und wie haben Sie das erste Mal gemerkt: Hier verändert sich gerade etwas? Das wird hier gerade gefährlich?

Mareike Röwekamp: Am Freitagmorgen waren wir laufen. Wir haben im Regierungsviertel gewohnt, was später zu unserem Nachteil geworden ist. Aber an diesem Morgen sind wir an allen Ministerien vorbei gelaufen zum Nil. Dort war alles ruhig. Da saß ein einzelner Polizist vor dem Supreme Court und das war's. Es war Feiertag, es war ruhig.

Am nächsten Morgen konnten wir schon nicht mehr aus dem Hotel. Ohne Strom, ohne fließend Wasser, ohne Verbindung zur Außenwelt, weil unser Akku immer weiter geschmolzen ist. Wir haben aber natürlich sofort im Umfeld mitbekommen, dass da ordentlich was los ist, weil sich die "Rapid Support Forces" vor unserem Hotel eingerichtet hatten, jeden Tag ein bisschen mehr, und die Gefechte dort hoch hergingen.

hessenschau.de: Wie hat Sie die Nachricht erreicht, dass Sie eingesperrt sind in dem Hotel?

Röwekamp: Draußen wurde geschossen, ununterbrochen. Maschinengewehrsalven, Artillerien, Raketenabwehr. Es war ein ununterbrochenes Gewehrgewitter. Da hatte sich gar nicht die Frage gestellt. Es war vollkommen unmöglich, rauszugehen.

Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch Internet. Wir haben die Nachrichten verfolgt über Al Jazeera und Twitter. Der Hintergrund des Konflikts und die politische Lage waren uns ja auch bekannt.

Weitere Informationen

Jetzt herunterladen: Die hessenschau-App

hessenschau App Jetzt downloaden

Suche, Regenprognose, Darkmode: Wir haben unsere News-App für Hessen stark überarbeitet und verbessert. Laden Sie sich die hessenschau-App jetzt herunter:

Ende der weiteren Informationen

hessenschau.de: Ausländer werden in solchen Situation schnell zu Geiseln. Wie haben Sie sich geschützt im Hotel?

Röwekamp: Wir konnten zwei Bänke vor die Tür stellen, das war alles. Ansonsten ist es eigentlich weniger eine Frage des Schutzes, sondern die einer möglichen Verständigung, wenn sie überhaupt in Frage kommt.

Die Soldaten kamen vollbewaffnet in unser Hotel, haben uns an verschiedene Wände verteilt, haben Geld verlangt, haben dann Handys mitgehen lassen, die sie uns später wieder verkauft haben. Und diese Besuche, die wurden dann immer häufiger und in sehr unterschiedlichen Stimmungen.

Frau checkt ihre Nachrichten auf dem Handy

hessenschau.de: Sie hatten teilweise kein Handy, kein Internet, keinen Strom. Wie sind Sie da in Kontakt geblieben mit der Botschaft und wie haben Sie die Zeit erlebt?

Röwekamp: Wir haben unseren Akku rationiert und dann immer nur morgens und abends um 9 Uhr angeschaltet und vorher beratschlagt, welche Nachricht wir verschicken wollen oder welche Fragen wir haben. Und dann haben wir gehofft, dass wir bis zum nächsten Tag oder nächsten Abend eine Antwort erhalten.

Ansonsten haben wir einfach abgewartet. Es war dunkel, wir haben immer weniger gegessen, immer weniger getrunken. Man lebt …

hessenschau.de: Wie haben Sie letztendlich die Rettung erlebt?

Röwekamp: Etwas chaotisch. Wir mussten zwischenzeitlich das Hotel verlassen, weil uns mitgeteilt wurde von den "Rapid Support Forces", dass das Gebäude am nächsten Morgen bombardiert werden sollte. Und sie würden uns an einen sicheren Ort bringen – in eine Moschee. Aber es war ganz klar, dass das auch kein Ort ist, wo man bleiben möchte. Die Toten lagen da nämlich schon im Eingang der Moschee und wir sind dann weiter geflohen in ein anderes Hotel.

Dort hatten wir dann auch sehr wenig Elektrizität. Trotzdem ist es uns zum ersten Mal gelungen, die Akkus aufzuladen. Dank der italienischen Verbindungen konnten wir uns einem Sammlungspunkt anschließen. Wir sind dann gemeinsam in eine italienische Assoziation gefahren. Das war die teuerste Taxifahrt unseres Lebens: 800 Dollar für 30 Minuten und ab da an war klar: Wir können uns auf eine Liste setzen und wir können das Land verlassen.

Menschen sitzen zusammen

hessenschau.de: Und wie sind Sie dann aus dem Land gekommen?

Röwekamp: Mit einer Maschine der Bundeswehr vom Flughafen Sonntagabend um halb acht. Wir wurden von dieser italienischen Assoziation von Fahrern in kleinen Bussen zum Flughafen gefahren.

Das war nochmal eine kritische Situation mit vielen Kontrollen. Danach sind wir mit einer Militärmaschine nach Jordanien geflogen und von dort aus ging es dann mit dem Flieger über Nacht nach Berlin, wo wir Montagmorgen ankamen.

hessenschau.de: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie endlich in der Militärmaschine saßen?

Röwekamp: Einerseits ist da eine Leere. Andererseits springt einem da so viel gleichzeitig im Kopf herum. Man sitzt selbst in einem Flugzeug und fragt sich: "Wie viele tun es nicht? Wie viele sitzen in ihren Häusern und haben keinen Zugang zu Wasser und sind bedroht und müssen jetzt irgendwie dort um ihr Leben kämpfen, ohne jegliche Unterstützung?"

In mir hat es den Wunsch verstärkt, noch mehr für internationalen Dialog und internationale Zusammenarbeit einzutreten. Das ist einfach eine Aufgabe, der sich die Weltgemeinschaft stellen muss.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen