Die beiden Verteidiger der Angeklagten, Thomas Hammer (l) und Sven Schoeller, sind vor Prozessbeginn im Landgericht Kassel.

Jahrelang soll sich eine Frau aus Nordhessen ohne entsprechende Ausbildung als Ärztin ausgegeben haben. Mehrere Menschen starben offenbar an den Folgen ihrer Behandlungsfehler. Nun will das Landgericht Kassel das Urteil gegen die 51-Jährige fällen.

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Landgericht Kassel will Urteil gegen falsche Ärztin verkünden

Blick auf den Eingang des Landgerichts Kassel mit dem Schriftzug "Justizbehörden"
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Seit Januar vergangenen Jahres muss sich Meike S. unter anderem wegen fünffachen Mordes in Tateinheit mit unerlaubter Ausübung der Heilkunde, versuchten Mordes in elf Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Urkundenfälschung vor Gericht verantworten. Nach 49 Verhandlungstagen will das Landgericht Kassel nun am Mittwoch eine Entscheidung verkünden.

Beim Prozessauftakt schilderte die Staatsanwaltschaft die Folgen der Vergehen der Frau so: Mal habe sie Betäubungsmittel falsch dosiert, mal eine Blutvergiftung nicht behandelt, auch für stundenlangen Sauerstoffmangel, Schäden des Herz-Kreislauf-Systems und Organversagen von Patienten sei sie verantwortlich. Mal habe sie zu langsam, mal gar nicht auf die Komplikationen während der Narkose reagiert.

Staatsanwaltschaft fordert Höchststrafe

Im Verfahren wurden mehr als 500 Gutachten eingeführt und rund 500 Zeugen gehört. Das Kasseler Landgericht muss nun entscheiden, ob es sich bei den Vergehen um Mord oder um gefährliche Körperverletzung handelt.

Die Staatsanwaltschaft forderte die Höchststrafe für die 51-Jährige: lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Sie habe den Tod der Patientinnen und Patienten billigend in Kauf genommen.

Verteidigung weist Mordvorwurf zurück

Die Verteidigung plädierte hingegen auf acht Jahre Freiheitsstrafe unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung in 16 Fällen. Ihr Verteidiger hatte bereits zum Prozessauftakt eingeräumt, die Beweisaufnahme werde ergeben, dass seine Mandantin als falsche Ärztin tätig gewesen sei.

Die beiden Verteidiger der Angeklagten, Thomas Hammer (l) und Sven Schoeller, sind vor Prozessbeginn im Landgericht Kassel.

Den Mordvorwurf wies er allerdings zurück. Ein Tötungsvorsatz liege nicht vor. Die Frau sei an der erfolgreichen Betäubung von 500 Patienten beteiligt gewesen. Sie habe darauf vertraut, dass die Patienten nicht verletzt würden und habe keinen Anlass gehabt, an ihren eigenen Fähigkeiten zu zweifeln.

Viele berufliche Stationen

Der Werdegang von Meike S. ist verworren. Sie wechselte immer wieder zwischen den Unis in Kassel, Mainz und Frankfurt, studierte mal Biologie, mal Zahnmedizin. Sie legte eine Heilpraktikerprüfung ab und absolvierte zahlreiche Praktika und Seminare auf unterschiedlichsten Gebieten; manche Nachweise sind zweifelhaft.

S. promovierte schließlich in Biologie. Der Doktorgrad wurde ihr von der Uni Kassel allerdings inzwischen wegen Plagiierens entzogen. Einen zweiten Doktortitel soll sie im Internet gekauft haben. Eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin hat die 51-Jährige nicht.

Mit einer gefälschten Approbationsurkunde soll sie sich eine Anstellung im Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar (Schwalm-Eder) erschlichen haben. Laut Anklage arbeitete sie dort von 2015 bis 2018 als Assistenzärztin und narkotisierte Patienten.

Der Haupteingang der Klinik "Hospital zum Heiligen Geist".

Selbstanzeige wegen Anstellungsbetrug

Nach ihrer Arbeit in Fritzlar wechselte die Frau in den Reha-Bereich einer Klinik in Schleswig-Holstein - laut Ermittlern ebenfalls wieder unter falschen Angaben. Doch beim Wechsel der Ärztekammer wurden Unstimmigkeiten in ihren Unterlagen entdeckt.

Die Verdächtige hatte die Ermittlungen gegen sich schließlich selbst angestoßen und Selbstanzeige wegen Anstellungsbetrugs gestellt. Parallel gingen aber auch Anzeigen der Ärztekammer Hessen und ihres früheren Arbeitgebers gegen sie ein.

Laut Staatsanwaltschaft handelte die Angeklagte aufgrund eines übersteigerten Geltungsbedürfnisses. Aus Angst, den Status als Ärztin zu verlieren, habe sie Menschenleben gefährdet und sogar nach Todesfällen weitergemacht.

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