Immer mehr Förster depressiv Wenn die Sorge um den Wald krank macht
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Waldsterben macht Förster depressiv

Stürme, Dürren, Borkenkäfer: Hessens Wälder haben in den vergangenen Jahren einiges aushalten müssen. Und wenn der Wald leidet, leiden auch die, die sich um ihn kümmern.
Förster Dirk Reuter weiß gar nicht mehr wohin vor Arbeit. Auf einer riesigen Fläche, ungefähr so groß wie 100 Fußballfelder, stürzen geschädigte Bäume um oder müssen notgefällt werden. So geht das schon seit Jahren. HessenForst geht davon aus, dass 10 Prozent der Staatswälder nicht in Ordnung sind – das entspricht ungefähr 30.000 Hektar Wald.
Zerstörtes Lebenswerk
Reuter kümmert sich seit über 30 Jahren um sein Revier an der hessisch-niedersächsischen Grenze. Seine Arbeit hat den 65 Jahre alten Förster an seine Grenzen gebracht: "Man verzweifelt daran. Man hat gedacht: Einen Sturm muss jeder durchstehen. Und jetzt haben wir das fünfte Jahr in Serie mit Stürmen und großen Borkenkäfer-Kalamitäten. Das ist irgendwann zermürbend!" Der Wald sei sein Lebenswerk, sagt Reuter, und das drohe nun zu zerfallen.

Für Reuter ist sein Revier nicht nur ein Arbeitsplatz. Er hat eine enge Bindung dazu, weil er in der Gegend unweit von Bad Karlshafen (Kassel) bereits aufgewachsen ist und dort lebt. Umso schmerzhafter, dass die Waldschäden ein immer größeres Ausmaß annehmen. Die Situation belaste ihn sehr: "Man wird teilweise nachts wach und denkt: Was passiert morgen? Wie kriegst du das hin?"
Immer mehr Förster werden depressiv
Dirk Reuter ist nicht der einzige, dem es so geht. Der Bund Deutscher Forstleute (BDF) schätzt, dass jeder zweite Förster in Deutschland unter dem Waldsterben leidet. Folgen sind Belastungssymptome, die in Burnouts oder Depressionen gipfeln können. Seitdem Orkantiefs wie "Friederike" 2018 über Hessen wüten, hätten Belastungen und krankheitsbedingte Ausfälle spürbar zugenommen.
Betriebe wie HessenForst haben Beratungsstellen geschaffen, um Förstern eine erste Gesprächsmöglichkeit anzubieten. Hierbei handelt es sich um eine externe Mitarbeiterberatung, die jederzeit telefonisch oder online kontaktiert werden kann. Im vergangenen Jahr haben ca. fünf Prozent der Beschäftigten dieses Angebot angenommen. Laut HessenForst hatte ungefähr die Hälfte dieser Personen psychologische Anliegen.
Forstanstalten kaputtgespart?
Der Vorsitzende des BDF, Ulrich Dohle, macht die Politik für das vermehrte Auftreten von psychischen Problemen unter Förstern verantwortlich. Viele staatliche Forstanstalten seien kaputtgespart worden. "Das war ein Riesenfehler, man hätte die letzten 30 Jahre nutzen können für entsprechende Vorsorge, den Waldumbau und die Weiterentwicklung der Wälder", sagt Dohle. Doch stattdessen sei Personal gestrichen worden, der Waldumbau müsse jetzt unter extremem Zeitdruck geschehen.
HessenForst weist diese Vorwürfe zurück. Es habe zwar Entlassungspläne gegeben, diese seien jedoch "anlässlich der seit 2018 gravierend veränderten Lage im Wald" überarbeitet worden. Statt Personalabbau seien Neueinstellungen geplant, heißt es von Seiten des Landesbetriebs.
Junge Kollegen packen an
Die Wälder wieder fit machen – dieser Herausforderung stellt sich Gabriel Menke gerne. Er kennt den Wald nur geschädigt und kümmert sich im Forstamt Reinhardshagen (Kassel) nun um die Wiederbewaldung. Für den 26-Jährigen steht auch schon fest, wie der "neue" Wald aussehen soll: "Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Weichen für die Zukunft zu stellen, keine Monokulturen anzubauen, sondern klimastabile Mischwälder zu schaffen."

Dadurch sei der Forst angepasst an den Klimawandel und widerstandsfähiger bei Sturm, Trockenheit und Borkenkäfern. Dirk Reuter hofft auf seine jüngeren Kollegen. Auch wenn der Wald, den er 'übergibt', in keinem guten Zustand ist, habe er "nicht das Gefühl, dass die jungen Kollegen glauben, dass wir nur schlechten Waldbau gemacht haben. Sie können auch in Teilen in die Historie zurückblicken."
Reuter selbst überlässt das Feld abgekämpft und mit Vorfreude auf den Ruhestand. Denn: Die Belastung durch das Waldsterben sei für ihn einfach zu groß.