Verwundete "Turkos" in einem Lazarett im Jahr 1870

Die Überreste zweier in Darmstadt gestorbener Soldaten aus dem deutsch-französischen Krieg haben ihre letzte Ruhe gefunden. Die Gesichtshäute lagerten rund 150 Jahre in den Regalen des Landesmuseums, über den Umgang war eine längere Diskussion entbrannt.

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Darmstädter Gesichtshäute in Frankreich bestattet

Außenaufnahme des Soldatenfriedhofs in Metz
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In einem stillen Akt sind vor wenigen Tagen die menschlichen Überreste zweier Soldaten aus dem deutsch-französischen Krieg auf dem Soldatenfriedhof im französischen Metz beigesetzt worden. Das teilte das Ministerium für Wissenschaft am Montag auf Anfrage mit. Die Gesichtshäute der beiden Männer nordafrikanischer Herkunft lagerten seit dem späten 19. Jahrhundert in der Sammlung des Darmstädter Landesmuseums.

Dorn: "Letzte Ruhe an würdigem Ort"

"Es ist sehr gut, dass diese menschlichen Überreste nun ihre letzte Ruhe an einem würdigen Ort gefunden haben", erklärte Ministerin Angela Dorn (Grüne) am Montag. Mit der Bestattung hat eine lange andauernde Diskussion über den Umgang mit den Überresten aus der Kolonialzeit ein Ende gefunden.  

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Deutsch-Französischer Krieg in Darmstadt

Vor 150 Jahren war auch Darmstadt in den deutsch-französischen Krieg involviert: In den Jahren 1870 und 1871 kämpfte das Großherzogtum Hessen-Darmstadt an der Seite Preußens, viele Soldaten fanden damals in Lazaretten oder Gefängenenlagern in der Stadt den Tod. Seit Ende Oktober erinnert etwa eine Gedenktafel auf dem Alten Friedhof an die Namen von 58 dort bestatteten Soldaten des französischen Heeres.

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Zuletzt ging das Museum davon aus, dass es sich bei den in einer Ethanollösung konservierten Gesichtshäuten um die Überreste sogenannter "Turkos" handelt, die zwischen 1870 und 1871 in Darmstadt gestorben waren.

Als "Turkos" wurden damals die algerischen und tunesischen Schützenregimenter bezeichnet, offiziell "Tirailleurs algériens" beziehungsweise "Tirailleurs tunisiens", die für das französische Heer kämpften.

Rassistische Forschungen?

Der Darmstädter Autor Walter Möbius behauptete 1987 in seinem "Bessunger Lesebuch", der Naturforscher Jakob Kaup habe die Überreste 1870 aus einem Lazarett im Orangeriegarten für seine zoologische Sammlung im Museum angefordert, um daran sogenannte ethnografische - heute würden man sagen rassistische - Studien durchzuführen. Belege dafür gibt es allerdings nicht.

Weitere Informationen über die Herkunft der Leichenteile, wie etwa Name oder Alter der Verstorbenen, konnte das Museum trotz intensiver Nachforschungen bis zuletzt nicht herausfinden.

Bereits im Jahr 2012 hatte ein Darmstädter Bürger angeregt, die Überreste im Grabmal gefallener Franzosen auf dem Alten Friedhof in der südhessischen Stadt zu bestatten. Vergangenes Jahr nahm das hessische Ministerium für Wissenschaft Kontakt zum Auswärtigen Amt auf, das wiederum in den Dialog mit Frankreich als einzig ermittelbarem Herkunftsland trat.

Diskussion um Beisetzung in Metz

Im November entschied die französische Regierung, die Überreste der Soldaten in Metz zu bestatten. "Ihre Geschichte zeigt, wie komplex der Umgang mit Hinterlassenschaften aus von Gewalt und Ungerechtigkeit geprägten Epochen wie der Kolonialzeit sein kann", sagte Ministerin Dorn und dankte gleichzeitig allen, die sich um einen pietätvollen Umgang und die Bestattung in Frankreich bemüht haben.

Die Entscheidung, die Überreste der Nordafrikaner in Metz zu bestatten, stieß allerdings auch auf Kritik. "Da stark zu vermuten ist, dass weitere sterbliche Überreste derselben Soldaten in Darmstadt beigesetzt wurden, hätten wir es für pietätvoller gehalten, auch die Gesichtshäute dort beizusetzen", sagte jüngst der kulturpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Naas. "Ein Mensch sollte nur eine letzte Ruhestätte haben." Allerdings ist auch das nur eine Vermutung, Belege gibt es auch hier keine.

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