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Frankfurter Arbeitsgericht verhandelt Kündigungsschutzklagen wegen Betriebsratsarbeit

Eine Hand träufelt Flüssigkeit auf einen Corona-Test. (dpa)

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind in Hessen binnen kürzester Zeit Dutzende Testzentren eröffnet worden. Nun wirft eine Serie von Prozessen vor dem Frankfurter Arbeitsgericht die Frage auf, wie die Branche mit ihren Beschäftigten umgeht. Dabei geht es auch um die Gründung eines Betriebsrats.

Wie war der Umgang mit dem Personal, als während der Pandemie ein Testzentrum nach dem anderen öffnete? Wurden Beschäftigte gekündigt, weil sie bei Arbeitsbedingungen mitreden und einen Betriebsrat gründen wollten? Ab diesem Freitag wird das Frankfurter Arbeitsgericht über diese Fragen beraten.

Mehrere ehemalige Beschäftigte eines Frankfurter Testzentrums haben Kündigungsschutzklage gegen ihren Ex-Arbeitgeber eingereicht. Es geht dabei auch darum, ob die Kündigungen im Zusammenhang mit einer Betriebsratsgründung standen.

Die Medicorum TAM GmbH aus Berlin hatte in der Pandemie Filialen an zahlreichen Standorten eröffnet. Auch nach Auslaufen der kostenlosen Corona-Tests listet das Unternehmen auf seiner Website mehr als 30 Testzentren in Deutschland auf, zum Teil als Franchise-Betrieb.  

Verdi: Betriebsratsgründung in neuer Branche schwierig

In zwei der anstehenden Prozesse bemühte sich das Gericht in ersten Verhandlungen vergeblich um einen Vergleich. Es geht den Klagenden offenbar um mehr, wie der hr in Gesprächen erfuhr: Sie wollen wieder vom Unternehmen beschäftigt werden - um dort ihrer Betriebsratsarbeit nachgehen zu können. Beide wurden nach hr-Informationen fristlos gekündigt, beide sogar mehrfach.

Laut der Gewerkschaft Verdi Hessen ist es das erste Mal, dass Mitarbeitende in einem hessischen Corona-Testzentrum einen Betriebsrat ins Leben gerufen hätten. Der Anlauf dazu sei in einer neuen Branche mit befristeten Verträgen schwierig, sagt Verdi.

Schwere Vorwürfe gegen gekündigte Mitarbeiter

Die vom Unternehmen vorgebrachten Vorwürfe gegen die gekündigten Mitarbeitenden vor Gericht wiegen nach hr-Informationen schwer: Sie reichen von geschäftsschädigendem Verhalten bis hin zu Diebstahl. Anders wäre der Arbeitgeber auch chancenlos: Ohne außerordentlich schwere Gründe ist eine fristlose Kündigung nur in den wenigsten Fällen möglich, noch dazu von Personen, die sich für einen Betriebsrats engagiert haben. Denn für Betriebsräte und Personen, die eine solche Wahl vorbereiten, gilt ein besonderer Schutz.

Auf Anfrage erklärt Medicorum TAM über eine Kanzlei eher allgemein zu den Kündigungen: "Es gab hier diverse Vorfälle, die zwischenzeitlich auch Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen sind. In diesem Zusammenhang erfolgte der Ausspruch mehrerer Kündigungen mit Blick auf die betreffende Personengruppe; diese Kündigungen sind teilweise vor Kenntnis einer möglichen Betriebsratswahl ausgesprochen worden." Weiter heißt es: Aufgrund "diverser Verfehlungen" sei eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich gewesen.

Von ehemaligen Kollegen und Kolleginnen, die namentlich nicht genannt werden wollen, hört man fast durchweg höchstes Lob über die beiden Kläger: Die Gekündigten hätten ihre Aufgaben im Testzentrum sehr ernst genommen, viel gearbeitet und sich im Unternehmen engagiert eingebracht. Die Kündigungen seien überraschend gewesen.

Unternehmen hält Betriebsratswahl für wenig rechtskonform

Im November findet ein weiterer Termin vor dem Arbeitsgericht Frankfurt statt. Medicorum TAM ficht dort die Betriebsratswahl an. Zu einem möglichen Betriebsrat und einer internen Arbeitnehmervertretung stehe man "grundsätzlich positiv", erklärte das Unternehmen auf Anfrage. Die abgehaltene Betriebsratswahl im Mai habe jedoch "aus unserer Sicht mit einer rechtskonformen und seriösen Betriebsratswahl wenig gemein". Es sei problematisch, wenn Anzeichen dafür bestünden, dass die Gründung eines Betriebsrats missbraucht werde, "um aus unserer Sicht vollkommen berechtigte und erforderliche Kündigungen der eigenen Person zu blockieren".

Nach hr-Informationen ist nur noch eine von sieben bei der Betriebsratsgründung aktiv involvierten Personen im Frankfurter Testzentrum beschäftigt. Diese Person war zum Zeitpunkt der Betriebsratsgründung schwanger. Sie wurde abgemahnt. Medicorum TAM wollte das auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. Viele andere wurden gekündigt, manche erhielten auch mehrfache Kündigungen, zum Teil ordentliche, zum Teil zusätzlich fristlose.

Weniger Tests, weniger Personal

Gleich am Tag der Betriebsratswahl setzte Medicorum TAM nach den dem hr vorliegenden Dokumenten ein Schreiben auf, das an den neuen Betriebsrat ging. Er solle sich zu den Kündigungen äußern. Es ging um insgesamt acht Entlassungen – darunter drei Personen, die die Gründung des Betriebsrats mit vorangetrieben hatten und unter anderem als Einladende zur Wahlversammlung in Erscheinung getreten waren.

In dem Schreiben heißt es, dass das Unternehmen sich wegen eines Nachfragerückgangs nach Tests betriebsbedingt von Personal trennen müsse. Auch dazu äußerte sich Medicorum TAM gegenüber dem hr nicht. Ein entsprechendes Dokument liegt dem hr vor.

Aktuell ruht die Betriebsratsarbeit nach hr-Informationen. Auch das wollte das Unternehmen weder bestätigen noch dementieren.