Familie Elahmar im Garten ihres zerstörten Hauses

Vor gut einem Jahr ist das gerade neu bezogene Haus von Familie Elahmar in Reinheim abgebrannt. Die Versicherung wirft der Familie grobe Fahrlässigkeit vor und will nicht zahlen. Für die Eltern und ihre Kinder steht die gesamte Existenz auf dem Spiel.

Die Erinnerungen an den Morgen des 12. März vergangenen Jahres sind noch sehr präsent, fast so, als wäre es gestern gewesen. "Ich habe mit meinen Kindern in der Küche gesessen und gefrühstückt, als ich aus dem Obergeschoss einen lauten Knall gehört habe. Ich bin dann hoch gerannt, da schlug mir schon das Feuer entgegen", beschreibt Angelika Elahmar die ersten Minuten der Brandkatastrophe. Es war der Morgen, als die Existenz ihrer Familie in Flammen aufging.

In dem Haus im Reinheimer Stadtteil Georgenhausen (Darmstadt-Dieburg), das das Ehepaar und ihre fünf Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren erst wenige Tage zuvor bezogen hatten, war ein Feuer im Obergeschoss ausgebrochen. Ehemann Jawhar Elahmar, der zu diesem Zeitpunkt im Obergeschoss schlief, konnte sich noch rechtzeitig durch die Flammen ins Freie retten, auch Angelika Elahmar und die fünf Kinder blieben zum Glück unverletzt.

Versicherung hält eine halbe Million zurück

Das Haus wurde jedoch zu großen Teilen zerstört und somit auch der ersehnte Traum der Familie von einem Eigenheim mit großem Garten und genug Platz für den Nachwuchs. "Darauf haben wir lange hingearbeitet und viel gespart", sagt der Vater. Jetzt steht Familie Elahmar vor dem Ruin. Denn rund ein Jahr nach dem Brand weigert sich die Versicherung standhaft, einen Großteil des Schadens zu begleichen.

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Hier brennt das Einfamilienhaus in Reinheim

Löscharbeiten am brennenden Dachstuhl eines Hauses in Reinheim
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Es geht um rund eine halbe Million Euro, auf die das Ehepaar bis heute vergebens wartet. Geld, das Angelika und Jawhar Elahmar aber dringend brauchen, um das Haus wieder aufzubauen. "Ich würde am liebsten sofort anfangen, ich kann auch vieles selbst machen, aber ohne das Geld geht nichts", klagt der Mann. Alles, was die Familie angespart hatte, ist in das Haus geflossen.

Vorwurf der groben Fahrlässigkeit

Doch warum zahlt die Versicherung nicht? Die DEVK wirft der Familie grobe Fahrlässigkeit vor, wie der Anwalt der Elahmars, Sebastian Schabbehard, bestätigt. Die Familie habe demnach laut Versicherung Umzugskisten auf und direkt an einem alten Herd im Obergeschoss gelagert, der im Nachhinein als Brandherd ausgemacht wurde. Deswegen zog die Versicherung 60 Prozent der geschätzten Schadenssumme ab, jene rund 500.000 Euro.

Dass bei einer siebenköpfigen Familie zehn Tage nach dem Einzug noch Kisten im Haus stehen, ist nachvollziehbar. Auch in der seit 15 Jahren stillgelegten Küche im Obergeschoss hätten Kisten gestanden, das bestreitet Angelika Elahmar nicht. Allerdings seien die Kisten weder auf noch direkt am Herd gelagert worden. "Was die Versicherung behauptet, stimmt einfach nicht", sagt sie. Auch aus dem Polizeibericht geht die von der DEVK skizzierte grobe Fahrlässigkeit nicht hervor. Woher die Versicherung ihre Informationen über die angeblich fahrlässige Lagerung der Kisten hat, bleibt damit offen.

Dennoch beharrte die DEVK auch nach Einschaltung eines Anwalts auf ihrer Version. Auf eine von Anwalt Schabbehard gesetzte Frist zur Zahlung, die Freitag vergangener Woche abgelaufen ist, reagierte die Versicherung nicht. "Ich interpretiere das so, dass die Versicherung auch weiterhin nicht zahlen möchte", so der Jurist.

Auf Nachfrage des hr sagte eine Sprecherin der DEVK am Montag: "Die Familie hat auch grob fahrlässig gehandelt, weil sie die Sicherung des Herds nicht rausgedreht hat, obwohl dort Kisten gelagert waren." Die Versicherung werde den Fall aber noch einmal abschließend prüfen, so die Sprecherin. Das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen.

Angst vor der Obdachlosigkeit

Von der geschätzten Schadenssumme von rund 840.000 Euro hat die DEVK bislang etwa 130.000 Euro ausgezahlt. Das habe gerade gereicht, um die Abrissarbeiten am Dachgeschoss zu bezahlen, sagt Angelika Elahmar. Etwa 25 Prozent, das entspricht rund 210.000 Euro, wird die Familie mit großer Sicherheit nicht bekommen, denn die Vorbesitzerin des Hauses hatte die Immobilie unterversichert, ein neuer Vertrag wurde noch nicht aufgesetzt. "Das haben wir bereits einkalkuliert", so die 39-Jährige. Bleiben aber die 500.000, die der Familie aus ihrer Sicht zustehen und die von existenzieller Bedeutung sind.

"Wenn die Versicherung nicht zahlt, ist eine Familie mit fünf Kindern zerstört", sagt die sichtlich angefasste Mutter. Sie hat große Angst, bald mit den Kindern auf der Straße zu stehen. Die Doppelbelastung aus Miete – aktuell wohnt die Familie in einer Wohnung im benachbarten Spachbrücken – und Raten für das Haus kann das Ehepaar nicht mehr lange stemmen. Jawhar Elahmar ist Alleinverdiener, er arbeitet als Bademeister. Ihm macht Angst, dass er vermeintlich am kürzeren Hebel sitzt: "Die Versicherung hat Zeit, wir aber nicht."

Die Zeit läuft davon

Denn neben der finanziellen Belastung wird auch die Bausubstanz des Hauses immer schlechter. An vielen Stellen dringt Wasser ein, große Teile des Estrichs sind bereits zerstört, auch die Holztreppen quellen auf und verfaulen. An manchen Wänden hat sich großflächig Schimmel gebildet. "Der Schaden wird von Tag zu Tag größer", sagt der 37-Jährige – und damit auch die Kosten für einen Wiederaufbau. "Wir sind verzweifelt und wissen nicht mehr weiter."

Wie jetzt die nächsten Schritte aussehen, wollen Anwalt Schabbehard und seine Klienten in den kommenden Tagen besprechen. Der Klageweg würde viel Geld und Zeit kosten, aber beides haben die Elahmars nicht. Im Internet hat die Schwester von Frau Elahmar deswegen zu Spenden aufgerufen, um der Familie zu helfen.

Ein Jahr nach dem Brand dringt immer mehr Wasser in den nicht abgebrannten Teil des Hauses. Die Bausubstanz leidet stark.

Die Kinder bekommen von den Sorgen der Eltern wenig mit, sie sind zu klein, um das Ausmaß der Katastrophe zu begreifen. Sie spielen im Garten, pflücken Blumen und genießen das schöne Wetter. Für Angelika und Jawhar Elahmar eine bittersüße Ahnung davon, wie schön das Familienleben in ihrem eigenen Haus hätte sein können. Noch glaubt die Familie an eine Wende zum Guten, doch die Hoffnung schwindet von Tag zu Tag.

Anm. d. Red.: Der Beitrag wurde in einer neueren Version um eine Stellungnahme der Versicherung ergänzt.

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