Malte Roschild und Lilly Huss haben bei einem Brand alles verloren.

Ein schwerer Brand zerstört im September das Zuhause von sechs Familien in Ahnatal bei Kassel. Sie alle kommen mit dem Leben davon - gerade so. Ein junges Paar kämpft noch immer mit den Folgen - und ist zugleich überwältigt von der Hilfsbereitschaft im Ort.

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Nach dem Brand in Ahnatal

hs
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Unmittelbar vor dem Fenster lodern die Flammen meterhoch - es sind beängstigende Szenen, festgehalten in einem kurzen Handyvideo, das Malte Roschild in der Nacht zum 13. September in seiner Wohnung in Ahnatal-Heckershausen (Kassel) aufgenommen hat. Er und seine Freundin Lilly Huss erinnern sich zu gut an den Moment, in dem das Schreien des Nachbarn sie geweckt hat. Doch da dringt bereits Rauch in die Wohnung, Rauchmelder piepen, Menschen rufen in Panik um Hilfe.

Das Mehrfamilienhaus nahe der Kirche steht in Flammen. Beide sind in Lebensgefahr. Roschild ruft seine Mutter an, sagt ihr: "Ich weiß nicht, ob wir es hier noch rausschaffen." Auf dem Schreibtisch entdeckt er die Taucherbrille vom letzten Badegang im Bühl, dem nahegelegenen See. Er setzt sie auf, wickelt sich ein T-Shirt um den Kopf und öffnet das Fenster, schreit um Hilfe. Mittlerweile sind Rettungskräfte vor Ort.

Malte Roschild und Lilly Huss haben bei einem Brand alles verloren.

Haus im Vollbrand, Personen im Dachgeschoss – hochdramatisch für die Feuerwehr

Gemeindebrandinspektor Daniel Hotz erreicht den Einsatzort, als das Mehrfamilienhaus bereits komplett in Flammen steht. "Ich habe so einen Brand in meiner Karriere noch nicht erlebt", sagt er. Der Brand habe sich vom Erdgeschoss aus wahnsinnig schnell ausgebreitet.

Eine hochdramatische Situation, zumal sich mehrere Personen anfangs noch im Obergeschoss des Hauses befinden. Sie alle, darunter auch Lilly Huss und Malte Roschild, können mit einer Drehleiter befreit werden. Nahezu unverletzt. Insgesamt sechs verschiedene Feuerwehren sind in der Nacht im Einsatz.

Malte Roschild und Lilly Huss haben bei einem Brand alles verloren.

Mehr als 300.000 Euro Schaden, Haus unbewohnbar

Als der Brand unter Kontrolle ist, beläuft sich der Schaden auf mehr als 300.000 Euro. Sechs Familien stehen ohne Dach über dem Kopf da, wie durch ein kleines Wunder werden insgesamt nur drei Menschen verletzt. Das Haus ist unbewohnbar, muss abgerissen werden. Malte Roschild wird wenig später auf einem Schutthaufen einen Teil seiner Sachen entdecken: Bettdecke, Bett, Badewanne - und ganz oben auf der Spitze einen Fußballschuh.

Der junge Mann hat alles verloren: sein Zuhause, Erinnerungen, Fotos. Eine Hausratversicherung hat er nicht. Er kann bei den Eltern seiner Freundin wohnen und in der Zeit ein bisschen Geld für den Neustart ansparen. Die Erinnerung an die Nacht verursacht bei ihm Monate später noch eine Gänsehaut.

Welle der Hilfsbereitschaft im Ort

Was auf den Schock folgt, hat Roschild jedoch Mut gemacht. Durch die Gemeinde rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft. Sie habe seinen Blick auf die Gesellschaft verändert. Man lese immer von einer Spaltung, sagt Roschild, für Ahnatal gelte das nicht. Er habe tolle Menschen kennengelernt, Zusammenhalt erfahren. Menschen, die ihn nicht kannten, hätten Spenden-Sparschweine aufgestellt, Hilfe angeboten.

Auch jetzt, gut drei Monate später, ist Roschild noch immer überwältigt. Die Ahnataler Band 'No Skunk' hat ein Benefizkonzert gespielt, in Geschäften wurde gesammelt, Menschen haben gespendet: Insgesamt 3.760 Euro sind für die sechs Familien zusammengekommen, das Geld wurde jetzt an die Betroffenen übergeben.

Der Schock sitzt tief

Roschild hat mittlerweile auch eine neue Wohnung gefunden. Seine Freundin und er haben sie mit geschenkten Möbeln notdürftig eingerichtet, gespendete Kleidung in die offenen Regale geräumt - ein Kleiderschrank fehlt noch, ebenso wie eine Waschmaschine.

Der Schock aus der Nacht im September stecke ihnen noch tief in den Knochen, erzählt die 18-Jährige. In der neuen Wohnung habe sie Panik vor dem Einschlafen gehabt, weil sie Angst habe, dass es wieder brennen könne. Immer wieder kämen die Erinnerungen hoch an den Moment, als sie gespürt habe, dass ein Überleben nich mehr in ihrer Hand liegt.

Den Fußballschuh von der Spitze des Schutthaufens haben Malte Roschild und Lilly Huss mit in ihre neue Wohnung genommen. Er erinnert sie an den 13. September, den Tag, der für beide seither ein zweiter Geburtstag ist.

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