Bei einem Polizeieinsatz in Frankfurt wurde Anfang August der 23-jährige Amin F. getötet – laut Staatsanwaltschaft durch einen Kopfschuss. Der Bruder des Getöteten kritisiert die Polizei und will einen Anwalt einschalten.

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Tödliche Polizeischüsse: Bruder von Getötetem will einen Anwalt einschalten

Der Bruder des Getöteten im Skype-Interview
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Vom Tod seines Bruders hat Abdiwali F. aus den Medien erfahren. F. lebt in Jijiga, einer kleinen Stadt in Äthiopien, in der viele ethnische Somalier leben. Freunde hätten ihm Berichte über den Polizeieinsatz weitergeleitet, sagt er. Er war fassungslos: "Ich konnte nicht glauben, dass er tot ist." Er habe noch zwei Tage lang versucht, Amin zu erreichen. Aber aus dem fernen Frankfurt kam keine Antwort.

Aus den Berichten, die er sich hat übersetzen lassen, kennt Abdiwali F. den Stand der Ermittlungen: Am frühen Morgen des 2. August sind Polizeibeamte in Amin F.s Hotelzimmer eingedrungen. Am Ende fielen sechs Schüsse, fünf davon trafen den jungen Mann. Eine Kugel durchschlug die Schädeldecke. Laut Staatsanwaltschaft war Amin F. sofort tot. Wie alles genau ablief, haben die Behörden noch nicht gesagt.

"Amin hatte die falschen Freunde"

Auch die Vorgeschichte kennt Abdiwali F. Er weiß, dass Amin zuvor im Hotel zwei Prostituierte mit dem Messer bedroht haben soll. Und er wusste längst, dass sein jüngerer Bruder in Deutschland auf die schiefe Bahn geraten war. Amin nahm Drogen und "hatte die falschen Freunde", sagt Abdiwali F. Das habe schon 2019 angefangen.

Dennoch glaubt er, dass seinem Bruder Unrecht geschehen sei. 80 Polizeibeamte waren in jener Nacht wegen Amin F. an dem Hotel in der Moselstraße. So hat es der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) berichtet. Amin dagegen war allein in seinem Hotelzimmer. Warum gelang es nicht, Amin festzunehmen, fragt sich der Bruder. "Fünf Schüsse, davon ein Kopfschuss, das hätte nicht sein müssen."

Bruder des Getöteten will klagen

Den Kontakt zu Abdiwali F. hat der Darmstädter Verein "Somali Community Service" für den hr hergestellt. Der Verein hat auch der Mordkommission der Polizei Frankfurt geholfen, die Identität von Amin F. zu bestätigen. "Amin war unter den Somaliern in Darmstadt bekannt", sagt der Vereinsvorsitzende Kamal Mussa. Amin F. war in Darmstadt gemeldet und hatte dort eine Wohnung.

Jetzt ist der Verein dabei, im Namen des hinterbliebenen Bruders einen Anwalt zu beauftragen. Er wolle wegen der Schüsse auf seinen Bruder klagen, sagt Abdiwali F.: "Ich fordere Gerechtigkeit." Außerdem gehe es um Hinterbliebenengeld, sagt die stellvertretende Vereinsvorsitzende Henny Jünger, die den Schriftverkehr mit Anwälten und Behörden erledigt.

Ermittlungen wegen Totschlags gegen Polizisten

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Polizisten wegen Totschlags. Bisher hatten die Ermittler noch keinen direkten Kontakt zu Abdiwali F., wie das Innenministerium auf hr-Nachfrage erklärte. Die Kommunikation sei über den Darmstädter Verein gelaufen.

Eine amtliche Bestätigung, dass Abdiwali F. der ältere Bruder von Amin F. ist, gibt es daher nicht. Das hessische Innenministerium spricht auf hr-Anfrage von einem "potenziellen Bruder". Aus Sicht des Darmstädter Vereins besteht aber kein Zweifel an der Verwandtschaft. Vereinschef Mussa will Abdiwali F. unterstützen, auch wenn es Jahre dauere.

Offen ist allerdings, ob es überhaupt zu einer Anklage gegen den Polizisten kommt. Sollte er nach Ansicht der Ermittler aus Notwehr gehandelt haben, dann würde das Verfahren wegen Totschlags wohl eingestellt. Denn das Innenministerium stellt klar: Polizeibeamte dürfen die Schusswaffe einsetzen, "um eine gegenwärtige Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit eines Menschen abzuwehren".

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