Maschinen der Lufthansa stehen auf einem Rollfeld des Frankfurter Flughafens (dpa)

Nach dem Ausschluss einer jüdischen Reisegruppe von einem Flug hat Lufthansa-Chef Spohr um Entschuldigung gebeten. Betroffene Passagiere wollen das aber nicht annehmen. Auch auf Twitter hagelt es Kritik.

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Streit nach Ausschluss jüdischer Lufthansa-Fluggäste

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Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat sich am Mittwochabend bei der Jüdischen Gemeinde in Berlin entschuldigt, nachdem in der vergangenen Woche am Frankfurter Flughafen 127 jüdische Passagiere von Mitarbeitern der Airline an der Weiterreise nach Budapest gehindert worden waren. Am Donnerstag telefonierte er außerdem nach Informationen des Spiegel mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Spohr bat bei dieser Gelegenheit auch persönlich um Entschuldigung, wie Lufthansa bestätigte. Sonst machte die Fluggesellschaft keine Angaben zu Inhalten des Gesprächs. Zuvor hatte sich die Lufthansa in einer Stellungnahme für den Vorfall entschuldigt.

Einige jüdische Passagiere hatten auf einem Flug von New York nach Frankfurt nach Angaben der Airline keine Maske aufsetzen wollen. Am Ende durfte niemand weiterreisen, der beispielsweise durch Hut und Schläfenlocken als Jude zu erkennen war. Viele der Betroffenen gehörten zu einer Gruppe orthodoxer Juden, die mit der Lufthansa weiter zu einer Gedenkveranstaltung in die ungarische Hauptstadt reisen wollte.

Auch die Bundespolizei war hinzugezogen worden, ergriff aber nach eigenen Angaben keine Maßnahmen, außer Präsenz zu zeigen. Man habe die Situation als "ruhig" empfunden, sagte ein Sprecher. Aus Sicherheitskreisen hieß es zuvor, Lufthansa-Mitarbeiter hätten den Unmut von Passagieren befürchtet. Die Beamten ermittelten den Angaben zufolge an dem Gate nicht mehr, wer eigentlich gegen die Masken-Regel verstoßen hatte, da Lufthansa keine Zuordnung machen konnte, wer von den Passagieren sich an Bord der LH 401 aus New York befand.

Jüdische Fluggäste wollen Entschuldigung nicht annehmen

Einer der jüdischen Fluggäste sagte dem hr, er wolle die Entschuldigung nicht annehmen, sie sei nur auf Druck von außen entstanden. Er habe immer seine Maske getragen, sei dann aber mit anderen Passagieren in einen Topf geworfen worden. Statt einzelne Maskenverweigerer am Weiterflug zu hindern, werde er verantwortlich gemacht für Dinge, die andere falsch gemacht hätten. "Ich durfte nicht ins Flugzeug, weil ich jüdisch bin", sagte der Mann, der anonym bleiben möchte.

Er sei erst sieben Stunden später in Ungarn eingetroffen, nachdem er von Frankfurt aus eine andere Fluggesellschaft finden musste, um überhaupt noch nach Budapest zu kommen. Auch ein anderer Fluggast sagte dem hr, er werde die Entschuldigung nicht annehmen. Für ihn stehe Antisemitismus dahinter, er werde künftig nicht mehr mit der Lufthansa fliegen.

1.000 Kommentare unter Lufthansa-Tweet

Die Lufthansa bemüht sich derweil weiter um Schadensbegrenzung: "Antisemitismus hat bei Lufthansa keinen Platz", sagte Spohr, das Vorgehen müsse lückenlos aufgeklärt werden.

Schon am späten Dienstagnachmittag hatte die Airline auf Twitter mit einer kurzen Stellungnahme versucht, den Schaden noch zu begrenzen. Die Airline "bedauert die Umstände bezüglich der Entscheidung, die betroffenen Passagiere vom Flug auszuschließen". Die Empörung im Netz fachte die Lufthansa damit allerdings eher an.

Lufthansa bedauert die Umstände der Entscheidung, Passagiere vom Flug LH 1334 am 4. Mai auszuschließen. Lufthansa entschuldigt sich ausdrücklich bei den Gästen. Dazu unser Statement:

[zum Tweet mit Bild]

Unter dem englischsprachigen Tweet der Lufthansa sammelten sich bis Mittwochvormittag über 1.000 Kommentare. Nutzerinnen und Nutzer kritisieren, dass die Lufthansa in ihrer Entschuldigung nicht benennt, dass es sich um jüdische Passagiere handelte, stattdessen schreibt sie von einer "großen Gruppe" - obwohl die jüdischen Passagiere wohl gar nicht als geschlossene Gruppe reisten. Das Wort Jude fällt in dem Statement nicht, es ist lediglich allgemein von "null Toleranz" für Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus die Rede.

Es brauche eine Entschuldigung für diese Entschuldigung, die Stellungnahme mache es noch schlimmer, kritisierte ein Nutzer. Einer fragte zynisch, wer denn nun aussortiert wurde - Fußballfans? Andere "verbesserten" das kurze Statement, in dem sie über jedes "Passagiere" ein "Jude" schrieben und über das Wort "Umstände" Antisemitismus.

Lufthansa: "Hi there ..."

Eine Nutzer fragte, was denn nun entschuldigt werde, die "Umstände" oder die Entscheidung? Die Lufthansa beantwortete die Frage, indem sie einfach noch einmal ihr Statement unter die Frage postete und lediglich ein "Hello" davor setzte.

Auch sonst scheint das Unternehmen auf Twitter die Stimmung nicht ganz verstanden zu haben. Auf die Frage, ob es auch Flüge nach Nürnberg gebe - eine offensichtliche Anspielung auf Nürnberg als Stadt der sogenannten Rassengesetze, NS-Parteitage und der Prozesse gegen NS-Kriegsverbrecher - antwortet die Lufthansa nur mit "Hi there" und einem Link zu allen verfügbaren Verbindungen der Lufthansa.

Die Lufthansa kündigte in ihrer Stellungnahme vom Dienstag an, sich direkt an die betroffenen Passagiere wenden zu wollen: "Wir werden mit den betroffenen Fluggästen in Kontakt treten, um uns zu entschuldigen und offen zu diskutieren, wie wir unsere Abläufe in solchen Situationen verbessern können", hieß es vom Unternehmen. "Die Ereignisse stehen nicht im Einklang mit unseren Werten."

Antisemitismusbeauftragter ermahnt Airline

Der hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker (CDU) hatte kurz nach der Veröffentlichung der Lufthansa-Stellungnahme am Dienstag eine weitere, klare Entschuldigung der Airline gefordert.

"Auch die Unternehmensspitze persönlich" solle sich für diesen Vorfall entschuldigen und klar und unmissverständlich Stellung beziehen, sagte Becker laut Mitteilung und stellte sich für Gespräche zur Verfügung. Es müsse deutlich zum Ausdruck kommen, wie sich der Vorfall ganz konkret abgespielt habe und "wie einem derartigen Fehlverhalten seitens des Unternehmens künftig vorgebeugt" werden könne. Einen Tag später besuchte Lufthansa-Chef Spohr die Jüdische Gemeinde in Berlin.

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