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Immer mehr Störche in Hessen

Störche im Nest

Die Zahl der Störche in Hessen nimmt immer weiter zu. Laut Naturschutzbund gab es im vergangenen Jahr bereits mehr als 1.000 Brutpaare. Die meisten siedeln sich im Hessischen Ried an. Einen Grund dafür würde man nicht so schnell vermuten.

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Mehr Weißstörche in Hessen 

hs
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Wer im Frühjahr oder Sommer bei schönem Wetter im Hessischen Ried unterwegs ist, dem kann die schwarz-weiße Flugshow am Himmel kaum entgehen. Schwärme von Störchen kreisen dann in der Thermik, auf Dächern und Masten sieht man die großen Nester. Die Gegend um Biebesheim (Groß-Gerau) ist Hessens Hotspot für Störche.

Vierstellige Zahl an Brutpaaren

Seit Jahren steigt die Zahl der Weißstörche landesweit kontinuierlich an. Die jetzt veröffentlichte Storchenbilanz 2021 des Naturschutzbundes NABU Hessen weist 1.011 Brutpaare aus, 179 mehr als im Jahr zuvor. Damit ist die Zahl nun erstmals vierstellig, Tendenz weiter steigend.

Grafik: Anstieg der Brutpaarzahl von Weißstörchen in Hessen über die Jahre

Die allermeisten Brutpaare wurden mit 335 erneut im Kreis Groß-Gerau gezählt, gegenüber 284 im Vorjahr. Im Wetteraukreis waren es 171, im Main-Kinzig-Kreis 89, in den südhessischen Landkreisen Darmstadt-Dieburg und Bergstraße 73 beziehungsweise 72.

Party an der Deponie

Was aber zieht die Störche nach Südhessen? Ist es die unberührte Natur? "Nicht ganz", erklärt Bernd Petri, Storchexperte des NABU. "Ein wesentlicher Grund sind die Mülldeponie bei Büttelborn und eine Kompostierungsanlage bei Biebesheim."

Durch die Anlagen sei der Tisch für die geselligen Vögel reich gedeckt. Nicht nur brütende Paare, auch viele alleinstehende Jungstörche fänden sich hier gerne ein. "Das sind richtige Storchenpartys, die da stattfinden", so Petri.

Schutzgebiete unterstützen Vermehrung

Natürlich tragen auch die Altneckarschlingen mit Ackerlandschaft und geschützten Auen dazu bei, dass sich die Störche in der Gegend besonders wohl fühlen. In der Wetterau hat die Einrichtung von Schutzgebieten ebenfalls für einen Anstieg der Bestände gesorgt. Als weitere "Keimzellen" für die Vermehrung nennt Petri die Kinzigauen, etwa bei Langenselbold, und das Amöneburger Becken bei Marburg.

Grafik mit Zahl der Brutpaare von Weißstörchen in ausgewählten Landkreisen

Die explosionsartige Vermehrung der vergangenen Jahre hat viele überrascht. Noch in den 1980er Jahren gab es bei uns fast gar keine Weißstörche mehr. "Kaum jemand hätte Ende des vergangenen Jahrhunderts daran geglaubt, dass Hessen wieder zum Storchenland wird", heißt es vom NABU.

Spanische Reisfelder als Ursprung

Laut Petri nahm die Wende in Spanien ihren Anfang. Dort seien durch das Anlegen großer Reisfelder die Populationen stark angestiegen, die sich dann in Richtung Nordwesten über Frankreich bis nach Hessen ausbreiteten.

Durch Schutzprojekte hätten sich die Bestände bei uns sehr gut erholt. 2006 zählte der NABU in Hessen 118 Brutpaare. Die Steigerungsrate von Jahr zu Jahr ist seither fast immer zweistellig, zuletzt lag sie bei knapp 22 Prozent.

"Blutigste Auseinandersetzungen"

Mit der zunehmenden Zahl an Störchen wächst allerdings auch der Konkurrenzdruck. In einigen Brutgebieten werden schon heftige Kämpfe um die Reviere beobachtet. "Nehmen wir den Raum Groß-Gerau, da sterben Störche bei blutigsten Auseinandersetzungen", berichtet Petri. Derzeit wanderten Weißstörche sogar in Mittelgebirgslagen ein, für Störche eher ungewöhnlich.

Noch sind die Bestände nicht überall in Hessen stabil, trotz des Anstiegs. In Ost- und Nordhessen kommt es laut NABU derzeit zu Neuansiedelungen. Auch hier werde die Ausbreitung durch Schutzmaßnahmen unterstützt. Etwa 300 Störche überwintern laut NABU derzeit sogar in Hessen. Viele von ihnen kämen aus nördlicheren Regionen und blieben auf ihrem Weg in den Süden einfach hier.

Ende der Party in Sicht

An ein endloses Wachstum der Bestände glaubt Petri nicht. Dem seien schon durch die Konkurrenz um die Nester natürliche Grenzen gesetzt. Mit dem Verlust von Feuchtgrünland verschwinde außerdem der Lebensraum des Weißstorchs und der vieler anderer Tier- und Pflanzenarten.

"Die Wende kommt in zwei bis drei Jahren", prognostiziert der Vogelkundler. Zumal gemäß einer EU-Vorschrift auch Biomülldeponien künftig eingehaust werden müssten. Für die Tiere fiele dann eine wichtige Nahrungsquelle weg. "Dann wird eine Zunahme der Bestände nicht mehr stattfinden", ist sich Petri sicher.

Schwarzstorch in Hessen selten

Neben dem Weißstorch ist übrigens auch der Schwarzstorch in Hessen heimisch. Klaus Hillerich, der seit Langem für den NABU Störche beringt und zählt, weiß, dass es in den 1980er Jahren noch mehr Schwarz- als Weißstörche bei uns gab. Heute ist das anders. In Hessen gilt der Schwarzstorch als gefährdet. Experten gehen von etwa 50 Brutpaaren pro Jahr aus.

Anders als der Weißstorch bevorzugt der Schwarzstorch Wälder mit Fließgewässern wie Bächen. Zu finden ist er laut Hillerich am ehesten im Vogelsberg, im Taunus und im Odenwald. Um den scheuen Gesellen zu Gesicht zu bekommen, muss man aber schon sehr viel Glück haben. "Er ist ein extrem seltener Vogel."

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