Die Frankfurter Polizei hat am Dienstagabend einen von Aktivisten besetzten Hörsaal an der Goethe-Universität geräumt. Studierende vor Ort sprachen von einem gewaltsamen Vorgehen. Laut Polizei soll nur von einzelnen Demonstranten Gewalt ausgegangen sein. Es gab einige Festnahmen.

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Klima-Aktivisten besetzen Hörsaal an Goethe-Uni

Polizisten am Dienstagabend im besetzten Hörsaal der Goethe-Universität Frankfurt.
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Die Polizei in Frankfurt hat am Dienstagabend einen von der Gruppe "End Fossil: Occupy Frankfurt" besetzten Hörsaal an der Goethe-Universität geräumt. Mehrere Aktivistinnen und Aktivisten hatten dort für mehr Klimagerechtigkeit, bessere Studienbedingungen für Geflüchtete und bezahlbare Wohnungen demonstriert. Zu den Forderungen der Gruppe gehört auch ein Fleischverzicht beim Mensa-Essen.

Die Räumung wurde angeordnet, weil der Kanzler der Goethe-Uni, Albrecht Fester, Strafantrag gestellt hatte, wie ein Polizeisprecher sagte. Nachdem die Besetzer ein Ultimatum zur Räumung hatten verstreichen lassen, ging die Polizei in den Hörsaal.

Studierende beklagen unverhältnismäßige Gewalt

Eine Vertreterin des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) berichtete von unverhältnismäßiger Gewalt, die die Beamten dabei eingesetzt hätten. "Es wurde gefesselt, geschubst, bedrängt, geprügelt", sagte sie. Vor dem Hörsaal seien Hilferufe zu hören gewesen.

In der Spitze hätten sich bis zu 150 Personen in dem Hörsaal aufgehalten. Als der Beginn der Räumung angekündigt wurde, hätten die meisten bis auf etwa 40 den Hörsaal verlassen. Mehrere Personen seien festgenommen und ins Polizeipräsidium gebracht worden.

Uni-Präsidium verteidigt Räumunsgentscheidung

Die Uni hatte nach eigenen Angaben vom Mittwoch eine Verlegung des Protestes in einen anderen Hörsaal auf dem Uni-Campus Bockenheim angeboten, um die regulären Vorlesungen weiter abhalten zu können. Auf dieses Angebot seien die Protestierenden nicht eingegangen. Stattdessen hätten sie darauf beharrt, in dem Hörsaal am Campus Westend zu bleiben. Zahlreiche Veranstaltungen mit tausenden Teilnehmern hätten deshalb abgesagt oder verlegt werden müssen.

Der Kanzler der Universität, Albrecht Fester, betonte, die Besetzung eines der größten Hörsäle der Goethe-Universität während des laufenden Vorlesungsbetriebs könne die Universitätsleitung nicht tolerieren. Die nach der Corona-Pandemie mit großem Aufwand wiederhergestellte Präsenzlehre stelle einen hohen Wert für den Lehrbetrieb dar.

Studentenvertreter: "Neue Dimension"

Der Asta sprach von einem "einmaligen und beschämenden" Vorgang, die Räumung sei ein "Armutszeugnis". Offenbar sei es der Uni wichtiger, den Normalbetrieb aufrecht zu erhalten, als sich offen mit den "drängendsten Problem unserer Zeit" zu konfrontieren.

Auch Luise Brunner, studentisches Senatsmitglied, sprach von Gewalt und verurteilte den Polizeieinsatz. "Damit ist die Goethe-Universität die erste Universität in Deutschland, die Klimaproteste auf ihrem Campus unter Anwendung von Polizeigewalt hat räumen lassen. Das ist eine neue Dimension", teilte sie in der Nacht mit. Der Uni-Präsident habe die Eskalation der Situation "billigend in Kauf genommen".

Sprechchöre vor dem Gebäude

Vor dem Gebäude hatten sich während der Räumung mehr als 100 Studierende versammelt. In Sprechchören riefen sie "Eins, zwei, drei - lasst die Leute frei" oder "Polizisten raus aus dem Campus". Der AStA-Sprecherin zufolge ließ die Polizei zeitweise niemanden mehr in den Hörsaal hinein oder heraus.

Nach der Räumung wollten etwa 50 Demonstrierende vor das Polizeipräsidium ziehen, um die "Freilassung der Gefangenen" zu fordern. Wie ein Polizeisprecher sagte, löste sich diese Versammlung größtenteils kurz nach 22 Uhr auf.

Die Besetzung hatte am Dienstag um 10 Uhr begonnen und sollte mehrere Tage dauern, begleitet von Diskussionen. Ähnliche Hörsaal-Besetzungen hätten bundesweit stattgefunden, es sei aber nur in Frankfurt geräumt worden, so die Studierendenvertreterin.

Polizei spricht von Angriffen auf Polizisten

Ein Polizeisprecher erklärte am Abend, man sei bei der Räumung sehr kommunikativ vorgegangen. Gewalt sei nur von einigen Demonstrierenden ausgegangen. Die Beamten erklärten, man habe vor der Räumung jedem Gelegenheit gegeben, den Hörsaal ohne Feststellung der Personalien zu verlassen. Dem seien alle bis auf vier Personen nachgekommen. Gegen sie seien Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet worden.

Zudem hätten zwei Besetzer Polizisten unvermittelt attackiert und gegen den Kopf oder ins Gesicht geschlagen. Ein weiterer habe versucht, seine Mitstreiter zu befreien. Alle drei wurde daraufhin ins Polizeipräsidium gebracht. Von dort seien sie später nach Abschluss der "strafprozessualen Maßnahmen" wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

GEW solidarisch mit Protestierenden

Unterdessen erklärte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) solidarisch mit den Aktivisten und bezeichnete deren Forderungen als vollkommen berechtigt. "Eine Wirtschaftspolitik, die die ökologischen Lebensgrundlagen zerstört, darf keine Fortsetzung finden", erklärte die stellvertretende Landesvorsitzende Simone Claar.

Um den globalen Ausstoß von Klimagasen radikal zu vermindern, sei eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftssystems unerlässlich, so Claar. Dieser Punkt müsse auch in der Bildungsvermittlung stark gemacht werden. "Hier sehen wir zwischen uns und der Klimabewegung 'End Fossil: Occupy!' eine große Übereinstimmung."

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