Total vertrockneter, ausgelaugter Boden

Hitze in Hessen, bis zu 40 Grad. Aber das ist noch gar nichts, wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten. Wir werfen einen Blick auf den Wetter-Bericht in fünfzig Jahren.

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Unser Trinkwasser wird knapp

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Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.

Portrait von Stephan Reich. Daneben steht "Glosse"

Aufatmen in Hessen, die akute Phase der Hitzewelle scheint erst einmal überstanden. Am Vortag (Donnerstag, 21. Juli 2072), zeigte das Thermometer herbstlich-kühle 56 Grad an. Auf der A44 bei Kassel, die sich zeitweise in einen reißenden Asphaltstrom verwandelt hatte, fuhren schon wieder erste Autos, Vögel fielen nicht mehr brennend vom Himmel und auch die Menschen sahen größtenteils nicht mehr aus wie Dörrpflaumen. Das Gröbste scheint überstanden.

Die Erleichterung darüber, dass das Hochdruckgebiet "Darth Vader" endlich an Hessen vorübergezogen ist, war den Leuten anzumerken. "Ich habe viel Zeit zuhause verbracht, mich vor den Backofen gesetzt um abzukühlen, das war schon ok", sagt eine Passantin in der Frankfurter Innenstadt. "Dass meine Haut keine Blasen mehr wirft, wenn ich rausgehe, ist natürlich toll."

Warnstufe "Hysterisches Lachen"

Ähnlich sah es ein Bauarbeiter aus Offenbach. "Ich verbringe berufsbedingt viel Zeit im Freien, gerade bauen wir ein neues Kohlekraftwerk. Zeitweise hat das Blut in meinem Gehirn gekocht. Das hat sich eigenartig angefühlt, aber ich denke nicht, dass ich urgxpllkrks Banane uergs ggnnnsssffff wuff wuff, grlkflpt. Entschuldigung, ich glaube, ich gehe nochmal in den Schatten."

Auch auf administrativer Ebene deutet sich Entspannung an. So sank auch die Waldbrandgefahr in Hessen, die Warnstufe wurde von "Hysterisches Lachen" auf "Hysterisches Weinen" und im Laufe des Tages sogar auf "Komm, egal, wir werden eh alle sterben" runtergesetzt. Ein Trend, den auch die Online-Wetterkarten wiedergeben, die seit dem Morgen nicht mehr wie eine Szene aus Dantes Inferno aussehen. Gute Nachrichten für das Hessische Braunflächenamt. "Wir haben im Taunus noch vier Fichten, drei Buchen und eine Eiche. Dass es nun kühler wird, ist toll, wir hoffen, den letzten hessischen Wald so noch ein paar Tage erhalten zu können. Vielleicht bis Dienstag. Oder Mittwoch."

Landesweit acht Regentropfen

Auch andernorts gab es gute Nachrichten. So haben die Städte Frankfurt, Offenbach, Marburg, Fulda und Willingen (a. d. Nordsee) das seit 2022 geltende Grillverbot in öffentlichen Parks nach 50 Jahren endlich aufgehoben. "Jetzt, da man seine Bratwurst einfach grillen kann, indem man sie eine Weile in die Sonne legt, benutzt eh niemand mehr Kohlegrills. Wir sehen keinen Grund mehr für ein Verbot", hieß es seitens der Apokalypse-Beauftragten der Kommunen.

Die Hoffnung in Deutschlands schönstem Wasteland ist groß, dass sich sogar ein Wetterumschwung andeutet. Das Wetteramt zählte am Donnerstag landesweit acht Regentropfen, vier in Frankfurt, zwei in Bad Wildungen und je einen in Sontra und Homberg am Ex-Flüsschen Efze. "Einen solchen Guss hat es hier seit Jahren nicht mehr gegeben", jubilierten die Beamten. "Wir würden uns sofort eine Regenradar-App runterladen, wenn es so etwas wie Regen noch gäbe."

"Fische? Was ist das?"

Die ungewöhnlich hohe Niederschlagsmenge hatte auch positive Effekte auf die hessischen Gewässer. So hat der Main mittlerweile seinen normalen Wasserstand von 2,4 Zentimetern wiedererlangt. Was das für die Lebewesen im Wasser bedeutet, die wegen der hohen Wassertemperaturen zu verenden drohten, wollte man seitens des Wetteramts auf Nachfrage aber nicht bewerten. "Fische? Was ist das?"

Andernorts hat die Hitze merkliche Spuren hinterlassen. So war die Herkulesstatue, Kassels Wahrzeichen, nicht mehr zu retten. "Kupfer hat leider einen relativ geringen Schmelzpunkt von 1084,62 °C. Der Herkules ist aktuell eine grün-braune Pfütze unten am Fuße der ehemaligen Wasserspiele", hieß es seitens des Kasseler Amts für Stadtplanung, Straßenbau, Schattige Plätzchen, Schwimmbadpommes und Spiegeleier-auf-Motorhauben-Braten. "Aber sobald es noch ein wenig kälter wird, machen wir uns an die Restaurierung."

Zustände wie in Hessens Partnerregion Mordor

Ein Problem könnte dabei der Fachkräftemangel werden. Da die Schulen seit 50 Jahren wegen Hitzefrei geschlossen haben, kommen kaum noch geeignete Arbeitskräfte nach. Quereinsteiger wollen sich auf der Baustelle ungern anlernen lassen, auch weil ständig Geier über jedem kreisten, der länger als zwei Minuten im Freien verbringt.

Unglücklich mit dem Rekordsommer sind auch Hessens Landwirte. "Wir kennen diese Temperaturen aus dem Vorsommer. Und dem Sommer davor. Und dem davor. Und dem davor auch", beklagt sich der Hessische Bauernverband. "Aber dass es tagelang Lava regnet, sich plötzlich der Himmel teilt und die vier Apokalyptischen Reiter zur Erde niederreiten, das ist neu. Wir glauben, dass das negative Effekte auf die diesjährige Acrylamid-Ernte haben könnte." Gehe das so weiter, sähe es auf hiesigen Feldern bald aus wie in Hessens Partnerregion Mordor.

"Der Kohleausstieg 3074 steht"

Beim Bundesministerium für Klima, Umweltschutz, Beschwichtigungen und faule Ausreden will man von so viel Schwarzmalerei freilich nichts wissen. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Extremwetterphänomene auch wieder abnehmen, sobald wir die Energiewende hinbekommen haben. Der Kohleausstieg 3074 steht, dann sind wir klimaneutral", so der Klimakollaps-Dezernent der Postapokalyptischen Bundesrepublik Deutschland, der im engen Austausch mit den Behörden der sieben verbliebenen Bundesländer steht.

An den Empfehlungen für besonders heiße Tage ändere sich aber erst einmal nichts, weiter heiße es: Sonnenmilch ab Lichtschutzfaktor Backstein benutzen. Versuchen, nicht zu verbrennen. Viel trinken, wenn man tatsächlich noch irgendwo Trinkwasser findet. Und die heißen Stunden des Tages am besten in den unterirdischen Katakomben verbringen, in denen wir bald alle leben müssen, weil die Erde eine Art Do-it-yourself-Mars geworden ist. "Dann sind wir für die nächste Hitzewelle ganz gut gerüstet."

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