Hessens Schwerpunktkliniken Corona häufig nur Begleiterkrankung bei Intensivpatienten
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Infektiologin Maria Vehreschild: "90 Prozent der Patienten kommen mit und nicht wegen Corona"

In Hessens Kliniken liegen jetzt öfter Patienten, die sich trotz Impfung mit Corona infiziert haben. Die meisten haben keinen schweren Verlauf, sondern werden aus anderen Gründen aufgenommen.
Ein Corona-Negativrekord jagt derzeit den anderen: In seinem aktuellen Wochenbericht meldet das Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 1,5 Millionen Corona-Neuinfektionen in einer Woche - so viele wie noch nie. In Hessen wurde in dieser Woche der zweithöchste Tageswert seit Pandemie-Beginn registriert; die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 1.485 neue Fälle pro 100.000 Einwohner.
Immer häufiger liegen auch vollständig Geimpfte auf den hessischen Intensivstationen, nach Angaben des Sozialministeriums gilt das aktuell für beinahe die Hälfte der Intensivfälle. "Das bedeutet aber nicht, dass die Impfung schlechter wirkt", stellt Maria Vehreschild, Leiterin der Infektiologie der Uniklinik Frankfurt, fest. Vielmehr steige einfach der Anteil der Geimpften in Hessen.
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Frankfurt: 90 Prozent nicht wegen Corona in Klinik
In Frankfurt stellt man außerdem fest: Bei der deutlichen Mehrheit der derzeitigen Krankenhauseinweisungen ist nicht Corona die Ursache. "Es kommen kaum noch Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung in unsere Kliniken, sondern sie kommen wegen anderer Probleme. Es wird dann mehr oder weniger zufällig auch eine Covid-Erkrankung im Aufnahme-Abstrich diagnostiziert", erklärt Vehreschild.
Sie schätzt den Anteil dieser Patientinnen und Patienten auf 90 Prozent, sowohl auf den Intensiv- als auch auf den Normalstationen. Die Patientinnen und Patienten hätten in diesen Fällen kaum oder keine Symptome.
Corona häufig nur Begleiterkrankung
Eine hessenschau.de-Umfrage unter den insgesamt sechs hessischen Corona-Schwerpunktkliniken, die Patientinnen und Patienten mit den schwersten Krankheitssymptomen behandeln, zeigt: In dieser Ausprägung bildet das Uniklinikum Frankfurt zwar eine Ausnahme. Aufgrund der steigenden Zahl der Geimpften und der gleichzeitigen Verbreitung der Omikron-Variante zeichnen sich aber ein Trend ab.
So teilte etwa das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) mit, am Standort Marburg seien derzeit rund 70 bis 80 Prozent der Patientinnen und Patienten sowohl auf den Normal- als auch auf den Intensivstation nicht wegen Covid als Haupterkrankung in der Klinik. Sie hätten die Infektion mitgebracht. Der Anteil der Geimpften unter den Corona-Erkrankten liege bei 60 bis 70 Prozent.
Das Klinikum Fulda gab an, etwa die Hälfte der Corona-Patientinnen und -Patienten sei tatsächlich wegen der Infektion in stationärer Behandlung. Nur Fälle mit der Hauptdiagnose Covid würden auch gemeldet. Auf den Normalstationen seien zwei Drittel der Covid-Patienten vollständig geimpft, auf den Intensivstationen gelte das für die Hälfte der Fälle.
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Seit Jahresbeginn vermehrt Corona-Fälle ohne Symptome
Die Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden erklärten, seit Jahresanfang - mit der Verbreitung der Virusvariante Omikron - steige die Zahl der Corona-Patientinnen und -Patienten, die positiv auf das Corona-Virus getestet, aber aufgrund anderer Erkrankungen behandelt wurden.
Während zum Höhepunkt der vierten Welle mit der Delta-Variante im vergangenen Winter die deutliche Mehrheit der stationär behandelten Covid-Fälle auch typische Symptome aufgewiesen habe, würden aktuell mehr Covid-Patientinnen und -Patienten ohne Symptome stationär behandelt.
Infektiologin: Hospitalisierungsinzidenz zeigt Aufwand für Personal
Hat die Hospitalisierungsinzidenz also ausgedient angesichts der hohen Anzahl an Patientinnen und Patienten, die nicht wegen, sondern mit einer Covid-Infektion aufgenommen werden? Am Freitag stieg sie erneut leicht an und lag bei 6,64 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Eine Woche zuvor hatte der Wert sogar bei 7,26 gelegen. Das UKGM bemängelt jedenfalls, die Inzidenz habe aktuell nicht mehr die Aussagekraft wie während der Verbreitung der Delta-Variante.
"Eine differenziertere Darstellung wäre natürlich noch informativer", stellt auch die Frankfurter Infektiologin Vehreschild fest. Unerheblich sei die Hospitalisierungsinzidenz aber nicht, schließlich spiegele sie den Aufwand, der dem Krankenhauspersonal entstehe.
"Die Covid-Patienten bedürfen eines extrem hohen Isolationsaufwandes, deshalb belastet diese Situation unser Gesundheitssystem sehr stark. Auch Patienten auf einer Normalstation brauchen eine aufwendige Versorgung." Personalausfälle erschwerten die Situation zusätzlich.