Terrorverdächtiger aus Spangenberg Mutmaßlicher rassistischer Bombenbastler kandidierte für CDU

Der festgenommene 20-Jährige aus Spangenberg, bei dem Sprengstoff und ein rassistisches Manifest gefunden wurden, kandidierte im März auf der CDU-Liste zur Kommunalwahl. Der CDU-Stadtverband reagiert schockiert. SPD und Linksfraktion im Landtag kritisieren Innenminister Beuth.
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Mutmaßlicher Bombenbastler kandidierte für CDU

Erst am Donnerstag war durch einen hr-Bericht öffentlich geworden, dass bereits im September in Spangenberg (Schwalm-Eder) ein 20-Jähriger wegen Terrorverdachts festgenommen worden war. Nun sind weitere Details über den Verdächtigen bekannt.
Es handelt sich um Schreinerlehrling Marvin E. Der Verdächtige, bei dem neben Sprengstoff auch ein rassistisches Manifest gefunden wurde, war an seinem Wohnort politisch aktiv: Er kandidierte zur Kommunalwahl im März auf der Liste der CDU. Er trat für die Stadtverordnetenversammlung und für einen Ortsbeirat an. Ein Mandat errang er allerdings nicht.
CDU-Vorsitzender "geschockt und fassungslos"
Auf hr-Anfrage bestätigte der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Jörg Lange am Freitagabend, dass es sich bei dem Festgenommenen um den Kommunalwahl-Kandidaten Marvin E. handele. Das hatte zuvor die Kasseler Antifa-Gruppe "task" publik gemacht. Er sei "geschockt und fassungslos", sagte Lange.
Zugleich betonte der Vorsitzende, dass Marvin E. kein CDU-Mitglied sei, sondern sich als freier Bewerber auf die Wahllisten habe setzen lassen. Von einem "Unterwanderungsversuch eines offenbar rechtsextremen jungen Mitbürgers" sprach die Partei in einer Stellungnahme, die sie auf ihrer Internetseite veröffentlichte.
Bei Pflegearbeiten an der Mikwe geholfen
"Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglicher Form des Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit!!", hieß es in der Erklärung. "Dies stimmt nicht mit unseren Werten überein und wir lehnen derartiges ab!" Bei jeglichem Verdacht hätten man den Verfassungsschutz informiert, sagte CDU-Chef Lange dem hr.
Der Verdacht habe nicht vorgelegen, im Gegenteil: Lange hat den Verdächtigen nach eigenen Angaben kennengelernt bei Pflegearbeiten rund um die frühere Mikwe, einem rituellen Tauchbad der früheren jüdischen Gemeinde dort. "Von so jemandem denkt man doch nicht, dass er rassistische Gedanken hegt", sagt Lange. Er habe den jungen Mann daher gefragt, ob er sich nicht auch kommunalpolitisch engagieren wolle.

Seit wann wusste die CDU vom Rechtsterrorismus-Verdacht?
Die Frage, wann die Spangenberger CDU von dem Rechtsterrorismus-Verdacht gegen ihren Kandidaten erfahren hat, wollte Lange nicht beantworten. "Als der Name rausgekommen ist, da ist mir für mich eine Welt zusammengebrochen."
Marvin E. befindet sich nach einer Hausdurchsuchung bereits seit Mitte September in Untersuchungshaft, bekannt wurde das aber erst jetzt durch hr-Recherchen. Der Verdächtige wohnt keine 200 Meter entfernt vom CDU-Stadtverbandsvorsitzenden, in derselben Straße.
Wie es so weit kommen konnte, beschäftigt auch Vater Holger E. Marvin sei in Nazi-Chats unterwegs gewesen. "Er war in diesen Chats unterwegs und hat die Kontrolle verloren, nehme ich an. Also hat nicht mehr so richtig gemerkt was ist Realität, was ist Scheinwelt", so Holger E. Er selbst habe von den mutmaßlichen Machenschaften seines Sohnes nichts mitbekommen: "Das hat er gut versteckt."
SPD und Linksfraktion fordern Aufklärung
Die Linksfraktion im hessischen Landtag kündigte bereits an, dass sie die mangelnde Information der Öffentlichkeit im Innenausschuss thematisieren will. "Es gab überhaupt keine Informationen. Weder wusste man wo, noch wer, noch warum", sagte Heidemarie Scheuch-Paschkewitz, Landtagsabgeordnete der Linken.
Auch der parlamentarische SPD-Geschäftsführer Günter Rudolph forderte am Sonntag den Innenminister auf, den Innenausschuss des Landtags über den Fall zu informieren. "Wenn jemand in Hessen über 600 Sprengvorrichtungen bastelt und in einem Manifest zum 'totalen Rassenkrieg' aufruft, dann sollte es selbstverständlich sein, dass der Innenminister den Landtag von sich aus über den Vorgang unterrichtet", so Rudolph. Derzeit seien viele Fragen zu dem Fall offen. "Ich hoffe, dass der Minister zufriedenstellende Antworten anbieten kann".
Manifest fordert zum "totalen Rassenkrieg" auf
Bei der Razzia war nach Angaben der Staatsanwaltschaft neben rund 600 selbstgebastelten "Kleinsprengkörpern" und Sprengfallen auch ein Manifest gefunden worden, in dem Marvin E. sich gegen den Bestand der Bundesrepublik wendet und zum "totalen Rassenkrieg" auffordert. "Stand jetzt gehen wir von einer rechtsorientierten Ideologie aus", so die Staatsanwaltschaft.
Gegen den bislang nicht einschlägig vorbestraften Mann wird wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Gefängnis.