Bildschirmfoto der umstrittenen Internetseite der Antifa Frankfurt

Die Antifa Frankfurt ruft zu Straftaten gegen AfD-Landtagskandidaten auf und liefert einen Online-Pranger samt Adressen gleich mit. Hessens Innenminister Beuth und Justizminister Poseck verurteilen die Aktion. Die Polizei berät die betroffenen Politiker.

Eine interaktive Karte, persönliche Profile mit Fotos und Negativ-Bewertungen, dazu die privaten Adressen und zum Teil auch Kfz-Kennzeichen: Mit diesen Hinweisen hat die Antifa Frankfurt zu Straftaten gegen die AfD und all ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl am 8. Oktober aufgerufen. Hessens Innenminister Peter Beuth und Justizminister Roman Poseck (beide CDU) haben die Aktion in einer gemeinsamen Stellungnahme vom Mittwoch scharf verurteilt.

"Das Vorgehen der Antifa verstößt gegen die Prinzipien der Demokratie", heißt es darin. Und weiter: "Die Auseinandersetzung mit der AfD und ihren Repräsentanten muss mit politischen und friedlichen Mitteln geführt werden." Beuth und Poseck halten die "Radikalisierung der politischen Ränder für besorgniserregend".

"Konsequenzen des Rechtsstaats" angekündigt

Persönliche Bedrohungen seien der völlig falsche Weg. Auch im Umgang mit jeglichen radikalen Kräften gilt laut den CDU-Ministern, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt. "Die Antifa muss mit der Konsequenz des Rechtsstaats rechnen, wenn sie das Recht bricht."

Auch das Bundesinnenministerium verurteilte die Aktion. Ein Sprecher sagte, Gewalt und Drohungen könnten niemals ein akzeptables Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Das gelte unabhängig davon, ob diese aus linksextremistischen, aus rechtsextremistischen oder aus anderen extremistischen Spektren kämen.

Motorrad-Kennzeichen und Lieblings-Badesee

Die Antifa Frankfurt hatte auf ihrer Homepage und via Twitter auf die Seite mit dem Online-Pranger verlinkt. Sie hatte dies mit dem Aufruf verbunden, "militant" tätig zu werden und den aufgeführten Politikern "das Leben zur Hölle zu machen".

Auf der Seite mit den Adressen wurden weitere private Details der Politiker beschrieben: beim auf Listenplatz 3 kandidierenden Landtagsabgeordneten Volker Richter etwa, dass er Motorrad fahre, wie das Kennzeichen laute und in welchem See er gerne bade.

Die Aktion wird damit begründet, dass die AfD rechtsextremistisch sei und nur noch so ihr Aufstieg zur Macht zu stoppen sei. Es sei gefährlich, sich mit der Partei nach den Spielregeln des Parlamentarismus zu befassen, heißt es. Genau dem treten Innenminister Beuth und Justizminister Poseck entgegen. "Der Rechtsstaat schützt die Demokratie und die argumentative Auseinandersetzung", schreiben beide.

Weil das Prinzip umfassend gelte, sei es auch "Aufgabe des Rechtsstaats, Repräsentanten der AfD vor etwaigen Übergriffen zu schützen". Deshalb habe das Landeskriminalamt (LKA) bereits Kontakt zur AfD Hessen aufgenommen, "um den Betroffenen Beratung und Betreuung zuteilwerden zu lassen".

Juristische Schritte angekündigt

Das LKA ist nach eigenen Angaben dabei, die Frage zu bewerten, wie gefährdet die AfD-Politiker sind. Anschließend werde man über polizeiliche Maßnahmen zu ihrem Schutz entscheiden. Zur juristischen Einordnung der Veröffentlichung der Privatadressen und der damit verbundenen Drohungen äußerten sich Beuth und Poseck nicht. Das sei Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte.

"Die ersten Betroffenen haben bereits Anzeige wegen Androhung von Gewalt gestellt, andere haben es vor", teilte ein AfD-Sprecher mit. Die AfD hatte in einer ersten Reaktion am Dienstagabend juristische Schritte angekündigt. Ihr Co-Landesvorsitzender Andreas Lichert sagte, wegen der Aktion fühle es sich an, "als würde man für vogelfrei erklärt". Gerade AfD-Politiker mit Kindern müssten große Sorge haben.

Lichert beklagte sich am Dienstagabend über mangelnde Solidarität der anderen Parteien, wenn es um Hass und Hetze gegen die AfD gehe. Landtagspräsident Astrid Wallmann (CDU) verurteilte die Antifa-Aktion am Mittwoch ebenso wie die Minister Beuth und Poseck: "Jegliche Form der Gewalt oder auch nur deren Androhung dürfen nie ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein."

Wiederholt Attacken

Licherts Haus und auch Wohnhäuser von Kollegen seiner Landtagsfraktion waren wiederholt attackiert worden. Meist waren es Farbschmierereien. Der 46-Jährige hatte sich bis zu dessen offizieller Auflösung zum vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingeordneten völkisch-nationalistischen "Flügel" der AfD bekannt.

Die AfD in Hessen stellt sich selbst als bürgerlich-konservativ da. Nicht nur die anderen Parteien im Landtag sehen es anders. Die Jugendorganisation "Junge Alternative" wird wie im Bund auch in Hessen vom Verfassungssschutz als rechtsextremer Verdachtsfall systematisch beobachtet. Der AfD-Landesverband klagt gegen eine im Herbst 2022 angekündigte Beobachtung in Hessen. Sie wurde vom Verwaltungsgericht Wiesbaden vorläufig untersagt.

Gängige Praxis des Outens und Drohens

Bei der Antifa wiederum handelt es sich nach Darstellung des Bundesverfassungsschutzes um keine klar umrissene bundesweite Organisation. Sie sei in lokale Gruppen gegliedert. Als "Antifaschistische Aktion" verübten autonome linksextreme Gewalttäter sogenannte "Gegenaktionen" gegen ihrer Meinung nach "faschistische" Personen, Gruppen oder Einrichtungen. Wie bei Attacken gegen die AfD in Hessen bekennen sie sich häufig als "Antifa" zu solchen Taten.

Namen und Daten politischer Gegner zu veröffentlichen, ist für die Antifa gängige Praxis. Als sich etwa vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt ein Bundeswehroffizier wegen Vorbereitung eines rechtsterroristischen Anschlags verantworten musste und nach Aufhebung des Haftbefehls auf freiem Fuß war, zirkulierten auch Flugblätter mit seinem Bild und seiner Privatanschrift. Auch rechte Gruppierungen veröffentlichen immer wieder Adressen ihrer politischen Gegner.

Neben Sachbeschädigungen, Brandstiftungen und Körperverletzungen gehören auch sogenannte "Outing-Aktionen" zum Repertoire gewaltorientierter Linksextremisten", heißt es auf der Webseite des Bundesamts für Verfassungsschutz in dem Abschnitt, in dem es um die als extremistisch eingestuften Teile der Antifa geht. Auch wenn keine Taten folgten, werde so ein Bedrohungsszenario aufgebaut, weil die Betroffenen jederzeit mit Angriffen auf sich, die Familie oder das Eigentum rechnen müssten. Hinzu komme die Sorge der an den Pranger gestellten Menschen vor beruflichen Nachteilen.

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