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Bürgerinitiative in Schlitz wehrt sich gegen weitere Windräder

Rote Positionslichter leuchten an Windrädern in einem Windenergiepark (dpa)

Windräder müssen sein, dachten sie in Schlitz angesichts von Atomausstieg und Energiewende. Gegen den Windpark gab es daher keine Einwände - doch nun sollen weitere Anlagen folgen. Eine Bürgerinitiative fürchtet eine Umzingelung einiger Ortsteile und wehrt sich.

In Schlitz (Vogelsberg) ist der Unmut groß über den geplanten Ausbau der Windenergie. Denn ihren Beitrag zur Energiewende glaubten sie mit dem Bau eines Windparks bereits geleistet zu haben. Doch nun gibt es Pläne für weitere Windkraftanlagen.

Am Lochberg, zwischen den Ortsteilen Queck und Rimbach, sollen zwei neue Windräder aufgestellt werden. Das klingt nach nicht viel, doch die Schlitzer befürchten drastische Auswirkungen: Einige Dörfer im unteren Fuldagrund wie etwa Queck und Rimbach wären dann von lauter Windrädern regelrecht umzingelt, so die Sorge.

"Das ist für die Bevölkerung nicht zumutbar", kritisiert Hans Kraft. Er ist Ortsvorsteher in Queck und Vorsitzender der Bürgerinitiative Unterer Fuldagrund, die sich im Juli 2021 gründete und gegen den Ausbau richtet. Rund 300 Mitglieder zählt sie inzwischen.

Windpark ohne Proteste

Die Bürgerinitiative richtet sich nicht generell gegen Windkraft, wie Kraft betont. Denn bereits im Jahr 2015 wurde der Weg freigemacht für den Windpark Berngerode. "Alles ohne Bürgerproteste", betont Kraft. Nach dem von der Bundesregierung verkündeten Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2011 sei allen klar gewesen: "Jeder muss seinen Beitrag mit regenerativen Energien leisten."

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Windenergie in Hessen

Windkraft soll nur eine begrenzte Fläche in Hessen einnehmen. Zwei Prozent der Landesfläche sollen Vorrang für Windenergie haben, wie das hessische Wirtschaftsministerium mitteilt. Wo genau - das weisen die drei Regierungsbezirke in ihren jeweiligen Regionalplänen aus. Informationen zum Plan für Mittelhessen, der für den Vogelsberg gilt, gibt es hier. Eine besondere Eignung von Gebieten für Windenergie geht aus Windpotenzialkarten hervor.

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Im Windpark sind danach 12 Anlagen entstanden. In der Nachbargemeinde Breitenbach und im näheren Umfeld kamen noch weitere hinzu. So komme man aktuell auf 19 in der Region, berichtet Kraft. Zu bedenken sei auch: Schlitz habe bereits vier Prozent seiner Fläche der Windenergie gewidmet - und damit doppelt so viel wie landesweit gefordert. Mit weiteren Anlagen gegenüber am mehr als 300 Meter hoch gelegenen Lochberg seien die Ortslagen Queck und Rimbach dann so gut wie umzingelt.

"Einschränkung der Lebensqualität"

Die Windräder beeinflussen die Umwelt, etwa durch Schattenwurf und Lärm-Emissionen, sagt Kraft angesichts der mehr als 200 Meter hohen Anlagen. Im Vogelsberg sprechen sie mit Blick auf die gewaltig hohen, aus dem Erdboden ragenden Windräder auch von "Verspargelung". Der frühere Landrat Rudolf Marx hat diesen Begriff geprägt.

Doch egal, wie man es auch nennt: Die Anlagen sind nicht zu übersehen und bringen laut Kraft Begleiterscheinungen mit sich. "Das ist eine Einschränkung der Lebensqualität. Die Dinger erschlagen einen von der Optik her." Kraft fürchtet, dass bei solch einem Landschaftsbild niemand mehr in das Gebiet ziehen möchte. Sogar zu einer Überalterung der Bevölkerung und einem Zerfall der Dörfer könne es in der Konsequenz kommen, glaubt der Ortsvorsteher.

Suche nach Kompromiss gescheitert

Trotz der ausgeprägten Abneigung gegen weitere Windräder habe die Bürgerinitaitive versucht, konstruktiv nach Lösungen und Kompromissen zu suchen, erklärt Kraft. Doch eine Einigung mit den Behörden blieb aus. Der Vorschlag, die beiden Anlagen in den bestehenden Windpark zu integrieren, sei abgelehnt worden.

Um ein Zeichen zu setzen, haben die Mitglieder der Bürgerinitiative vor kurzem 700 Unterschriften von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern dem Gießener Regierungspräsidenten Christoph Ullrich (CDU) übergeben. Doch die Aktion verpuffte weitgehend, wie Kraft resümiert. "Es gab längere Diskussionen bei der Übergabe, aber sehr wenig Verständnis."

Klage vor VGH Kassel

Um den Ausbau der Windenergie abzuwenden, klagt die Stadt Schlitz beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel. In einem sogenannten Normenkontrollverfahren soll geprüft werden, ob die Pläne so zulässig sind und das Verfahren einwandfrei läuft. "Wir sind überzeugt, dass wir gute Chancen in dem Rechtsstreit haben", sagt Kraft.

Die Bürgerinitiative hofft, dass ihnen womöglich auch Rotmilan und Schwarzstorch helfen könnten. Exemplare beider Vogel-Arten wurden schon in der Gegend entdeckt. Und aus Vogelschutz- und Umweltgründen sollte man dort keine Windkraftanlagen bauen, findet Kraft.

Ungeachtet dessen hält das RP Gießen an den Ausbauplänen fest. Es sei zu erwarten, dass die Anträge zur Genehmigung in den nächsten Monaten vorlägen, wie ein RP-Sprecher in Gießen auf Anfrage mitteilte.

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Klagen gegen Windenergie

Mit dem Ausbau der Windenergie kommt es auch immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen. 138 Anlagen sind derzeit beklagt, wie Hessens Wirtschaftsministerium in Wiesbaden auf Anfrage mitteilte. 267 Anlagen befinden sich im Genehmigungsverfahren und 58 stehen vor der Inbetriebnahme. 1.142 Anlage sind derzeit hessenweit in Betrieb. Das Bundesland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 den Energieverbrauch aus erneuerbaren Energie, wie zum Beispiel Windkraft, zu decken.

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