Gerichte machten Druck, das Land reagiert: Nach und nach bekommen alle Beamte in Hessen mehr Geld. In den unteren Besoldungsgruppen waren die Bezüge verfassungswidrig niedrig. Gewerkschaften und Opposition reichen die Pläne nicht.

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Beamte bekommen mehr Geld

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Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Pensionärinnen und Pensionäre: Mehr als 180.000 Menschen erhalten vom kommenden Frühjahr an monatlich mehr Geld, wenn sie beim Land Hessen beschäftigt sind oder waren. Und das unabhängig von ihrer Besoldungsgruppe und zusätzlich zu vereinbarten Tarif- oder Besoldungserhöhungen. Das haben Ministerpräsident Boris Rhein und Innenminister Peter Beuth (beide CDU) am Freitag in Wiesbaden mitgeteilt. Die Bezüge steigen in zwei Stufen.

Außerdem hebt das Land die Kinderzuschläge für Hessens Staatsdienerinnen und Staatsdiener deutlich an, ebenfalls schrittweise. Auf diese Eckpunkte habe sich die Koalition geeinigt, sagte Rhein. Er kündigte an, im Herbst dieses Jahres werde der entsprechende Gesetzentwurf im Landtag auf den Weg gebracht.

Damit wird laut Rhein die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung in Hessen gesichert. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte Ende vergangenen Jahres entschieden, dass die Beamtenbesoldung in Hessen zu niedrig ist und gegen das Grundgesetz verstößt. Das Land rechnet mit Zusatzkosten von rund 195 Millionen Euro im Jahr 2023 und rund 274 Millionen Euro im Jahr darauf.

Rhein: "Nur schrittweise zu schultern"

Die Regelungen im Einzelnen:

  • Anhebung der Besoldung und Versorgung: Die Beträge steigen am 1. April 2023 sowie am 1. Januar 2024 um jeweils drei Prozent.
  • Höhere Familienzuschläge: Ab 1. April 2023 gibt es für die ersten beiden Kinder jeweils 100 Euro im Monat mehr. Für jedes weitere Kind steigt der Zuschlag um jeweils 300 Euro pro Monat. Eine Familie mit vier Kindern erhält also 800 Euro zusätzlich.
  • Höhergruppierung: Angehörige der Besoldungsgruppe A 5 werden zum 1. April 2023 in die besser bezahlte Besoldungsgruppe A 6 überführt.
  • Richter und Staatsanwälte: Am 1. April 2023 sollen die niedrigsten beiden Erfahrungsstufen entfallen. Damit werde man auch gestiegenen Anforderungen in der Justiz gerecht.

Rhein wertet die Regelung als "besonders familienfreundlich und zugleich generationsgerecht". Sie sei auch angesichts des Fachkräftemangels für das Land sinnvoll. Er wies aber auch darauf hin, dass der Schritt nicht freiwillig kam. Alle Bundesländer seien vom Bundesverfassungsgerichts aufgerufen, die Besoldung der Beamtinnen und Beamten in Deutschland anzupassen. Vor allem auf Bedürfnisse von Familien und Wohnkosten sei bei der Bezahlung mehr zu achten.

Hessen könne "trotz unserer großen Wirtschaftskraft " die notwendigen Verbesserungen aber nur schrittweise schultern, sagte der Regierungschef. Es handele sich um eine Aufgabe, "die man auch als Herausforderung bezeichnen kann".

Beamtenbund: "Schritt in die richtige Richtung"

Der hessische Beamtenbund dbb begrüßte die Ankündigung als "Schritt in die richtige Richtung". "Er ist nach unserer Bewertung der im Vergleich bislang beste Weg, müsste aber ein größeres Volumen haben", erklärte der Landesvorsitzende Heini Schmitt. Der DGB-Bezirksvorsitzende Michael Rudolph sagte ebenfalls, die Vorschläge gingen in die richtige Richtung. "Wir werden sie nun im Detail prüfen und dann Gespräche mit der Landesregierung führen."

Der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Hessen-Thüringen begrüßte, dass Hessen endlich einen Vorschlag gemacht habe - wenn auch als vorletztes aller Bundesländer. Es gehe in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus. Der erste Erhöhung der Bezüge müsse schon vor dem 1. April 2023 kommen, die unteren Besoldungsgruppen mehr bekommen.

Heftige Kritik kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein Ausgleich für die Verfassungswidrige Besoldung in der Vergangenheit sei das nicht, mahnte GdP-Landeschef Jens Mohrherr. Es werde vielmehr versucht, mit Besoldungserhöhungen in zwei Schritten "zukünftig für eine gewisse Ruhe zu sorgen".

VGH fällte Grundsatzurteil

Es sind mehrere getroffene und zu erwartende Gerichtsurteile, die dem Land Druck machten. So hat das Bundesverfassungsgericht die Richterbesoldung in Berlin und Nordrhein-Westfalen in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Für Hessen erging das Grundsatzurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof im vergangenen November nach mehrjährigem Rechtsstreit.

Unterstützt vom dbb hatte ein Justizwachmeister erfolgreich geklagt. Der Landesbeamte bemängelte, dass seine Bezüge in den Jahren 2013 bis 2020 zu niedrig waren und der nötige Mindestabstand zur Grundsicherung fehlte. In der Vorinstanz scheiterte er damit. Der Verwaltungsgerichtshof gab ihm Recht und fällte damit ein Grundsatzurteil.

Nach Überzeugung der Kasseler Richter war in den untersten Besoldungsgruppen nicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 15 Prozent zu Grundsicherung eingehalten worden, wie sie etwa Arbeitssuchende erhalten. Es war klar, dass eine Anpassung sich auch auf die höheren Besoldungsgruppen auswirkt. Denn der Abstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen muss angemessen sein.

Abschließende Urteile kommen erst noch

Im Fall des Verwaltungsgerichtsurteils zur sogenannten A-Besoldung des Justizwachmeisters steht allerdings noch die abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Das gilt auch für den Musterstreit eines Professors für die sogenannte W-Besoldung.

"Mit unserem Plan bleiben alle Optionen offen, weitere Stellschrauben zu justieren, sobald Karlsruhe eine abschließende Bewertung der Besoldung in Hessen vorgenommen hat", sagte Innenminister Beuth zu den ausstehenden Urteilen. Die Regierung wollte nach eigenen Angaben mit den Verbesserungen aber nicht so lange warten. "Erst nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts haben wir vollständige Klarheit über den Anpassungsbedarf", sagte Mathias Wagner, Fraktionschef der mitregierenden Grünen.

Unmittelbar nach dem Kasseler Urteil hatte schon der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) angekündigt, die Besoldung schon vor einem Richterspruch in Karlsruhe zu ändern. In seiner ersten Regierungserklärung vor dem Landtag hatte sein Nachfolger Rhein im Juni den dazugehörigen Gesetzentwurf angekündigt, ohne Einzelheiten zu nennen.

Linke beklagt soziale Ungerechtigeit

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Hessen bessert bei der Beamtenbesoldung nach

Das Image der 1,8 Millionen Beamte in Deutschland war bislang verstaubt und langweilig. Stimmt nicht mehr, erklärt der ARD Beamten-Report.
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Die Opposition im Landtag hat lange kritisiert, das Land lasse sich mit der gebotenen Regelung viel zu viel Zeit. In den ersten Reaktionen lautete der Tenor parteiübergreifend: Das Land reagiere zu spät, der Vorschlag sei grundsätzlich in Ordnung, aber nicht ausreichend. So urteilte Torsten Felstehausen, innenpolitischer Sprecher der Linken: Es sei erfreulich, dass die Regierung durch die Gerichtsurteile "zum Handeln gezwungen" worden sei.

Von einer sozial gerechten Besoldungspolitik sei Hessen aber noch weit entfernt. Die Linke hat ausgerechnet: Einkommen in den unteren Einkommensgruppen erhöhten sich gerade einmal um 70 Euro, die der Besserverdienenden in der Besoldungsgruppe A16 um mehr als 200 Euro. Dass die "Besoldungsreparatur" überhaupt nötig wurde, wertet die SPD-Innenexpertin Heike Hofmann als "Armutszeugnis". Sie forderte, dass die angekündigten Zahlungen rückwirkend gelten sollen. Das vervielfache die Kosten, sei aber "dringend notwendig, um den bis dato fortbestehenden verfassungswidrigen Zustand in Gänze zu beheben".

FDP: Scherbenhaufen für nächste Regierung

Dass dies nicht alles gewesen sein könne, befand auch bei grundsätzlicher Zustimmung Klaus Herrmann, innenpolitischer Sprecher der AfD. Beschäftigte der Besoldungsgruppe A5 in die A6 zu überführen, werde nicht ausreichen, um das Gebot zu erfüllen, mit der Bezahlung genug Abstand zur Höhe der sozialen Grundsicherung zu haben.

Eine ganze Menge fehlt nach Meinung der FDP. Schwarz-Grün überlasse "den Scherbenhaufen der Besoldungspolitik" der nächsten Landesregierung. Denn die Bezahlung der Beamten bleibe noch immer verfassungswidrig, sagte Stefan Müller, Innenexperte der Landtagsfraktion. Es dürfte mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten, das zu ändern.

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