Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ist der wegen Beihilfe mitangeklagte Markus H. aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das Gericht sieht ihn nicht mehr als unmittelbaren Anstifter des mutmaßlichen Täters Stephan Ernst.
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Nach 463 Tagen Untersuchungshaft darf Markus H. das Gefängnis verlassen und muss im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) wohl mit keiner drastischen Strafe mehr rechnen. Der Vorwurf der Beihilfe sei "nicht mehr in hohem Maße wahrscheinlich", entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Donnerstag und folgte einem Antrag der Verteidiger. Die Tat wird damit allein dem Hauptangeklagten Stephan Ernst angelastet.
Die Beweisaufnahme in 20 Tagen Hauptverhandlung habe den Vorwurf der Anklage nicht bestätigt, begründete der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel die Entscheidung. Die Bundesanwaltschaft hatte H. vorgeworfen, den mutmaßlichen Lübcke-Mörder Ernst in seinem Vorhaben bestärkt und angeheizt zu haben. Laut Ernst war H. in der Tatnacht am 1. Juni 2019 auch mit am Haus der Familie Lübcke in Wolfhagen-Istha (Kassel). Diese Annahmen seien nicht mehr zu halten, so Richter Sagebiel.
Unglaubwürdige Aussagen
Durch die unterschiedlichen Schilderungen des Tatgeschehens und die auf Nachfrage wenig detaillierten Ausführungen Ernsts habe das Gericht "erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben", heißt es laut OLG-Mitteilung.
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Loca-tag 'teaser_more_audio_sr' not found Lübcke-Prozess: Markus H. kommt frei

Zudem hatte die ehemalige Lebensgefährtin von Markus H. ihre ursprüngliche Aussage relativiert, wonach H. der Denker und der Hauptangeklagte Ernst der Macher gewesen sei. Dies sei lediglich auf die private Situation bezogen gewesen, sagte sie vor Gericht. Im Ermittlungsverfahren hatte sie H., den Vater ihrer vierjährigen Tochter, noch schwer belastet und war zur Hauptbelastungszeugin geworden. H. selbst äußerte sich in dem Verfahren nicht.
Nebenklage kritisiert Freilassung
Für die Nebenklage, die weiterhin von einer gemeinschaftlichen Tat von Ernst und H. ausgeht, ist die Freilassung des Mitangeklagten "kaum zu ertragen", wie ein Sprecher der Familie Lübcke am Donnerstag mitteilte. "Es ist sehr bitter, dass der von den Anwälten der Angeklagten herbeigeführte Geständnis-Wirrwarr zu dieser Entscheidung beigetragen hat. Sie widerspricht der Überzeugung der Familie diametral", heißt es in einer Stellungnahme.
Markus H. muss laut Gericht auch weiterhin an der Verhandlung teilnehmen. Verantworten muss er sich aber lediglich noch wegen Waffendelikten. In dem Prozess stand für Donnerstag die Vernehmung eines DNA-Experten auf der Tagesordnung. Es ist der letzte Verhandlungstag vor den hessischen Herbstferien - danach wird der Prozess am 20. Oktober fortgesetzt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 1.10.2020, 19.30 Uhr