Umstrittener Windpark in Nordhessen Bis zu 240 Meter hoch - 18 Windräder im Reinhardswald genehmigt

Das Regierungspräsidium Kassel hat das bisher größte in Hessen beantragte Windkraftanlagen-Projekt genehmigt: Im Reinhardswald sollen 18 Windräder gebaut werden. Eine Bürgerinitiative kündigte an, gegen die Errichtung des Windparks klagen zu wollen.
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Umstrittener Windpark im Reinhardswald genehmigt

Im Reinhardswald dürfen 18 neue Windkraftanlagen entstehen. Das hat das Regierungspräsidium Kassel am Mittwoch mitgeteilt. Demnach sollen die Windräder in Forstgebieten bei Bad Karlshafen und Trendelburg-Gottsbüren errichtet werden. Es ist das bisher größte im Land Hessen beantragte Windkraftanlagen-Projekt.
Bereits im August 2020 ging ein entsprechender Antrag des Energieversorgers EAM beim Dezernat für Immission und Strahlenschutz ein. Die genehmigten Windräder dürfen eine Gesamthöhe von 241 Metern und Rotorblätter mit einem Durchmesser von 150 Metern haben. Sie sollen rund 300.000 Megawattstunden regenerative Energie im Jahr produzieren. Geht man von einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden pro Jahr und Haushalt aus, könnten damit rechnerisch rund 75.000 Haushalte versorgt werden.
Laut Betreiber ist für das Projekt eine Fläche von rund sieben Kilometern zwischen dem "Farrenplatz" und dem "Langenberg" im nördlichen Reinhardswald vorgesehen. Dadurch sei ausreichend Abstand zu den "touristisch wertvollen Bereichen um den Urwald oder den Tierpark Sababurg" gewahrt.
Windpark-Betreiber: Anzahl der zu fällenden Bäume "äußerst gering"
Der Genehmigung des Windparks sei ein "umfangreiches, hochkomplexes Verfahren" vorausgegangen, teilte das Regierungspräsidium Kassel mit. Mehr als 30 Behörden und Stellen seien daran beteiligt gewesen, um neben dem Immissionsschutz unter anderem auch die Auswirkungen der Windräder auf Natur- und Artenschutz sowie den Wasser- und Denkmalschutz zu prüfen.
Unmittelbar nach dem Erhalt der Genehmigung sollen bereits vorbereitende Arbeiten zur Umsetzung beginnen, teilte der Windpark-Betreiber mit. Man gehe von etwa zwei Jahren Bauzeit aus. Ein Großteil der benötigten Fläche für die Windräder sei bereits baumfrei: Durch Stürme, Dürresommer und den Borkenkäfer habe Hessen Forst schon 5.000 Hektar Wald - rund 25 Prozent der gesamten Waldfläche - abgeräumt.
90 Prozent der ausgewählten Aufstellflächen seien Fichtenkalamitäten, also Flächen mit bereits geschädigten Bäumen. "Wir sehen die Auswirkungen des Klimawandels und wir nutzen sie", so Geschäftsführer Ralf Paschold gegenüber dem hr. Eingriffe in noch intakte Buchenbestände wolle man weitgehend vermeiden. Die Anzahl der für den Windpark zu fällenden Bäume sei deshalb "äußerst gering", etwa 250 Buchen und junge Fichten müssten noch weichen.
Bürgerinitiative kündigt Klage an
Gegen den Windpark im Reinhardswald hatte es immer wieder Widerstand von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Naturschützern gegeben. Sie befürchten, der Ausbau von Windkraftanlagen gefährde den Lebensraum von bedrohten Vögeln wie dem Schwarzstorch oder Rotmilan und einigen Fledermausarten und schade dem Tourismus im "Märchenwald". Zudem gebe es kein Brandschutzkonzept. Laut Regierungspräsidium waren insgesamt 690 Einsprüche eingegangen.
Eine Sprecherin der Bürgerinitiative "Rettet den Reinhardswald" monierte im Gespräch mit dem hr, die Stadt Trendelburg prüfe bereits seit einem Jahr die rechtlichen Grundlagen eines Bürgerbegehrens: "Da wurde auf Zeit gespielt, um die Genehmigung durchzudrücken." Die Initiative "Pro Reinhardswald" kündigte am Mittwoch an, gegen die Genehmigung Klage einreichen zu wollen.
Der Bau von Windrädern wurde zuletzt immer wieder von Gerichten gestoppt, im vergangenen Jahr etwa vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel: Der Bau von Windrädern bei Trendelburg wurde unterbunden, weil das Gericht den bundesweiten Mindestabstand von 1.500 Meter zum Rotmilanhorst für notwendig hielt. Auch das Verwaltungsgericht Gießen verhängte 2021 einen vorläufigen Baustopp für zwei Anlagen bei Blasbach (Lahn-Dill). Das Revier eines Wespenbussard-Paares sei nur 950 Meter entfernt, die Begründungen für die Ausnahme vom vorgeschriebenen Mindestabstand ließ das Gericht nicht gelten.
Windkraft-Ausbau in Hessen stockt
Der Ausbau der Windenergie in Hessen stockt seit Jahren. Bundesweit nimmt das Land mit seinen 1.126 aktiven Windrädern den neunten Platz ein. Von 2017 bis einschließlich 2021 wurden 139 Windenergieanlagen genehmigt, im Jahr 2016 waren es noch 178. Das geht aus Daten des hessischen Umweltministeriums hervor. Insgesamt sind zwei Prozent aller Landesflächen laut Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen für Windenergie vorgesehen. Nach Angaben des Wirtschaftsministerium werden aktuell schon 1,89 Prozent der Fläche in Hessen genutzt.
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Außerhalb dieser Gebiete sollen laut Landesregierung etwa 80.000 Hektar große Schutzflächen für bedrohte Arten entstehen, unter anderem auch in Nordhessen. Die Schutzgebiete sehen zum Beispiel vor, dass die Nistbäume von Störchen mit Manschetten versehen werden, die Waschbären abhalten sollen.