Beim Landesverband der Steuergewerkschaft soll es über Jahre hinweg zu fragwürdigen Abrechnungen gekommen sein. Dabei geht es um Reisekosten des Vorsitzenden und einen Geburtstagsempfang für 10.000 Euro.

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Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Steuergewerkschaft

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Für Finanzbeamte gehört die Kontrolle von Reisekosten zum täglichen Handwerkszeug. Ausgerechtet in der Führung der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) Hessen könnte es bei solchen Abrechnungen über Jahre zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Inzwischen schauen sich die Frankfurter Polizei und Staatsanwaltschaft die Abrechnungspraxis bei der DSTG Hessen genau an.

Grund ist eine Strafanzeige vom September 2020. Nach hr-Informationen hat ein ehemaliges Mitglied der Landesleitung den Ermittlern interne Dokumente zusammengestellt, die für die Jahre 2016 bis 2019 finanzielle Unregelmäßigkeiten belegen sollen. Die Ermittlungen sorgen in der Gewerkschaft für Turbulenzen. Fünf Mitglieder der Landesleitung der DSTG Hessen haben inzwischen ihren Rücktritt erklärt.

Sprunghaft gestiegene Reisekosten

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht Michael Volz, seit 2009 Vorsitzender der DSTG Hessen. Er ist außerdem stellvertretender DSTG-Bundesvorsitzender und gewähltes Mitglied von Personalräten in der hessischen Finanzverwaltung. Und er sitzt im Rundfunkrat des hr, dem Kontrollgremium des Hessischen Rundfunks. Zuerst berichtete die Frankfurter Rundschau über den Fall.

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Steuergewerkschaft Hessen

Die Steuergewerkschaft ist Teil des Deutschen Beamtenbundes und für die Interessenvertretung der Finanzverwaltung zuständig. Sie hat in Hessen 7.000 Mitglieder in der Finanzverwaltung.

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Unterlagen zufolge, die dem hr vorliegen, haben sich die Reisekosten des Landesverbands seit Volz' Wahl mehr als verdoppelt. Lagen die Gesamtkosten 2009 bei rund 10.000 Euro im Jahr, stiegen sie auf bis zu 25.000 Euro im Jahr 2018. Selbst im Jahr 2020, als pandemiebedingt nur eingeschränkt Treffen und Termine in Präsenz möglich waren, beliefen sich die Fahrtkosten auf rund 23.000 Euro. Eine interne Berechnung aus dem Jahr 2011 zeigt, dass knapp 90 Prozent der Fahrtkosten der DSTG Hessen auf Volz zurückgehen.

Sonderregelung bei Fahrtkosten

Der Anstieg der Fahrtkosten ist auch darauf zurückzuführen, dass Volz als einziges Mitglied der Landesleitung pro gefahrenem Kilometer 45 Cent statt der sonst üblichen 30 Cent bekommt. Diese Sonderregelung geht zurück auf einen Beschluss der Landesleitung vom August 2011, der dem hr vorliegt.

Darin heißt es, "dass der Reisekostenanspruch des Vorsitzenden von derzeit 0,3 Euro auf 0,45 Euro angehoben wird, um so zumindest annähernd den, im Vergleich zu allen anderen Landesleitungsmitgliedern, sehr hohen Fahraufwand (Vorsitzende über 88 Prozent aller Fahrten) zu kompensieren". Der damalige Beschluss gilt noch immer. Insider gehen davon aus, dass sich an der Aufteilung der Fahrtkosten bis heute nichts geändert hat.

Verbandsleitung sieht Kräfte von außen wirken

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Turbulenzen bei Steuergewerkschaft Hessen nehmen zu

Außenaufnahme eines großen historischen Gebäudes.
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Auf konkrete Fragen des hr zur Abrechnungspraxis geht die geschrumpfte DSTG-Landesleitung wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht ein. Sie legt Wert auf die Feststellung: "Sämtliche wichtigen Entscheidungen, also auch Auftragsvergaben und Personalentscheidungen, werden in der DSTG Hessen gemäß der Satzung durch die zuständigen Gremien als Kollegialorgane getroffen." Das soll wohl heißen: Weder Volz noch sonst jemand konnte Entscheidungen allein treffen.

Die Turbulenzen in der Gewerkschaft erklärt die Führung damit, "dass seit einigen Jahren immer wieder Kräfte von außen versuchen, schädigend auf die DSTG Hessen einzuwirken". Wer hinter diesen Angriffen steckt, erklärt die Gewerkschaftsspitze auch auf Nachfrage nicht.

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Frankfurter Ortsverbände auf Distanz

Die Frankfurter DSTG-Ortsverbände weisen in einer Reaktion auf die Berichterstattung darauf hin, dass sie "bereits seit mehreren Jahren stetig kritische Fragen gestellt und versucht haben, mehr Transparenz und Kontrolle zu ermöglichen". Unterstützung durch andere Ortsverbände hätten sie jedoch nicht erhalten. "Nichtsdestotrotz sind wir davon überzeugt, dass die aktuellen Vorwürfe - sofern sie sich bewahrheiten sollten - nicht den gesamten DSTG-Landesverband Hessen widerspiegeln", heißt es in einem Schreiben. Unter den nun zurückgetretenen Vorstandsmitgliedern seien auch Personen, die sich einer transparenteren Kassenführung bisher widersetzt hätten.

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Teure Feier zum 50. Geburtstag des Chefs

Fragen wirft auch ein Gewerkschaftsempfang auf, den die DSTG Hessen 2019 zu Ehren des 50. Geburtstags von Volz im Restaurant Brathähnchen-Farm in Steinau an der Straße (Main-Kinzig) gegeben hat. Die Verköstigung der Teilnehmer kostete die Gewerkschaft rund 9.400 Euro, hinzu kamen Kosten für einen Film über die Feier in Höhe von 500 Euro.

Darin wird das Wirken von Volz als Gewerkschaftsvorsitzender gewürdigt. Der Film zeigt Volz als einen in Politik und Öffentlichkeit geschätzten Gesprächspartner. Finanzpolitiker fast aller im Landtag vertretenen Parteien kommen darin mit ihren Grußworten vor.

Verbandsintern kam schon bald die Frage auf, worin der Nutzen der Feier und des Films für die Gewerkschaft liege. Auffällig ist, dass Volz im Zusammenhang mit der Rechnung der Brathähnchen-Farm handschriftlich vermerkt hat, die 9.400 Euro unter "Streik- und Aktionskosten" zu verbuchen.

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