Grafische Darstellung der geplanten Kamera-Konstellation im All

Weltraumschrott wird zur wachsenden Gefahr für die Raumfahrt. Da ist es wichtig, exakt zu wissen, wann die Teilchen wo herumfliegen. Ein Start-up-Unternehmen aus Darmstadt will dazu ein Netzwerk aus Kameras im All installieren.

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Kameras im All geplant: Start-up aus Darmstadt hilft im Kampf gegen Weltraumschrott

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Eine amerikanische Science-Fiction-Serie beschrieb den Weltraum einst als "unendliche Weiten". Das Universum mag unendlich sein, doch in erdnahen Orbits, dort wo Satelliten und Raumfahrzeuge ihre Bahnen ziehen, ist es eng geworden. Ausgediente Satelliten und Millionen von Schrottteilen stellen für die Raumfahrt mittlerweile ein gravierendes Problem dar.

Erster Satellit soll im kommenden Jahr starten

Ein junges Unternehmen, das zur Lösung dieses Problems beitragen will, hat sich 2020 in Darmstadt gegründet. Das Start-up Vyoma stellt als Dienstleister Daten zur Bewegung von Satelliten und Weltraumschrott zur Verfügung, berechnet Kollisionsgefahren und hilft bei der Planung von Ausweichmanövern.

Bislang bedient sich Vyoma dazu eines Netzwerks aus erdbasierten Teleskopen und Sensoren. Künftig will man optische Kameras und möglicherweise auch Radar- und Infrarotsensoren direkt zum Ort des Geschehens bringen. Im nächsten Jahr soll der erste Vyoma-Satellit mit Kameras zur Erfassung von Weltraumschrott in den Orbit starten.

Beobachtung vom Erdboden hat viele Nachteile

"Die Beobachtung von der Erde aus unterliegt einer Reihe von Einschränkungen", erklärt Luisa Buinhas, die neben Stefan Frey und Christof Bamann zum Gründerteam von Vyoma gehört. "In der Atmosphäre gibt es Staub, Wolken, Regen. Ist das Wetter schlecht, kann man Teleskope nicht nutzen. Und man muss sie hauptsächlich nachts einsetzen."

Im All habe man all diese Einschränkungen nicht. Zudem lasse sich mit der vorerst geplanten Konstellation aus zwölf Kameras im Orbit die Umgebung in alle Richtungen überwachen und die Bewegung hunderter Objekte gleichzeitig erfassen. Dieses Mehr an Daten gestattet dem Computer genauere Berechnungen.

In einigen Jahren, wenn die Konstellation steht, könne man damit Schrottteilchen bis hinunter zur Größe von zwei Zentimetern überwachen, berichtet Buinhas. "Die größte Schwierigkeit stellen dabei aber nicht der Flug ins All oder die Beobachtung dar, sondern die Zusammenführung der gewonnenen Daten." Daran arbeite das Team aus Fachleuten derzeit intensiv.

Nachhaltigkeit auch im Weltall

Vyoma - das bedeutet Luft, Himmel, Raum in Sanskrit, einer alten indischen Gelehrtensprache. Buinhas, Frey und Bamann lernten sich auf internationalen Konferenzen kennen, und merkten schnell, dass sie alle das Thema nachhaltige Raumfahrt sehr interessierte. Daraus entstand schließlich die Idee, ein Start-up zu gründen.

"Das Problem des Weltraummülls ist dringend", sagt Frey. "Die Lösungen, die derzeit am Horizont sind, reichen einfach nicht aus." Der Gründer beschreibt die Situation im All gar als "wilden Westen". Viele Objekte würden schlecht oder gar nicht beobachtet. Das führe oft zu kurzfristigen und teuren Ausweichmanövern.

Gründer Stefan Frey betrachtet bei der Esa in Darmstadt ein Satellitenmodell.

Nachhaltigkeit dürfe nicht auf die Erde beschränkt bleiben, fordert Frey. Denn bei der Sicherung einer intakten Umwelt spielten gerade Satelliten eine wichtige Rolle. "Wir müssen sicherstellen, dass diese Satelliten auch in Zukunft noch ungestört weiterfliegen können." Der Weltraum müsse auch für künftige Generationen benutzbar sein.

Raumfahrtagentur begrüßt Entstehung neuer Dienstleister

Frey und Bamann hatten zuvor im Space Debris Office, der Abteilung für Weltraumschrott der Europäischen Raumfahrtagenur ESA in Darmstadt gearbeitet. Deren Gründerzentrum griff dem jungen Unternehmen in der Anfangsphase mit seinem Netzwerk und einem geringen Förderbetrag unter die Arme.

Für selbstverständlich nimmt Gründer Frey das Vertrauen nicht. Die Raumfahrt sei zu Recht eine konservative Branche, in der es um viel Geld - im Falle der ESA um Steuergeld - geht. "Man muss sich dieses Vertrauen hartnäckig erarbeiten."

Esa-Experte: Sehen viele gute Ansätze

Generell begrüßt die Raumfahrtagentur aber die Entstehung solcher externen Dienstleister. "Wir sehen, dass sich in den letzten Jahren viel mehr Start-ups in diesem Bereich etablieren und gute Ansätze haben", sagt Tim Flohrer, Leiter der ESA-Abteilung für Weltraumschrott. "Das ist alles sehr dynamisch, und wir sehen das mit viel Freude."

Zur Kollisionsvermeidung verwendet die ESA bislang vor allem Daten amerikanischer Quellen. Um größtmögliche Betriebssicherheit gewährleisten zu können, sei jede Information willkommen, die dazu beiträgt, sagt Flohrer. "Wenn Vyoma da ein Produkt entwickelt, werden wir uns das natürlich seriös anschauen."

Platz für mehr als einen Anbieter

Flohrer glaubt, dass der Bedarf an Dienstleistern im Bereich Weltraumsicherheit in Zukunft zunehmen wird. Denn die Raumfahrt wird zunehmend privatisiert. Die Kosten für Satelliten gerieten in die Reichweite von Universitäten und kleinen Firmen. "Früher hatten wir in den tiefen Bahnen etwa 100 neue Satelliten pro Jahr." Heute seien es rund 1.800.

Hinzu kommen Megakonstellationen für die globale Kommunikation wie Starlink oder OneWeb. Daneben steigt die Zahl kleiner Schrottteilchen durch Kollisionen, die immer noch stattfinden, weiter an. Das schafft Flohrer zufolge einen Markt. "Da ist schon Raum für mehr als einen Anbieter".

Weltraummüll soll eingefangen werden

Derzeit plant die ESA zusammen mit dem Schweizer Start-up Clearspace eine kosmische Müllabfuhr. 2025 soll ein Roboter ins All starten, um ausgediente Satelliten und Trümmerteile einzufangen. Auch zu solchen Missionen könnten Dienstleister wie Vyoma mit ihren Daten wertvolle Beiträge leisten.

Das Unternehmen ist privat finanziert und hat seit letztem Jahr bereits einen kleinen Kundenstamm, wie Buinhas sagt. Dieser werde derzeit weiter ausgebaut. Schwarze Zahlen erwartet Vyoma für 2026, wenn die fertige Satellitenkonstellation direkt aus dem Weltall Daten liefern wird.

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