Die Grafik zeigt eine Hand, wie sie ein Mobiltelefon in der Hand hält, auf dem rechtsextreme Nachrichten zu sehen sind.

Ein Foto mit angeklebtem Hitler-Bart in der Dienststube: In einer Chatgruppe sollen Polizisten aus dem Präsidium Südhessen rechte Inhalte getauscht haben. Den Beamten wird laut einem "FR"-Bericht noch mehr zur Last gelegt. Das Präsidium bestätigt Ermittlungen - bleibt aber äußerst vage.

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Wieder rechte Polizei-Chats

hs
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Mehrere Polizisten aus dem Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt sollen sich in einer Chatgruppe untereinander Bilder und andere Nachrichten mit rechtsextremem Inhalt geschickt haben. Das berichtet die Frankfurter Rundschau (FR) auf ihrer Internetseite und in ihrer Ausgabe vom Samstag.

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Polizei bestätigt Vorwürfe

Das Polizeipräsidum Südhessen hat am Montag in einer Mitteilung präzisere Angaben zu den Vorwürfen gemacht. Den Bericht darüber lesen Sie hier.

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Demnach bezeichnete ein Beamter seine Wohnanschrift in dem Chat als "Wolfsschanze" - analog zu Adolf Hitlers Hauptquartier im Zweiten Weltkrieg. Außerdem soll er sich in den Diensträumen mit einem angeklebten Hitler-Bart fotografiert haben lassen. Auch dieses Bild habe er verschickt, schreibt die FR, der nach eigenen Angaben die Chats aus den Jahren 2019 und 2020 vorliegen.

Kollegen absichtlich verletzt?

Doch das sind laut dem Blatt nicht die einzigen Vorwürfe, die gegen die Polizisten erhoben werden. Unsachgemäßer Umgang mit Waffen und Munition, Mobbing und Körperverletzung zählen ebenso dazu. Ein Polizist soll einen Kollegen beim Training absichtlich verletzt haben.

Dem Bericht zufolge ermittelt die Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Beleidigung und Körperverletzung. Das betroffene Polizeipräsidium Südhessen selbst hat laut FR vier Disziplinarverfahren eingeleitet. Diese könnten aber erst fortgesetzt werden, wenn das Strafverfahren abgeschlossen sei. Drei Bedienstete seien "von ihren bisherigen Funktionen entbunden" worden.

Präsidium äußert sich nur vage

In einer Stellungnahme bestätigte das Polizeipräsidium die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die vier Disziplinarverfahren. Dass nur drei Beamte von ihren Funktionen entbunden wurden, eklärte ein Sprecher damit, dass der vierte Beamte wegen einer Krankheit nicht im Dienst sei und auch zeitnah nicht zurückkehren werde.

Zu den Vorwürfen findet sich in der Stellungnahme allerdings wenig Konkretes. Polizeibeamte hätten ihrem Ansprechpartner im Januar 2021 "verschiedene Vorfälle" gemeldet. Diese seien beim Landeskriminalamt angezeigt worden. Während der Ermittlungen hätten sich "ganz unterschiedliche Vorwurfslagen" gegen die Beamten ergeben.

Während der Durchsuchungen bei den Beschuldigten seien dann Beweise sichergestellt worden. "Hierzu zählt unter anderem ein Chat sowie unterschiedliche Bilddateien mit möglichem strafrechtlichem Hintergrund." Weitere Details zu den Inhalten der Chats oder zu möglichen rechten Umtrieben im Polizeipräsidium werden nicht genannt - "aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen", wie es heißt.

Linke und SPD kritisieren Beuth

Die Fraktionen von Linke und SPD reagierten mit Kritik an Innenminister Peter Beuth (CDU) auf die Vorfälle. "Das Problem sind nicht nur Polizisten mit Hitlerbärtchen, sondern ein Innenminister, der diesem Treiben kein Einhalt gebieten will oder kann", teilte Torsten Felstehausen, Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher der Linken im Landtag, mit. Er habe "Zweifel an einem ernsthaften Aufklärungswillen" von Beuth.

"Innenminister Peter Beuth hat eine neue Fehler- und Führungskultur bei der Polizei versprochen, doch Worten keine Taten folgen lassen", kritiserte auch Günter Rudolph, der Vorsitzende der SPD-Fraktion. Beuths "Salamitaktik, mit der er Fälle aufzudecken begonnen hat", fasse nun wieder Fuß. Das Vertrauen in die Aufklärungspolitik des hessischen Innenministers sei nicht mehr existent, sagte Rudolph.

Grüne fordern Aufklärung und Konsequenzen

Bei der Grünen-Fraktion lösten die neuen Vorwürfe laut einer Mitteilung vom Samstag Fassungslosigkeit aus. Der Parlamentarische Geschäftsführer Jürgen Frömmrich forderte lückenlose Aufklärung und Konsequenzen. "Derartiges Verhalten kann bei der hessischen Polizei nicht geduldet werden und muss dienstrechtliche und möglicherweise strafrechtliche Folgen haben", so Frömmrich.

Dutzende Fälle bekannt

Immer wieder sind in den vergangenen Jahren Chatgruppen von Polizisten mit rechten Inhalten aufgedeckt worden. Der erste Fall wurde Ende 2018 in Frankfurt bekannt. Via WhatsApp hatten die Beamten unter anderem Hakenkreuzbilder getauscht. Darauf gestoßen waren die Ermittler, als sie wegen der Droh-Schreiben an die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz das Privathandy einer Polizistin untersuchten.

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Medienbericht: Wieder rechte Chatgruppe von Polizisten aufgeflogen

Die Grafik zeigt eine Hand, wie sie ein Mobiltelefon in der Hand hält, auf dem rechtsextreme Nachrichten zu sehen sind.
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Wenige Monate danach berichtete Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) dem Landtag schon von knapp 40 Fällen, in denen ermittelt werde. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte vor Kurzem Informationen zu den Verfahren ein. Etliche davon seien zwischenzeitlich eingestellt worden, sagte GdP-Vorsitzender Jens Mohrherr. Ermittlungen müssten eine öffentliche Entlastung der Polizei nach sich ziehen.

Ex-LKA-Chefin fordert Rassismus-Studie

Angesichts dieser Vorfälle konstatierte die ehemalige Chefin des Landeskriminalamts, Sabine Thurau, im vergangenen Herbst, die Polizei habe ein Problem mit Rassismus und Rechtsextremismus. Sie sprach sich deshalb für eine wissenschaftliche Studie zu diesem Thema aus.

"Wichtig ist, dass man nicht vorschnell sagt: Das sind nur vier, fünf Fälle, und deshalb müssen wir uns die Gesamtorganisation gar nicht anschauen", so Thurau. "Wie grundsätzlich das Problem ist, werden wir erst am Ende beantworten können."

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