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EU-Abgeordnete besucht Raststätte Gräfenhausen

EU-Abgeordnete Gabriele Bischoff (SPD, l) spricht auf der Raststätte Gräfenhausen mit streikenden Lastwagenfahrern.

Seit Wochen streiken osteuropäische Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen bei Weiterstadt. Unterstützung bekommen sie nun auch aus dem Europaparlament. Die EU-Abgeordneten finden deutliche Worte.

Noch immer streiken 65 osteuropäische Lkw-Fahrer auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5 bei Weiterstadt (Darmstadt-Dieburg). Seit Wochen geht das nun schon. Am Dienstag beschäftigte der Ausstand das Parlament der Europäischen Union (EU) in Straßburg.

Für die Streikenden setzte sich unter anderem die deutsche Europaabgeordnete Gaby Bischoff (SPD) ein. Sie hatte die Lkw-Fahrer am Montag auf ihrer Reise nach Straßburg an der Autobahn besucht - und "moderne Sklaverei" angeprangert.

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Stärkere Kontrollen im Transportwesen gefordert

Im Europaparlament betonte sie am Dienstag, dass Verhältnisse wie die der Fahrer in Gräfenhausen in Europa nicht Teil der Normalität sein dürften. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort", forderte sie.

Die beste Gesetzgebung nütze nichts, wenn sie nicht auf nationaler Ebene umgesetzt werde. Die geltenden EU-Gesetze würden zu viele Schlüpflöcher bieten, kritisierte sie bereits am Montag.

Im Rahmen der Debatte im Europaparlament standen vor allem verstärkte Kontrollen im Transportwesen und die Arbeitsbedingungen von Menschen aus EU-Drittstaaten. Die Lkw-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen kommen überwiegend aus Georgien und Usbekistan. Sie lehnen sich gegen ihren polnischen Speditionsunternehmer auf, weil sie seit Wochen, teils Monaten ihr Gehalt nicht erhalten.

EU-Kommissar Schmit: "Völlig inakzeptabel"

Die EU-Kommission stehe zu fairer Mobilität, betonte Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. Es gebe keine unterschiedlichen Kategorien von Arbeitern, es gebe nur Arbeiter mit den gleichen Rechten, betonte er mit Blick auf Arbeitnehmer aus Ländern außerhalb der EU. Die Berichte aus Gräfenhausen seien beunruhigend.

"Es ist völlig inakzeptabel, dass heute in Europa, in der Europäischen Union, Arbeiter nicht ihr Gehalt erhalten." Gerade Arbeiter aus Drittländern seien besonders durch Ausbeutung gefährdet, da sie die geltenden Regeln oft nicht kennten, sagte er.

Der Europaabgeordnete Dennis Radtke (CDU) verwies auf geltendes europäisches Recht zu Arbeitsbedingungen. "Es gibt kein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit." Die Behörden dürften nicht wegschauen.

Unterstützung von Politik und Gewerkschaften

Auch andere Politiker äußerten Kritik: "Es gibt Speditionen in der EU, die die Ausbeutung ihrer Fahrer zum Geschäftsmodell gemacht haben, sagte die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke. Özlem Demirel von der Linken forderte, rechtliche Schlupflöcher zu schließen, die es Arbeitgebern ermöglichen, Arbeiter aus Drittländern zu prekären Bedingungen einzustellen.

Die polnische Europaabgeordnete Elzbieta Rafalska sagte zu den Arbeits- und Lebensbedingungen der georgischen und usbekischen Fahrer: "Wir wissen, was es heißt, auf dem Arbeitsmarkt schlecht behandelt zu werden. Wir sind diesen Weg selbst gegangen."

In Polen hätten die Behörden inzwischen Ermittlungen gegen den polnischen Spediteur aufgenommen, sagte der Vorsitzende des Verdi Kraftfahrerkreis Südhessen, Salvatore Franco Filippone. Er hofft auf dauerhafte Konsequenzen für den Unternehmer. "Solange er die Lizenz behält, solange bleibt er auf dem Markt."

Anwalt des Unternehmens: "Protest völlig überraschend"

Der Anwalt des betroffenen polnischen Unternehmers äußerte sich in einer Stellungnahme am Dienstagabend zu dem Konflikt. Der Protest sei für das Unternehmen "völlig überraschend" gekommen. Außerdem schrieb er, dass die Löhne vertragsgemäß gezahlt und wettbewerbsfähig seien.

Er erklärte, dass Sparmaßnahmen in Absprache mit den Fahrern durchgeführt wurden, um das Unternehmen und die Arbeitsplätze zu sichern. Das Unternehmen sei um eine versöhnliche Lösung des Streits bemüht.

"Angesichts der schwierigen Marktsituation für Transportdienstleistungen im Januar und Februar dieses Jahres haben wir in Absprache mit den Fahrern und mit deren ausdrücklicher Zustimmung Sparmaßnahmen durchgeführt, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern", schrieb der Anwalt.

"Wir gingen davon aus, dass unsere Fahrer die Maßnahmen kannten und mit diesem Programm einverstanden waren, um die Unternehmen auf dem Markt für Transportdienstleistungen zu halten."

Fahrer will nach Streik kündigen

Nach einzelnen Gesprächen hatten die ersten Lkw-Fahrer am Wochenende teils ihren Lohn erhalten. Die 65 Fahrer wollen jedoch zunächst weiter streiken. Sie erhalten Unterstützung von Gewerkschaften, Kirchen und Privatleuten, auch ein Spendenkonto wurde eingerichtet.

"Erst wenn das Unternehmen den letzten ausbleibenden Cent ausbezahlt hat, hören wir mit dem Streik auf", betonte ein 44 Jahre alter Lkw-Fahrer aus Georgien an der Raststätte am Dienstag. Er fahre seit acht Monaten für den polnischen Spediteur, dieser habe von Anfang an Geld zurückgehalten und die Fahrer belogen.

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Lkw-Fahrer fordern Sicherheitsgarantie nach Streik

Sie warten auf den Lohn: Einige der streikenden Fahrer stehen neben ihren Transportern auf der Raststätte.
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Die Fahrer fordern auch eine Garantie, dass ihnen bei ihrer Rückkehr nach Polen nichts passiere. "Wir haben Angst, dass uns in Polen Gewalt angetan werden könnte", sagte er. Nach dem Streik wolle er kündigen.

Ganz unbegründet ist die Sorge der Fahrer anscheinend nicht. Am Karfreitag war die Lage an der Raststätte Gräfenhausen eskaliert: Der Inhaber der Spedition versuchte in Begleitung mehrerer Personen, sich Zutritt zu den abgestellten Lkws zu verschaffen und den Streik mit Gewalt zu beenden. Dafür beauftragte er offenbar einen in Polen bekannten Privatdetektiv. Bei der Aktion waren auch panzerähnliche Fahrzeuge zu sehen.

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