Der Angeklagte (mit Mütze) betritt in Begleitung seines Verteidigers (links) und eines Justizbeamten den Verhandlungssaal im Landgericht Fulda.

Mehr als 20 Jahre lang soll sich ein ehemaliger Lehrer in Nord- und Osthessen an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Zu manchen Vorwürfen legte der Angeklagte zu Prozessbeginn vor dem Landgericht Fulda gleich ein Geständnis ab.

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Prozessauftakt: Ex-Schulleiter will sexuellen Missbrauch gestehen

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Im Prozess wegen mehrfachen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in Nord- und Osthessen hat der angeklagte ehemalige Schulleiter Teilgeständnisse abgelegt. Vor dem von großem Medieninteresse begleiteten Auftakt am Landgericht Fulda erklärte seine Verteidigung am Mittwochmorgen, dass sich der 47-Jährige zu den Vorwürfen äußern werde. Die Verhandlung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Rechtsanwalt Jochen Kreissl sagte: "Es wird in großem Umfang Geständnisse geben. Uns ist daran gelegen, dass die Sache schnell vom Tisch ist." Von 114 angeklagten Taten wolle der Angeklagte voraussichtlich 32 bestreiten und die übrigen einräumen. Nach Angaben eines Gerichtssprechers kam der Angeklagte dieser Ankündigung bis zum Nachmittag auch bereits am ersten Verhandlungstag nach und legte Teilgeständnisse ab.

Missbrauch über 20 Jahre hinweg

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft dem Mann in der Anklage vor, sich von Anfang 1998 bis Ende 2021 an zahlreichen Opfern vergangen zu haben. Es habe 64 Taten an Kindern und 35 an Jugendlichen gegeben. Zudem gehe es in 15 Fällen um den Besitz und die Verbreitung von kinderpornografischen Dateien.

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Prozess-Auftakt in Fulda gegen Ex-Schulleiter wegen schweren sexuellen Missbrauchs

großes Medieninteresse bei Prozess-Auftakt in Fulda gegen Ex-Schulleiter wegen sexuellen Missbrauchs
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Nach Gerichtsangaben sind bis zu 20 mögliche Opfer betroffen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Es soll sich ausschließlich um Jungen handeln, wie ein Gerichtssprecher sagte.

Der Angeklagte war zur Tatzeit Grundschullehrer in Sontra und Wehretal im Werra-Meißner-Kreis und zuletzt Schulleiter in Rotenburg-Lispenhausen im Kreis Hersfeld-Rotenburg. Im Sommer 2021 ging er aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand, wie das zuständige Schulamt mitgeteilt hatte. Seit Januar 2022 befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft.

Hinweise aus den USA lösten Ermittlungen aus

Auslöser der Ermittlungen gegen den Mann war ein Hinweis von Ermittlern aus den USA, die Nutzungsdaten im Internet auswerteten. Der Angeklagte soll Kinderporno-Material verbreitet haben. Sebastian Zwiebel von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sagte auf hr-Anfrage: "Im hiesigen Fall bestand der Verdacht, dass vom Internet-Anschluss an der Wohnadresse des Anschuldigten aus eine bekannte kinderpornografische Datei über einen amerikanischen Provider versendet worden sein sollte."

Nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden eingeschaltet worden war, folgte eine Durchsuchung in der Wohnung des Mannes. Dabei wurden Datenträger, ein Laptop und Handys sichergestellt. Durch die Auswertung der Dateien bestätigte sich der Verdacht.

Der Angeklagte leitete auch mehrere Kinder- und Jugendchöre in der Region. Missbrauchstaten sollen sich laut Anklage bei Chor- und Jugendfreizeiten sowie bei Klassenfahrten und beim Schwimmunterricht ereignet haben, wie aus der Anklage hervorgeht.

Lehrer und Chorleiter wegen Kindesmissbrauchs angeklagt

Anklage nur teilweise öffentlich vorgetragen

Die Anklage wurde am Mittwoch nur teilweise öffentlich verlesen. So sollen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen geschützt werden und die Opfer nicht identifizierbar sein, wie es von Seiten des Gerichts hieß. Nur 17 der 114 angeklagten Taten wurden vorgetragen. Danach mussten die Medienvertreter und Prozess-Zuschauer den Gerichtssaal verlassen. Für den weiteren Fortgang des Verfahrens will der Vorsitzende Richter Joachim Becker situativ entscheiden, wann die Öffentlichkeit zugelassen wird.

Geschildert wurden in den öffentlich verlesenen Anklagepunkten, wie es zu erzwungenen Zärtlichkeiten und Oralverkehr gekommen sein soll. Bei Jugendfreizeiten habe sich der Lehrer zu den Kindern und Jugendlichen ins Bett gelegt und seine Taten mit dem Handy gefilmt. Zu den jüngeren Opfern zählten laut Gericht auch Kinder zwischen sieben und neun Jahren.

Pfarrer war begeistert von charismatischem Chorleiter

Pfarrer Maximilian Hetzel von der evangelischen Kirchengemeinde in Bebra-Weiterode (Hersfeld-Rotenburg) hatte Kontakt mit dem Angeklagten, weil dieser den Kinderchor führte. Er habe den Pädagogen als "sehr freundlichen, aufgeschlossenen und charismatischen Menschen" kennen gelernt, wie er dem hr sagte. Es sei beeindruckend gewesen, wie er das "Interesse der Kinder wecken und sie motivieren konnte".

Pfarrer Maximilian Hetzel

Dass es im Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen zu sexuellem Missbrauch gekommen sein soll, habe ihn "total geschockt", wie Hetzel sagte. Er hoffe, dass die Vorwürfe aufgeklärt werden. "Und mein größter Wunsch ist, dass den Opfern geholfen wird und sie nicht zu viele Wunden davontragen."

Hohe Haftstrafe und Sicherungsverwahrung möglich

Nach Angaben eines Gerichtssprechers ist eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren möglich. Womöglich komme auch eine Sicherungsverwahrung in Betracht.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Mit einem Urteil ist erst Ende Mai zu rechnen. Es sind knapp 40 Verhandlungstermine vorgesehen.

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