Wein aus der Rhön von Hessens höchstem Weinberg

Weinanbau in der Rhön - das ist ungewöhnlich. Ein Hobby-Winzer beweist in Hilders aber, dass es funktioniert. Den kleinen Betrieb und seine Ernte-Resultate haben auch Forscher im Auge. Denn wie sich der Weinanbau im Klimawandel entwickelt, ist ein großes Zukunftsthema für die Branche.

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Wein von Hessens höchstgelegenem Weinberg in der Rhön

Wein aus der Rhön von Hessens höchstem Weinberg
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Wein aus dem Rheingau? Natürlich, beliebt und bekannt! Auch die Hessische Bergstraße ist - in geringerem Umfang - vielen einen Begriff. Aber die Rhön? Nein, das Mittelgebirge ist alles andere als eine typische und auf den ersten Blick vielversprechende Anbauregion.

Landwirt und Hobby-Winzer Stefan Müller war das egal. Der 44-Jährige hat sich einen Traum erfüllt und bewirtschaftet in Hilders-Simmershausen (Fulda) einen kleinen Betrieb, der besonders ökologisch und umweltfreundlich ausgelegt ist. Zudem hat er einen Superlativ zu bieten: Hessens höchstgelegener Weinberg - auf 500 Metern über dem Meeresspiegel.

Früher Bauernhof, heute Weinanbau

Wer dorthin möchte, muss in die tiefste Rhön fahren. Nicht weit von der Landesgrenze nach Thüringen entfernt hat Müller in malerischer Umgebung sein Weingut aufgebaut. An der Heckenmühle, wo früher seine Schwiegereltern einen Bauernhof hatten und es nun Ferienwohnungen gibt, hat er mit viel Handarbeit mittlerweile rund 3.500 Rebstöcke gesetzt. Sie verteilen sich auf verschiedenen Hängen von insgesamt 1,1 Hektar.

Damit ist Müllers Betrieb natürlich winzig im Vergleich zu den Platzhirschen der Branche im Rheingau. Dort nehmen zum Beispiel die Hessischen Staatsweingüter rund 250 Hektar Fläche ein. Doch konkurrieren will und kann er mit den anderen Winzern in Hessen natürlich nicht. Müller, passionierter Weintrinker, wollte eigentlich nur sehen, ob aus seiner Vision Wirklichkeit werden kann.

"Bin anfangs belächelt worden"

2015 hat er begonnen, aus der Schnapsidee ein ernstes Projekt zu entwickeln. "Ich bin anfangs natürlich belächelt worden. Bei Telefonaten mit Behörden und Experten hat man das Schmunzeln am anderen Ende der Leitung förmlich gehört." Doch Müller hat sich mit viel Enthusiasmus ins Thema reingearbeitet. "Aber irgendwann reichten Fachliteratur und Youtube-Videos nicht mehr aus. Weinanbau ist ja schließlich eine Wissenschaft für sich und man kann's studieren."

Wein aus der Rhön von Hessens höchstem Weinberg

Also hat sich Müller Expertise gesucht. In der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim bei Würzburg arbeitet er seit längerem als Aushilfe mit und macht nebenher eine Ausbildung. Im nächsten Jahr will er sie mit einer Gesellenprüfung abschließen.

Unbekanntere Rebsorten angebaut

Aber bereits jetzt hat Müller schon erste Weine nach behördlicher Erlaubnis produziert. Er hält sich vor allem an weniger bekannte Rebsorten: Solaris, Souvignier Gris, Helios, Muscaris und Calardis Musque zum Beispiel. Dabei handelt es sich um besonders pilzwiderstandsfähige Sorten, die zudem für die Witterungsbedingungen der Rhön prädestiniert sind.

Als Müller begann, sich mit dem Thema zu beschäftigen, merkte er: Die klimatischen Bedingungen sind in seiner Region im Vergleich zum benachbarten Unterfranken auch nicht so gewaltig. "Im Zuge des Klimawandels ist es auch hier in der Rhön in den vergangenen zehn Jahren immer wärmer geworden."

Neben den nicht so populären Rebsorten hat Müller auch 350 Stöcke Silvaner angebaut. Das ist die Hauptrebsorte in Franken. Sie gilt als Pendant zum Riesling aus dem Rheingau. Zusammen mit den bayerischen Experten der Landesanstalt will Müller erforschen, wie sich Silvaner in höheren Lagen wie der Rhön entwickelt.

Untersuchungen zum Weinanbau in Höhenlagen

Müllers Weinberge sind auch Untersuchungsgegenstand eines Projekts der Hochschule Geisenheim (Rheingau-Taunus). Zusammen mit Fachleuten aus dem "Cambridge für Weinanbau", wie es Müller nennt, soll geschaut werden, wie sich der Anbau einiger Rebsorten auf 500 Metern Höhe auf Wachstum der Pflanzen und Geschmack des Weines auswirke.

Der Rheingauer Weinbaupräsident Peter Seyffardt sagt: "Der Weinbau geht in die Höhe." Inzwischen gewinnen Weinlagen an Bedeutung, die höher liegen oder an der Grenze zu einem Wald sind. Solche Flächen galten früher als eher zwei- oder drittklassig, weil die Trauben dort nur schlecht reiften. Nun seien die Stücke dagegen attraktiv. Dort sei es tendenziell kühler, und die Trauben könnten später geerntet werden.

Rotwein-Sorten klimabedingt nun auch in Deutschland

Mit den höheren Durchschnittstemperaturen können inzwischen Rebsorten in Deutschland angepflanzt werden, die viele nur aus dem Urlaub im Süden kennen, etwa die roten Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah, wie der Präsident der Hochschule Geisenheim, Hans Reiner Schultz, erklärt.

Hochschul-Kollege Manfred Stoll hat sich schon mit dem Rhöner Projekt von Hobby-Winzer Stefan Müller befasst. Weinbau-Professor Stoll beurteilt: "Das ist ein ungewöhnliches Projekt und eine große Herausforderung. Damit wird eine interessante Nische besetzt. Der Wein wird sicher seine Liebhaber und Abnehmer finden und lässt sich bestimmt vermarkten."

Wein aus der Rhön von Hessens höchstem Weinberg

Aktuell produziert Müller gerade einmal etwa 500 Liter pro Jahr. Seine nach und nach gesetzten Rebstöcke müssen entsprechend ihrer verschiedenen Entwicklungsstadien schließlich noch wachsen und gedeihen. In vier bis fünf Jahren will er dann auf einen Ertrag von 5.000 bis 6.000 Liter kommen.

Spätfrost-Risiko könnte der Ernte schaden

Doch der Anbau in den Höhenlagen der Rhön ist auch riskant. "Neben strammem Winterfrost gibt es auch die Gefahr von Spätfrost im Mai", sagt Weinanbau-Experte Stoll. Die Kälte könnte den Pflanzen empfindlich zusetzen und große Auswirkungen auf das Ernteergebnis haben. Es wird sich also zeigen, ob Stefan Müller ein Vorreiter ist, der Nachahmer finden wird, oder ein Hobby-Winzer in einer Nische bleibt, die gerade für die touristisch attraktive Region der Rhön für Furore sorgen könnte.

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Wein aus Hessen

Hessen liegt in der Rangfolge der Wein produzierenden Bundesländer auf Rang vier. Größere Produktionsmengen haben Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern.

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