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Weitere Zeugen im Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Hanau

Ordner mit der Aufschrift "#SayTheirNames - Hanau Untersuchungs-Ausschuss".

Hochgefährlich und schwer einzuschätzen: So beschreiben eine Oberstaatsanwältin und der Polizeiführer die Lage in der Nacht des Anschlags von Hanau. Eine für die Opfer-Familien wichtige Frage bleibt aber auch vor dem Untersuchungsausschuss offen.

Im Untersuchungsausschuss zum rassistischen Anschlag in Hanau hat die in der Tatnacht verantwortliche Oberstaatsanwältin die Aussage über die Obduktionen der Tatopfer verweigert. Ein entsprechendes Dienstaufsichtsverfahren gegen sie sei noch nicht abgeschlossen, sagte die mittlerweile pensionierte Beamtin am Freitag im Wiesbadener Landtag zur Begründung.

Die "Initiative 19. Februar Hanau", in der sich Opfer-Angehörige sowie Überlebende des Anschlags zusammengeschlossen haben, hatte sich laut Mitteilung Informationen darüber erhofft, wer die Obduktionen ohne Einwilligung der Angehörigen angeordnet habe.

"Zahl der Täter unklar"

Die damals kommissarische Leiterin der Hanauer Staatsanwaltschaft war in der Tatnacht zunächst zur Einsatzzentrale der Polizei gefahren. Dort sei sie von der Arbeit der Beamten sehr beeindruckt gewesen, sagte sie. Mitten in der Nacht sei dort "ein Team aus dem Boden gestampft" worden, es sei "hochkonzentriert und professionell" gearbeitet worden.

Ein rassistischer Hintergrund der Tat sei wegen des Migrationshintergrundes aller Opfer rasch vermutet worden, ansonsten sei lange vieles unklar gewesen. "Wir wussten nicht, kommt noch irgendwo ein dritter Tatort. Die Lage war schwer einzuschätzen", sagte sie. Auch sei die Zahl der Täter unklar gewesen.

Polizeiführer berichtet von Stürmung

Dies bestätigte der damalige Polizeiführer in seiner Aussage im Landtag. Auch die Rolle des Vaters von Tobias R. sei schwer einzuschätzen gewesen, berichtete er. Ein Zeuge hatte die Ermittler auf die Spur des Täters gebracht, er hatte dessen Autokennzeichen notiert. Mit einer Halterabfrage erfuhren die Polizisten die Adresse, das gesuchte Auto stand vor dem Haus.

Man habe nicht gewusst, ob der Täter im Haus sei oder wie er die Polizei empfangen würde, sagte der Polizeiführer. "Es war eine hochgefährliche Lage. Oberste Priorität hatte demnach, dass keine weitere Person mehr geschädigt wurde. Um eine riskante Stürmung möglichst zu vermeiden, sei zunächst unter anderem versucht worden, telefonisch Kontakt mit den Hausbewohnern aufzunehmen. Zudem seien weitere Informationen gesammelt worden, auch sei nach möglichen Sprengsätzen gesucht worden.

Schließlich habe er die zuvor von der Oberstaatsanwältin genehmigte Stürmung des Hauses befohlen. Nach Aussage dieser Staatsanwältin kam der Vater den Beamten entgegen und störte den Einsatz, die Mutter wurde tot im Bett gefunden, Tobias R. lag erschossen im Keller. Angehörige der Opfer hatten die lange Zeit bis zur Stürmung des Hauses kritisiert.

Wirres Schreiben von Tobias R.

Laut Auskunft der Oberstaatsanwältin war in ihrer Behörde im November 2019 eine mehr als 30 Seiten lange Strafanzeige von Tobias R. gegen einen "unbekannten Geheimdienst" eingegangen, in dem er wirre Angaben gemacht habe. Solche Schreiben kämen häufig, sagte sie. Die Anzeige habe keinerlei Anhaltspunkt für eine strafbare Handlung ergeben und sei daher abgelegt worden.

Der 43-jährige Deutsche hatte am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Der Ausschuss soll klären, ob es im Rahmen der Tat zu einem Behördenversagen gekommen war. Die Angehörigen der Opfer kritisieren die Polizeiarbeit und fordern eine umfassende Aufklärung der Tat. Alle damals eingesetzten Polizisten seien von ihren Erlebnissen in dieser Nacht sehr bewegt, sagte der damalige Polizeiführer.

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