Die Nebenkläger sitzen beim Prozessauftakt in einer Reihe.

Vor einem Jahr raste in Witzenhausen ein Mann offenbar absichtlich in eine Gruppe Kinder. Ein Mädchen kam ums Leben. Am Landgericht Kassel hat der Mordprozess gegen den Fahrer begonnen, der schon früher aggressiv aufgefallen sein soll.

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Todesfahrt in Witzenhausen – Prozessauftakt in Kassel

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Der Mann, der am 29. Oktober vergangenen Jahres in Witzenhausen-Gertenbach (Werra-Meißner) in eine Gruppe Grundschulkinder gefahren ist, muss sich seit Montag vor dem Landgericht Kassel verantworten. Ihm werden unter anderem Mord, versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen.

Die Staatsanwaltschaft Kassel geht davon aus, dass der 31-Jährige sein Auto mit Absicht in die Kindergruppe gelenkt hat. Bei dem Vorfall kam eine Achtjährige ums Leben, zwei weitere Mädchen wurden schwer verletzt.

Angeklagter soll schon früher aggressiv aufgefallen sein

Der mutmaßliche Täter schwieg zum Start des Verhandlung. Er gilt als schuldunfähig, wie die Staatsanwaltschaft bereits im August mitteilte. Psychiatrische Gutachten hätten dies belegt. Deshalb wird das Gericht entscheiden müssen, ob der Mann dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird.

Zu seinen Hintergründen gab es am Montag neue Informationen. So hat der Angeklagte selbst in Witzenhausen gewohnt. Die Zeugenaussagen vor Gericht zeigen, dass es vor der Tat offenbar Warnsignale gab: Laut Ermittlern war der Mann, der als Essenslieferant arbeitete, polizeibekannt. Ermittlungen wegen Betrugs, Anzeigen wegen häuslicher Gewalt, der Verdacht von Brandstiftung. Einem früheren Chef soll er den Arm verbrüht haben.

"Es war zu viel für ihn"

Seine Ex-Freundin beschreibt ihn als wankelmütig und familiär isoliert. Seine Wohnung hatte er verloren, hatte Geldprobleme, habe kaum noch geschlafen. "Es war zu viel für ihn", sagte sie. Zudem sei bekannt gewesen, dass er trotz der Diagnose Schizophrenie oft seine Medikamente nicht genommen habe. Eine Blutprobe nach der tödlichen Autofahrt zeigte laut Ermittlern, dass keinerlei Medikamente, Drogen und Alkohol im Blut gewesen seien - also auch nicht das Mittel, das er wegen seiner psychischen Erkrankung nehmen sollte.

Mehr Fragen als Antworten werfen zudem wirre Kurznachrichten auf, die der Angeklagte am Morgen vor der Tat an seinen Bruder verschickte: "Schütz dich und sag den anderen das auch", schrieb er laut Gericht. "Die" würden "alle" festnehmen.

Mit Absicht in Kindergruppe gefahren

Am ersten Prozesstag sagten bereits mehrere Zeugen aus, darunter Polizeibeamte und Menschen aus dem Umfeld des Angeklagten, der den Auftakt äußerlich unbeteiligt und schweigend verfolgte. Unmittelbare Tatzeugen sollen im Laufe des Prozesses angehört werden. Ob sich der Angeklagte selbst doch noch äußern werde, sei unklar, teilte das Gericht mit.

Dem 31-Jährigen wird vorgeworfen, sein Auto absichtlich in eine fünfköpfige Gruppe von Schülerinnen und Schülern auf dem Gehweg vor einer Kindertagesstätte im Witzenhäuser Ortsteil Gertenbach gelenkt zu haben. Dabei wurde der Fahrer selbst schwer verletzt.

Am Tatort geblieben

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Prozessauftakt nach Todesfahrt in Witzenhausen

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Im Laufe der Ermittlungen meldete sich bei den Polizeibehörden ein Zeuge, der das Geschehen beobachtet hatte und Aussagen zum Fahrverhalten des Angeklagten machen konnte. Vor Ort war ein Sachverständiger, um die Situation einzuschätzen.

Laut Polizei war es unter anderem der Aufprallwinkel des Autos, der die Ermittler nicht an einen Unfall glauben ließ. Und Zeugen hätten von einem abrupten Rumreißen der Lenkung berichtet, als ob der Fahrer einem Tier ausweichen wolle. Zudem soll der Angeklagte zunächst an einer anderen Kindergruppe vorbei gefahren sein. Nach der Tat blieb der 31-Jährige laut Polizei am Tatort: "Er stand gegenüber und starrte auf das Auto", berichtete ein Ermittler. Die Beschreibungen gehen allerdings auseinander: Ein Polizist erzählte von friedlichem, kooperativen Verhalten, ein anderer von aggressivem. Im Krankenhaus sei der Mann dann später ausgerastet.

Ursprünglich hätte der Prozess bereits vor zwei Wochen beginnen sollen, der Termin wurde jedoch wegen Krankheit verschoben. Zu den weiteren drei Hauptverhandlungen sind insgesamt 23 Zeugen geladen.

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